„Der Mittelstand wird komplett vergessen“
Mehr als 10.000 Menschen demonstrieren in München bei der Mittelstands-Demo gegen die Regierungspolitik. Auch Bürger aus dem Kreis Neuburg-Schrobenhausen sind vor Ort – und machen ihrem Ärger Luft.
Bis auf den letzten Platz ausgebucht war der von der Dorfgemeinschaft Bergheim organisierte Bus zur Mittelstandskundgebung auf der Theresienwiese in München. Handwerker, Landwirte, Selbstständige, Rentner und einige Jugendliche, insgesamt 61 Personen aus dem Kreis NeuburgSchrobenhausen, hatten sich am Sonntag aufgemacht, um Rednern aus der Mitte der Gesellschaft zuzuhören und Flagge für die arbeitenden, von immer mehr Abgaben und Steuern gebeutelten Bürgern zu zeigen. Als Privatpersonen hatten Spezialtransportunternehmer Markus Huber und Landwirt Franz Huber die Veranstaltung angemeldet. Beide betonten, weder links noch rechts zu sein, keiner Partei anzugehören und sich zu distanzieren von jeglicher Instrumentalisierung – egal ob von links oder rechts. Sie zählten rund 25.000 Teilnehmer, die mit circa 300 Reisebussen sowie öffentlichen Verkehrsmitteln angereist waren. Die Polizei bestätigt 320 Fahrzeuge, schätzt die Personenzahl allerdings auf 10.000.
„Es passt vieles nicht, was unsere Regierung macht“, begründete Thomas Oppenheimer, Vorsitzender der DG Bergheim und angestellter Kranmonteur, warum er die Fahrt organisiert hat. Konkret nennt er Steuererhöhungen, Energiepolitik und Ideologien. Kerstin Weigl, selbstständige Bauunternehmerin aus Klingsmoos klagt, der Mittelstand werde von der jetzigen Regierung komplett vergessen. Sie fordert einen deutlichen Bürokratieabbau. Mittlerweile seien für zwei Arbeiter auf der Baustelle zwei Angestellte im Büro notwendig, „damit die draußen überhaupt arbeiten können“. Vollerwerbslandwirt Michael Kaufmann hat in den vergangenen Wochen viel Zuspruch aus der Bevölkerung erlebt und möchte nun Solidarität mit dem Mittelstand, mit Rentnern und Familien zeigen. Aus diesen Gesellschaftsgruppen kamen die Redner. Politiker waren zwar eingeladen, explizit Regierungsmitglieder
aus Berlin, von denen allerdings niemand gekommen war, hatten aber kein Rederecht. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger wurden gemeinsam mit kräftigem Applaus begrüßt.
„Mich hat es beeindruckt, dass alle da waren, Jung und Alt, Männer und Frauen, Handwerker,
Landwirte, Rentner, Familien“, bilanzierte Oppenheimer auf der Heimfahrt. „Und dass keine Politiker geredet haben, sondern Leute aus der beruflichen Praxis.“Die Redner schickten voraus, sie hielten normalerweise keine Reden, sondern arbeiteten in der Regel im Hintergrund. Dort blieb die Polizei, die die friedliche Demo entspannt und mit geringem Aufgebot begleitete.
Es herrschte Alkoholverbot, die Leute waren aufgerufen, selbst als Ordner mitzuwirken und alles zu vermeiden, was verboten oder auch nur fehlinterpretiert werden könnte. Sauer reagierte Markus Huber, als ihm ein Bericht von ntv zugespielt wurde, der die Veranstaltung als „Demo gegen rechts“einordnete. Worauf er anwesende Pressevertreter bat, fair und ehrlich zu berichten. Als ihm ein „Pfui Teufel“zur ntv-Berichterstattung entschlüpfte, reagierten die Zuhörer mit „Lügenpresse“-Rufen, wofür Huber sich später entschuldigte und um Applaus für die Journalisten bat, die mit ihrer Anwesenheit erst Außenwirkung ermöglichten – verbunden mit der erneuten Aufforderung, doch bitte fair zu berichten.
BBV-Bezirkspräsident Ralf Huber, Johannes Pfaller vom BDM (Bund deutscher Milchviehhalter) und Tizian Klein vom LSV (Landwirtschaft verbindet Bayern) zeigten Geschlossenheit der drei so unterschiedlichen Bauernverbände und forderten in Grußworten unter anderem Bürokratieabbau – vor zehn Jahren habe es 100.000 Milchbauern gegeben, heute nur noch 50.000, im Gegenzug verdoppelte sich die Zahl der Angestellten in der Landwirtschaftsverwaltung. Anton Steinbacher, Zahnarzt im Ruhestand, prangerte Kürzungen im Gesundheitswesen an, während gleichzeitig Geld in alle Welt verschenkt werde, Friseurmeisterin Sofia-Maria Heiss nannte die Ampelpolitik „familienfeindlich und unsozial“. Die junge Mutter fordert Wahlfreiheit für Eltern, wann sie ihr Baby in Fremdbetreuung geben wollen. Durch die hohen Lebenshaltungskosten müssten Eltern jedoch Vollzeit arbeiten.
Babsi Felner, Angestellte im öffentlichen Dienst, berichtete von hohen Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz, die es besonders für Familien mit Kindern völlig uninteressant machen, arbeiten zu gehen. Fuhrunternehmer Thomas Dettendorfer forderte die Rücknahme von CO2-Steuer und Lkw-Maut-Erhöhung, Elektromeister Franz Eibauer zeigte an Praxisbeispielen auf, wie Datenoder Arbeitsschutz die tägliche Arbeit behinderten. Wolfgang Petry, Obermeister der Metall-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land, brandmarkte die „Misswirtschaft der Ampel“. Ihm sei es völlig egal, welche Personen, welche Partei das Land regierten – sofern sie Ahnung hätten, ihren Auftrag ernst nähmen und für die Bürger handelten.