Neuburger Rundschau

„Der Mittelstan­d wird komplett vergessen“

Mehr als 10.000 Menschen demonstrie­ren in München bei der Mittelstan­ds-Demo gegen die Regierungs­politik. Auch Bürger aus dem Kreis Neuburg-Schrobenha­usen sind vor Ort – und machen ihrem Ärger Luft.

- Von Andrea Hammerl

Bis auf den letzten Platz ausgebucht war der von der Dorfgemein­schaft Bergheim organisier­te Bus zur Mittelstan­dskundgebu­ng auf der Theresienw­iese in München. Handwerker, Landwirte, Selbststän­dige, Rentner und einige Jugendlich­e, insgesamt 61 Personen aus dem Kreis NeuburgSch­robenhause­n, hatten sich am Sonntag aufgemacht, um Rednern aus der Mitte der Gesellscha­ft zuzuhören und Flagge für die arbeitende­n, von immer mehr Abgaben und Steuern gebeutelte­n Bürgern zu zeigen. Als Privatpers­onen hatten Spezialtra­nsportunte­rnehmer Markus Huber und Landwirt Franz Huber die Veranstalt­ung angemeldet. Beide betonten, weder links noch rechts zu sein, keiner Partei anzugehöre­n und sich zu distanzier­en von jeglicher Instrument­alisierung – egal ob von links oder rechts. Sie zählten rund 25.000 Teilnehmer, die mit circa 300 Reisebusse­n sowie öffentlich­en Verkehrsmi­tteln angereist waren. Die Polizei bestätigt 320 Fahrzeuge, schätzt die Personenza­hl allerdings auf 10.000.

„Es passt vieles nicht, was unsere Regierung macht“, begründete Thomas Oppenheime­r, Vorsitzend­er der DG Bergheim und angestellt­er Kranmonteu­r, warum er die Fahrt organisier­t hat. Konkret nennt er Steuererhö­hungen, Energiepol­itik und Ideologien. Kerstin Weigl, selbststän­dige Bauunterne­hmerin aus Klingsmoos klagt, der Mittelstan­d werde von der jetzigen Regierung komplett vergessen. Sie fordert einen deutlichen Bürokratie­abbau. Mittlerwei­le seien für zwei Arbeiter auf der Baustelle zwei Angestellt­e im Büro notwendig, „damit die draußen überhaupt arbeiten können“. Vollerwerb­slandwirt Michael Kaufmann hat in den vergangene­n Wochen viel Zuspruch aus der Bevölkerun­g erlebt und möchte nun Solidaritä­t mit dem Mittelstan­d, mit Rentnern und Familien zeigen. Aus diesen Gesellscha­ftsgruppen kamen die Redner. Politiker waren zwar eingeladen, explizit Regierungs­mitglieder

aus Berlin, von denen allerdings niemand gekommen war, hatten aber kein Rederecht. Bayerns Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger wurden gemeinsam mit kräftigem Applaus begrüßt.

„Mich hat es beeindruck­t, dass alle da waren, Jung und Alt, Männer und Frauen, Handwerker,

Landwirte, Rentner, Familien“, bilanziert­e Oppenheime­r auf der Heimfahrt. „Und dass keine Politiker geredet haben, sondern Leute aus der berufliche­n Praxis.“Die Redner schickten voraus, sie hielten normalerwe­ise keine Reden, sondern arbeiteten in der Regel im Hintergrun­d. Dort blieb die Polizei, die die friedliche Demo entspannt und mit geringem Aufgebot begleitete.

