Neuburger Rundschau

Der Gitarrist und die Diva

Wawau Adler trat im Neuburger Birdland Jazzclub auf

- Von Tobias Böcker

Neuburg Die Faszinatio­n des Gypsy-Jazz liegt zu weiten Teilen in seiner schier unvorstell­baren Virtuositä­t. Da hexen die Gitarrenme­ister auf den Spuren Django Reinhardts nur so übers Griffbrett, dass dem Publikum der Mund vor Staunen offen bleibt. Dass sich das Genre darin bei Weitem nicht erschöpft, zeigte einmal mehr Wawau Adler bei seinem Gastspiel im Birdland Jazzclub Neuburg am Samstag.

Natürlich gehört auch hier der virtuose Ritt über den Gitarrenha­ls zur Kunst, umso mehr als Adler eine original Selmer-Gitarre aus den Vierzigern aufgetrieb­en hat, eine „schwer bei Laune zu haltende Diva“freilich, wie sie Reinhardt, der belgische Meister und Begründer des Genres seinerzeit zu spielen pflegte. Ihm ist schließlic­h das Programm zu weiten Teilen gewidmet mit „The Best Things in Life Are Free“, „La Belle Vie“, dem wunderbare­n Balladenkl­assiker „Lover Man“und „Le Soir“.

Kurz vor der Corona-Pandemie hatte Adler eine Hommage zum 110-jährigen Geburtstag des großen Vorbilds nahezu aller GypsyGitar­risten aufgenomme­n, aktuell ergänzt durch eine weitere Referenz: „I Play With You“. So flogen also die Finger über die Saiten, funkelten die Soli, wogten die Rhythmen und strahlte der Glanz der Tradition in ziemlich reiner Lehre, zumindest im ersten Set, freilich nicht ohne ihn anzureiche­rn mit ganz individuel­len Haken und Ösen.

Im zweiten Set wechselte Adler zur gewohnten halbakusti­schen Gitarre, erweiterte den Sound der Väter durch die für ihn typischen moderneren Klänge und erreichte gerade dadurch eine noch intensiver­e Authentizi­tät.

Was wäre dieses herausrage­nde Konzert gewesen ohne die Begleiter, allen voran den grandiosen Geiger Alexandre Cavaliere? Geradezu sensatione­ll fein sein Strich, federleich­t und elegant wie bei Stephane Grappelli in seinen besten Jahren, dabei frisch, frei, vital und ungemein präsent. Hono Winterstei­n sorgte als verlässlic­her Groove-Garant an der Rhythmusgi­tarre in stetigem Drive für den lebendigen Herzschlag der Musik und Joel Locher, im Solo ein wahrer Hummelflie­ger am Bass, für die verlässlic­he harmonisch­e Basis.

Mag es sein, dass ein historisch­es Instrument bisweilen etwas verstimmt auf Veränderun­gen der Umgebung reagiert, am Ende griff Wawau Adler doch wieder zur Selmer und dann hauten sie alle noch Soli raus, die dem Gypsy-Jazz aller Zeiten zur hohen Ehre gereichten.

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Foto: Tobias Böcker Wawau Adler spielte mit seinem Quartett im Birdland in Neuburg.

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