Wenn Corona Spuren hinterlassen hat
Viele Menschen leiden unter Spätfolgen einer Corona-Infektion. In Neuburg können Betroffene nun in einer Long-Covid-Gruppe trainieren – es dürfte die erste in der Region sein.
Die Coronapandemie ist gefühlt lange her. Doch mit den Folgen müssen viele bis heute leben. Laut einer Studie dürften alleine in Deutschland mindestens eine Million Menschen von Long Covid beziehungsweise Post-Covid betroffen sein – sie kämpfen also mit den unterschiedlichsten Spätfolgen einer Corona-Infektion. In Neuburg steht den Betroffenen nun erstmals eine spezialisierte Rehasportgruppe zur Verfügung.
Der TSV Neuburg, der größte Sportverein im Kreis NeuburgSchrobenhausen, hat das Angebot zu Beginn dieses Jahres eingeführt. Doris Reichardt aus Hütting, ausgebildete Rehasport-Trainerin und Leiterin der Gesundheitssport-Abteilung des TSV, hat sich hierfür extra fortgebildet. Im vergangenen Jahr besuchte sie beim Bayerischen Behinderten- und RehabilitationsSportverband einen Lehrgang zu Long Covid mit dem Schwerpunkt Fatigue, einer krankhaften Erschöpfung also. „Es sind so viele betroffen“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Im Umgang mit den Erkrankten, die teils massiv unter verschiedensten Einschränkungen leiden, brauche es viel Geduld.
Mehr als 200 unterschiedliche Symptome hat die Wissenschaft mittlerweile dem Krankheitsbild Long Covid zugeordnet. Atemnot, Müdigkeit und Erschöpfung, Konzentrationsund Gedächtnisprobleme, Muskelschwäche, aber auch psychische Probleme wie Depressionen und Ängstlichkeit – die Liste der möglichen Folgen ist lang. Umso wichtiger sei es, dass die Betroffenen auf ihren Körper hören und lernen, dessen Signale wahrzunehmen, sagt Reichardt.
Im Rahmen der neuen Long-Covid-Rehastunde im Gymnastikraum des TSV-Vereinsheims will sie verschiedene Schwerpunkte setzen, um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu helfen. Geplant sind unter anderem Atem- und Entspannungsübungen, das Trainieren der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, Dehnübungen zum Erhalt der Mobilität sowie das Kräftigen der Muskeln. Hierbei müsse niemand seine persönlichen Grenzen überschreiten. Jeder solle nur so weit gehen, wie er kann, Pausen seien erwünscht. Neben den körperlichen und geistigen Übungen soll auch der persönliche Austausch mit Leidensgenossen im Fokus stehen. „Es ist wichtig, darüber zu reden“, betont Reichardt. Denn das oft diffuse und noch nicht genau erforschte Krankheitsbild werde schnell zur Belastung – weil man immer wieder Rückschläge verkraften müsse und auch, weil den Betroffenen
oft nicht geglaubt werde. Die Trainerin appelliert daran, die Aussagen der Menschen ernstzunehmen und darauf einzugehen.
Im Rahmen der neuen Rehasportgruppe sind 50 Einheiten zu je 45 Minuten vorgesehen. Das Angebot,
das laut Reichardt das erste seiner Art in der Region darstellt, ist also auf langfristigen Erfolg ausgelegt. Termin ist immer Dienstag von 16.45 bis 17.30 Uhr. Teilnehmen können alle, unabhängig von einer Vereinszugehörigkeit zum TSV Neuburg. Es braucht lediglich eine Verordnung vom Arzt, dass man körperlich in der Lage ist, die Übungen mitzumachen.
Ein Punkt, der nicht zu unterschätzen ist. Denn für Betroffene, die beispielsweise unter dem Fatigue-Syndrom leiden, könne Belastung sogar schädlich sein, weiß Dr. Daniel Vilser. Der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
am Ameos-Krankenhaus in Neuburg gilt als Experte für Long Covid und betreibt ein solches Zentrum an der Kinderklinik. Das neue Angebot des TSV begrüßt er aber ausdrücklich. Eine solche Form der vorsichtigen Betätigung sei für viele Patientinnen und Patienten „sehr, sehr förderlich“. Das Thema Long Covid brauche in den Augen des Mediziners überhaupt mehr Aufmerksamkeit. Weil die Forschung noch nicht so weit sei, dass messbare Befunde zugrunde gelegt werden können, müssten Betroffene um Anerkennung und Glaubwürdigkeit kämpfen, was „sehr schade“sei.
Auch der persönliche Austausch soll im Fokus stehen.
Wer sich für die Long-Covid-Gruppe des TSV interessiert, muss sich zwingend vorher anmelden, denn die Teilnehmerzahl ist auf maximal acht Personen begrenzt. Die Anmeldung erfolgt über die Geschäftsstelle des TSV Neuburg, Telefon 08431/642400, oder per E-Mail: info@tsv1862-neuburg.de. Zur Anmeldung müssen Interessierte zwei Fragebögen abholen und ausgefüllt wieder abgeben, in denen sie unter anderem Angaben zu ihren Symptomen machen.