Ging es nie um eine Doppelgängerin?
Am dritten Verhandlungstag im Doppelgängerinnen-Verfahren äußert sich die Angeklagte. Ihre Aussage ist völlig konträr zur Anklage der Staatsanwaltschaft Ingolstadt.
Der dritte Verhandlungstag im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt war mit Spannung erwartet worden. An diesem Tag sollte die Angeklagte aussagen. Und so kam es auch. Licht ins Dunkel brachte ihre Einlassung aber nicht. Im Gegenteil, sie wirft noch mehr Fragen auf.
Die 24-Jährige sprach nicht frei. Sie hatte sich vorab genau aufgeschrieben, was sie sagen wollte. Und das las sie nun vor. Sie sei an jenem 16. August 2022, an dem sie nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit ihrem Mitangeklagten Sheqir K. die 23-jährige Khadidja O. umgebracht haben soll, zunächst bei ihren Eltern in München gewesen. Hatte sie also gar kein schlechtes Verhältnis zu ihrer Familie? Von dort sei sie nach Ingolstadt gefahren und habe sich mit Sheqir K. getroffen. Wie sie den Kosovaren kennengelernt hat, den sie zu diesem Zeitpunkt erst zehn Tage gekannt haben soll, erzählte sie nicht. Er habe sie in ihrem Mercedes nach Eppingen gelotst, wo sie Khadidja O. abholten. Sie habe davon nichts gewusst, so Schahraban K. Die Staatsanwaltschaft wirft Schahraban K. hingegen vor, sie hätte Khadidja O. gezielt über Social Media angeworben, weil diese ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Laut Anklage habe die Deutsch-Irakerin durch den Mord ihren eigenen Tod vortäuschen und untertauchen wollen.
Zu dritt fuhren sie zurück Richtung Ingolstadt. Bei einer Pause im Wald habe Sheqir K. Khadidja O. niedergeschlagen. Danach hievte Sheqir K. die 23-Jährige auf die
Rücksitzbank und Schahraban K. musste weiterfahren. Auf dem Parkplatz eines Supermarkts – also an einem anderen Ort als bislang angenommen – hielten sie erneut an. Schahraban K. sollte aussteigen. Durch die Scheiben ihres Autos habe sie gesehen, wie Sheqir K. und Khadidja O. miteinander kämpften, las die Angeklagte weiter vor. Sheqir K. sei voll mit Blut gewesen und habe ein Messer in der Hand gehabt. Sheqir K. habe sich dann ein frisches T-Shirt angezogen, Khadidja O.’s Körper mit einer Jacke zugedeckt und Schahraban K. musste weiterfahren, bis sie schließlich in Ingolstadt ankamen. Auf einem Parkplatz nahe dem Oldtimer-Hotel habe sie es geschafft, wegzulaufen. Mit ihrer Aussage belastet die Angeklagte den Kosovaren schwer. In der Anklageschrift wirkt es so, als hätte Schahraban K. Sheqir K. zu dem Mord angestiftet. Glaubt man nun allerdings der 24-Jährigen, ist ihr Mitangeklagter allein für die Tat verantwortlich. Aber was wäre sein Motiv?
Am Ende wandte sich Schahraban K. an den Vater von Khadidja O., der als Nebenkläger im Gerichtssaal saß. Sie entschuldigte sich, dass er ihre Schilderung mitanhören musste. Sie denke jeden Tag an Khadidja O. und bete für sie. „Ich wollte nicht, dass sie stirbt.“Fragen beantwortete die Angeklagte nicht.
Die Verteidiger von Sheqir K. verkündeten, dass dieser sich jetzt nicht äußern werde. Sein Anwalt Thilo Bals sagte später, Schahrabans K.’s Aussage sei eine „abstruse, abenteuerliche Geschichte“. Sich auch noch an den Vater zu wenden, sei besonders dreist gewesen.
Sheqir K.’s anderer Verteidiger Klaus Wittmann hatte bereits zu Beginn eine Erklärung abgegeben, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage so formuliert habe, als seien die Vorwürfe bereits erwiesen. Dabei sei sein Mandant bisher als völlig gewaltfrei beschrieben worden. Es gelte die Unschuldsvermutung, betonte Wittmann.