Neuburger Rundschau

Wer klein ist, kann der Größte sein

Im Rahmen der Starken Kinderstüc­ke steht Vicky Müller-Toùssa mit „Von Maus und Mond“auf der Neuburger Bühne. Die Handlung berührt nicht nur die Kinder unter den Zuschauern.

- Von Anna Hecker

Ruhig und verlassen steht ein Tipi aus Weidenäste­n da, kuschelige Felle umgeben das kleine Heim, Holzstämme geben dem Ensemble den letzten Schliff. Schon auf den ersten Blick fühlt man sich als Besucher des Neuburger Stadttheat­ers in eine andere Welt versetzt, wenn man dieses Bühnenbild betrachtet. Kein Wunder, denn das Stück, das von Vicky Müller-Toùssa aufgeführt wird, entführt in die fremde Heimat der Inuit. Dort erzählt man sich schon seit Generation­en die Geschichte „Von Maus und Mond oder wer ist der Größte“.

Die Neuburger Künstlerin steht bei diesem Stück allein auf der Bühne. Dennoch gelingt es ihr mühelos, in zahlreiche Rollen zu schlüpfen. Da sind die Brüder Enuki und Jonah, der Hase und der Fuchs, eine Wasserpfüt­ze, Mond, Sonne, der Wind und natürlich drei Mäuse. Sie alle stellen sich zwei wichtige Fragen des Lebens: Wer ist größer, wer stärker? Und ist das alles eigentlich wichtig?

In einem braunen Amauti (Kleidung der Inuit, Kostüm dem nachempfun­den), locker geflochten­en Zöpfen und einer filigranen Kette aus Federn kommt Müller-Toùssa auf die Bühne. Ihr Name ist Leah, sie ist eine Frau aus dem Stamm der Inuit. Der besondere Gesang der Einheimisc­hen im Hintergrun­d macht dem Publikum endgültig klar, in welch exotische Welt die Zuschauer hier eintauchen dürfen. Sie erzählt von der eisigen Kälte im Winter (Weiße Federn dienen als Requisite für Schnee) und den grünen Wiesen im Frühling. Doch da wird die Idylle gestört. Denn Enuki und Jonah streiten, wer von beiden der größere ist. Die perfekte Gelegenhei­t, um den beiden Jungs mit einer alten Geschichte etwas Moral beizubring­en.

Was in der nächsten Stunde folgt, ist wie eine liebevoll gestaltete Märchenstu­nde. Müller-Toùssa bringt zahlreiche handgefert­igte Masken ins Spiel. So mimt sie zunächst die streitende­n Brüder, wird dann zu Fuchs und Hase. Mit einer Trommel wird sie zum Mond, eine Schüssel mit Wasser hilft ihr, sich in eine Pfütze zu verwandeln. Gebannt blicken die

kleinen Zuschauer auf die Bühne, wenn die Darsteller­in die Stimme verändert und ihre Körperspra­che anpasst, um ganz deutlich zu machen, wer gerade ihr Protagonis­t ist. Das Plätschern des Wassers ist ebenso eindrückli­ch wie das Blasen des Windes.

Doch wer ist denn nun der Größte? Die Pfütze, weil sich der ganze Mond in ihr spiegeln kann? Oder doch der Hase, der die ganze Pfütze mit einem Schluck austrinkt? Und gibt es jemanden, der auf der Welt der Stärkste ist? Eine gelbe Teekanne wird zur Sonne, eine Felltasche zur Wolke. Die Wolke wird vom Wind besiegt, dieser wiederum scheitert an der

standhafte­n Mauer. So liebevoll inszeniert Müller-Toùssa dieses ganz ruhig erzählte, eindrückli­che Stück. Es stammt aus der Feder von niemand Geringerem als dem berühmten Kinderbuch­autor Paul Maar. Kindgerech­t und mit besonderer Poesie werden Themen wie Eifersucht, Größenwahn und Eitelkeit aufgegriff­en. Aber alles nur ganz sachte und mit einem liebevoll verpackten moralische­n Zeigefinge­r, der auch nur ganz sanft erhoben wird. Dieser Spagat gelingt auch Müller-Toùssa auf der Bühne des Neuburger Stadttheat­ers besonders gut. Kluge Dialoge lehren die Zuschauer wichtige Lektionen. Dennoch wirkt das

Stück zu keiner Zeit gestelzt. Es macht Spaß, mit dem Mäusekönig auf die Reise nach dem perfekten Bräutigam für seine Tochter zu gehen. Die Kinder fiebern mit, als der König den Mäuserich nicht finden kann und lachen über dessen Unwissenhe­it.

Das Stück besticht gerade durch seine Schlichthe­it. Hier braucht es keine aufwendige Kulisse, es gibt keine Umbauten, keine Szenenwech­sel, Müller-Toùssa trägt ihre Inszenieru­ng mühelos allein. Besonders die Handmasken, welche die Schauspiel­erin vor Jahren selbst anfertigte, sind so ausdruckss­tark, dass es keines weiteren Kostümwech­sels bedarf,

wenn Müller-Toùssa – meist in Sekundenbr­uchteilen – zwischen den einzelnen Rollen wechselt.

Am Schluss ist klar, nicht die Größe zählt und auch nicht die Stärke, alles kommt auf die Perspektiv­e und die Situation an. Eine Maus kann stark sein, die Sonne schwach. Der Hase kann die Pfütze schlucken und dennoch vom Fuchs besiegt werden. Viel wichtiger sind am Ende Zusammenha­lt und Zuneigung, das finden auch Enuki und Jonah schließlic­h heraus. Ein Stück, das nicht nur die Kinder berührt, sondern auch ihre Eltern und Großeltern, die am Schluss ebenso begeistert Applaus spenden.

 ?? Foto: Anna Hecker ?? Mit Hilfe liebevoll gestaltete­r Masken schlüpft Vicky Müller-Toùssa in „Von Maus und Mond“in zahlreiche Rollen. Auch Hase und Fuchs dürfen in der Geschichte nicht fehlen.
Foto: Anna Hecker Mit Hilfe liebevoll gestaltete­r Masken schlüpft Vicky Müller-Toùssa in „Von Maus und Mond“in zahlreiche Rollen. Auch Hase und Fuchs dürfen in der Geschichte nicht fehlen.

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