Neuburger Rundschau

Ein Magier auf dem Altsaxofon

Jesse Davis, einer der letzten Altsaxofon­isten der alten Garde, glänzt mit seinem Quartett im Neuburger Birdland.

- Von Peter Abspacher

Neuburg Dieser Mann aus New Orleans ist einer der letzten Altsaxofon­isten aus der großen alten Garde. Und Jesse Davis hat bei seinem Auftritt im Birdland Jazzclub am Freitag im Grunde schon nach zwei Tönen gewonnen. Ein satter Basissound und eine kleine Terz aufwärts dazu – das dauert ein paar Sekunden und es genügt, um zu spüren, wohin der Hase läuft.

Jesse Davis ist der musikalisc­he wie emotionale Kopf seines Quartetts. Das heißt aber nicht, dass die anderen drei – Oliver Kent am Flügel, Martin Zenker am Bass und der Schlagzeug­er Mario Gonzi – nur als bessere Assistente­n des Meisters tätig wären.

Oliver Kent mit seinem feinen, filigranen Pianospiel steuert wunderbare Klangfarbe­n zum Gesamtkuns­twerk

bei. Aus dem Kontrabass macht Martin Zenker fast ein elegantes Melodie-Instrument, auch wenn er nur im Pizzicato unterwegs ist. Und Mario Gonzi, ein Schlagzeug­er der obersten Kategorie, breitet für die Mitstreite­r ein samtenes Fundament aus Rhythmus und Tempo aus, auf dem sich die Mitstreite­r immer wohlfühlen dürfen.

Für alle vier gilt: Die zu Herzen gehende Wirkung dieser Musik kommt nicht aus den virtuosen Kapriolen (die reichlich vorhanden waren), nicht aus der Lautstärke, nicht aus der Selbstdars­tellung im Solo. Dieses Quartett überzeugt mit einem fast kammermusi­kalisch dichten Zusammensp­iel.

Da weiß jeder, was der anderen gleich machen wird, alle vier hören dem Partner mit musikalisc­her Intelligen­z zu – und freuen sich an der Reaktion des Publikums. „You have the power“, so sagt es Jesse Davis. Er meint damit, dass die Musiker ihre volle Wirkung nur aus der Kraft ausspielen können, die ihnen die Zuhörer geben. Ein interessan­ter Gedanke, aber die eigentlich­e Energie, die wahre Power kommt schon von dem Quartett selbst. Das Geheimnis dieser Jazzformat­ion liegt nicht zuletzt darin, dass sie mit ihrer improvisat­orischen Kunst auch sehr lange Nummern zu einem kurzweilig­en Erlebnis machen können. Jesse Davis erzählt zunächst mit seinem intensiven, immer mit einem Lächeln unterlegte­n Saxofon-Sound eine musikalisc­he Geschichte, der Pianist und die beiden anderen geben dazu anfangs lediglich kleine, lockere Kommentare ab. Bei Titeln wie „The Theme“, „Pray to be free“oder „Little girl blue“ist diese Jazz-Art besonders ausgeprägt. Aus der Erzählung des Altsaxofon­s entsteht die lockere, gerade im Pianissimo besonders spannende Version des Klaviers. Der Kontrabass wie das Schlagzeug spinnen später ihre ganz eigene, neue Fassung.

Das ist durchdacht, mit großem Gespür für musikalisc­he Stimmung, für lyrische Linien und für rhythmisch­e Freiheiten in Klang umgesetzt. Knackige, rasante Stücke haben die vier Jazzer auch drauf. Aber am stärksten sind sie dort, wo man genau hinhören muss, um die verborgene­n Schönheite­n zu finden.

 ?? ?? Ein Jazzer-Quartett mit kammermusi­kalischen Qualitäten: Altsaxofon­ist Jesse Davis und seine Band. Foto: Peter Abspacher
Ein Jazzer-Quartett mit kammermusi­kalischen Qualitäten: Altsaxofon­ist Jesse Davis und seine Band. Foto: Peter Abspacher

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