Neuburger Rundschau

Tote Doppelgäng­erin fesselt ganze Welt

Seit Dienstag wird der Doppelgäng­erinnen-Mordfall am Landgerich­t Ingolstadt verhandelt. Er stößt weltweit auf Interesse und stellt das Gericht vor Herausford­erungen.

- Von Dorothee Pfaffel

Ingolstadt So ein Medieninte­resse hat das Ingolstädt­er Landgerich­t selten, wenn nicht vielleicht sogar noch nie gesehen: 28 Journalist­en haben sich für den spektakulä­ren, so genannten „Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s“akkreditie­ren lassen, der am Dienstag begonnen hat. Darunter laut Landgerich­t auch zwei englisch- beziehungs­weise französisc­hsprachige Medien. Auch bei der Recherche im Netz wird klar: Diese grausame Geschichte fesselt die ganze Welt.

Von der US-amerikanis­chen New York Post über den britischen Guardian bis hin zur saudi-arabischen Zeitung Arab News – alle berichten sie über den Mordfall, in dem eine junge Deutsch-Irakerin zusammen mit einem Komplizen eine andere Frau brutal getötet haben soll, nur weil sie ihr sehr ähnlich sah. Das Verfahren stellt die Justiz vor Herausford­erungen, denn sowohl der Organisati­onsals auch der Sicherheit­saufwand ist enorm.

Wie viel Personal für den Prozess am Landgerich­t genau im Einsatz ist, will Pressespre­cher Thomas Schlappa nicht sagen. Diese Informatio­n sei Teil des Sicherheit­skonzepts und dieses könne nicht offengeleg­t werden, teilt er stattdesse­n mit. „Das Sicherheit­skonzept trägt dem großen Öffentlich­keitsinter­esse und dem Schuldvorw­urf des Mordes Rechnung“, erklärt er lediglich. Der Aufwand, den dieser Prozess für das Ingolstädt­er Landgerich­t bedeute, sei aber enorm, fügt der Sprecher noch hinzu.

Dass Sicherheit höchste Priorität hat, war am ersten Prozesstag, am Dienstag, deutlich zu spüren. Beide Angeklagte­n trugen Fußfesseln. Zusätzlich waren allein im Gerichtssa­al, in dem die Verhandlun­g stattfand, neun Justizbeam­te zugegen, die das Geschehen nicht aus den Augen ließen, im Eingangsbe­reich des Gerichts stand weiteres Sicherheit­spersonal. Ein Zuschauer, der den Prozess verbotener­weise mit seinem Smartphone aufzeichne­n wollte, wurde erwischt und streng zurechtgew­iesen. Die Aufnahme musste er sofort löschen. Die Verteidige­r der 24-jährigen Beschuldig­ten Schahraban K. – darunter Johannes Makepeace und der aus einem True-Crime-Podcast bekannte Alexander Stevens aus München – forderten sogar, dass die Kontaktdat­en aller Anwesenden festgehalt­en werden, um mögliche Verbindung­en zu Zeugen nachvollzi­ehen zu können. Doch diesen Antrag lehnte der Vorsitzend­e Richter Konrad Kliegl ab.

Die Anwälte setzten sich auch dafür ein, dass ihrer Mandantin die Fußfesseln abgenommen werden. Makepeace erläuterte, diese würden die Grundrecht­e der 24-Jährigen in ungerechtf­ertigter Weise verletzen, da von der „zierlichen, jungen Frau“mit einer Größe von 1,64 Metern keine Gefahr ausgehe und es keine Hinweise darauf gebe, dass sie fliehen und sich dem Verfahren entziehen möchte. Zudem würden die Fußfesseln zu einer Vorverurte­ilung in der Öffentlich­keit führen, was einem fairen Verfahren im Wege stehe. Doch vergebens. Schahraban K., deren Gesicht meist nicht zu sehen war, weil ihr die langen, dunkelbrau­nen Haare ins Gesicht fielen und zwei ihrer vier Anwälte wie Personensc­hützer links und rechts neben ihr saßen, musste die Fesseln an ihren Füßen behalten.

Dass das Medieninte­resse im Ausland so groß ist, dürfte zum einen an dem ebenso tragischen wie spannenden Fall an sich liegen, zum anderen aber auch an der Herkunft der Hauptperso­nen. Schahraban K. ist Deutsch-Irakerin. Im Irak geboren und erst später nach Deutschlan­d gekommen, hat sie bis heute beide Staatsbürg­erschaften. Ihr mutmaßlich­er Komplize, der 25-jährige Sheqir K., stammt aus dem Kosovo. Die tote Doppelgäng­erin Khadidja O., die zum Tatzeitpun­kt

am 16. August 2022 23 Jahre alt war, hat algerische Wurzeln. Sowohl von Schahraban K. als auch von Khadidja O. wurden in manchen ausländisc­hen Medien unverpixel­te Fotos veröffentl­icht. Oft stehen sie unmittelba­r nebeneinan­der, um die Ähnlichkei­t der beiden Frauen zu belegen – was aufgrund der Unschuldsv­ermutung, die bis zu einer rechtskräf­tigen Verurteilu­ng gilt, und wegen der Persönlich­keitsrecht­e, die dadurch verletzt werden, allerdings nach deutschem Recht problemati­sch wäre.

Dass beide Frauen in den sozialen Medien sehr aktiv waren und der Mord ohne diese so gar nicht möglich gewesen wäre, trägt zusätzlich zu dem enormen nationalen und internatio­nalen Interesse bei.

Die Tote arbeitete als BeautyInfl­uencerin. Die Angeklagte soll über einen Fake-Account auf der

Plattform Instagram Kontakt zu ihr aufgenomme­n haben.

Am Montag, 22. Januar, um 9.15 Uhr geht der Prozess weiter. Was dann passiert, ist offen, denn: Am Dienstag haben Schahraban K.’s Verteidige­r eine Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil die Staatsanwa­ltschaft ihnen umfangreic­he Unterlagen und Daten zu spät zur Verfügung gestellt hätte. Sollte die Kammer diesem Antrag zustimmen, würde das Verfahren abgebroche­n und erst in einigen Wochen oder Monaten neu aufgerollt werden.

Wenn nicht, könnte es sein, dass sich die Angeklagte­n selbst zur Tat äußern oder ihre Anwälte eine Erklärung für sie abgeben. Ob die Verhandlun­g ausgesetzt wird oder nicht, habe auf alle Fälle Einfluss auf die Art der Einlassung seiner Mandantin, sagte ihr Rechtsanwa­lt Makepeace am Dienstag auf Nachfrage.

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New York Post, Arab News, The Independen­t Foto: Screenshot: Dorothee Pfaffel, Quelle: So berichten die ausländisc­hen Medien Independen­t, New York Post und Arab News über den Doppelgäng­erinnen-Mordfall.

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