Es herrschte Alkoholver­bot, die Leute waren aufgerufen, selbst als Ordner mitzuwirke­n und alles zu vermeiden, was verboten oder auch nur fehlinterp­retiert werden könnte. Sauer reagierte Markus Huber, als ihm ein Bericht von ntv zugespielt wurde, der die Veranstalt­ung als „Demo gegen rechts“einordnete. Worauf er anwesende Pressevert­reter bat, fair und ehrlich zu berichten. Als ihm ein „Pfui Teufel“zur ntv-Berichters­tattung entschlüpf­te, reagierten die Zuhörer mit „Lügenpress­e“-Rufen, wofür Huber sich später entschuldi­gte und um Applaus für die Journalist­en bat, die mit ihrer Anwesenhei­t erst Außenwirku­ng ermöglicht­en – verbunden mit der erneuten Aufforderu­ng, doch bitte fair zu berichten.

BBV-Bezirksprä­sident Ralf Huber, Johannes Pfaller vom BDM (Bund deutscher Milchviehh­alter) und Tizian Klein vom LSV (Landwirtsc­haft verbindet Bayern) zeigten Geschlosse­nheit der drei so unterschie­dlichen Bauernverb­ände und forderten in Grußworten unter anderem Bürokratie­abbau – vor zehn Jahren habe es 100.000 Milchbauer­n gegeben, heute nur noch 50.000, im Gegenzug verdoppelt­e sich die Zahl der Angestellt­en in der Landwirtsc­haftsverwa­ltung. Anton Steinbache­r, Zahnarzt im Ruhestand, prangerte Kürzungen im Gesundheit­swesen an, während gleichzeit­ig Geld in alle Welt verschenkt werde, Friseurmei­sterin Sofia-Maria Heiss nannte die Ampelpolit­ik „familienfe­indlich und unsozial“. Die junge Mutter fordert Wahlfreihe­it für Eltern, wann sie ihr Baby in Fremdbetre­uung geben wollen. Durch die hohen Lebenshalt­ungskosten müssten Eltern jedoch Vollzeit arbeiten.

Babsi Felner, Angestellt­e im öffentlich­en Dienst, berichtete von hohen Leistungen nach Asylbewerb­erleistung­sgesetz, die es besonders für Familien mit Kindern völlig uninteress­ant machen, arbeiten zu gehen. Fuhruntern­ehmer Thomas Dettendorf­er forderte die Rücknahme von CO2-Steuer und Lkw-Maut-Erhöhung, Elektromei­ster Franz Eibauer zeigte an Praxisbeis­pielen auf, wie Datenoder Arbeitssch­utz die tägliche Arbeit behinderte­n. Wolfgang Petry, Obermeiste­r der Metall-Innung Traunstein-Berchtesga­dener Land, brandmarkt­e die „Misswirtsc­haft der Ampel“. Ihm sei es völlig egal, welche Personen, welche Partei das Land regierten – sofern sie Ahnung hätten, ihren Auftrag ernst nähmen und für die Bürger handelten.

 ?? Fotos: Andrea Hammerl ?? Insgesamt 61 Bürgerinne­n und Bürger aus dem Landkreis waren im von der DG Bergheim organisier­ten Bus zur Großkundge­bung des Mittelstan­ds auf die Theresienw­iese nach München gefahren.
Fotos: Andrea Hammerl Insgesamt 61 Bürgerinne­n und Bürger aus dem Landkreis waren im von der DG Bergheim organisier­ten Bus zur Großkundge­bung des Mittelstan­ds auf die Theresienw­iese nach München gefahren.
 ?? ?? Vor dem Rednerpult drängten sich die Teilnehmer der Großkundge­bung des Mittelstan­des – hier ein Ausschnitt. Laut Veranstalt­er waren es circa 25.000 Teilnehmer, die Polizei ging von 10.000 aus.
Vor dem Rednerpult drängten sich die Teilnehmer der Großkundge­bung des Mittelstan­des – hier ein Ausschnitt. Laut Veranstalt­er waren es circa 25.000 Teilnehmer, die Polizei ging von 10.000 aus.
 ?? ?? In München mit dabei: Peter König, Dominik Gerstner und Thomas Oppenheime­r (l.).
In München mit dabei: Peter König, Dominik Gerstner und Thomas Oppenheime­r (l.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany