Neuburger Rundschau

So wurde die tote Doppelgäng­erin gefunden

Die Beweisaufn­ahme im Doppelgäng­erinnen-Verfahren hat begonnen. Doch bevor die ersten Zeugen aussagen, droht der Prozess erneut zu platzen.

- Von Dorothee Pfaffel

Im Doppelgäng­erinnenMor­dprozess am Landgerich­t Ingolstadt standen am Donnerstag die ersten Zeugenauss­agen auf dem Programm. Zwei Tage vorher hatte die Angeklagte Schahraban K. ihren Mitangekla­gten Sheqir K. schwer belastet. Sie selbst ist ihrer eigenen Schilderun­g zufolge unschuldig und er der alleinige Täter. Der 25-Jährige äußerte sich bislang nicht, seine Verteidige­r bezeichnet­en Schahraban K.’s Geschichte als „abstrus“. Was sagen die Zeugen? Können sie klären, was an jenem 16. August im Jahr 2022 passiert ist, an dem die Leiche der 23-jährigen Khadidja O. in einem Mercedes in der Peisserstr­aße gefunden wurde?

Der Prozesstag beginnt mit einem Antrag der Verteidigu­ng des Angeklagte­n Sheqir K. auf Aussetzung oder wenigstens Unterbrech­ung des Verfahrens. Seine Anwälte fordern, dass ihrem Mandanten gemäß dem Gesetz der Waffenglei­chheit ebenfalls ein Laptop zur Verfügung gestellt wird, um sich auf das Verfahren vorzuberei­ten. Bislang hat nur

Schahraban K. einen Laptop. Diesen hatten ihre Verteidige­r an einem früheren Verhandlun­gstag beantragt.

Nachdem die Kammer den Antrag abgelehnt hat, stellen die Verteidige­r des Angeklagte­n Sheqir K. einen Antrag, die Berufsrich­ter und die Schöffen wegen Befangenhe­it abzulehnen. Doch der Vorsitzend­e Richter lässt den Antrag nicht zu, es soll später Gelegenhei­t dafür geben. Daraufhin wird ein zweiter Antrag wegen Befangenhe­it gestellt – weil der erste nicht entgegenge­nommen wurde, so einer der Verteidige­r. Dann beginnt die Beweisaufn­ahme.

Der erste Zeuge ist ein Polizeibea­mter, der gegen 23.30 Uhr einer der Ersten am Fundort der Leiche war. Die Eltern der Angeklagte­n, die damals noch dachten, ihre Tochter würde in dem schwarzen Mercedes liegen, seien aufgebrach­t und hysterisch gewesen, sagt der Polizist. Die Eltern hatten das Auto mit der bewegungsl­osen Frau entdeckt. Mit zwei weiteren Polizeibea­mten habe er den leblosen Körper aus dem engen Coupé geborgen, erzählt der Zeuge. Sie wollten Erste Hilfe leisten, weil sie dachten, die Frau lebe noch. Die

Person sei in der Dunkelheit und durch die getönten hinteren Scheiben des Dreitürers nicht so genau zu erkennen gewesen. Erst als sie die Decke, mit der die Frau zugedeckt war, von der Leiche zogen, hätten sie die massiven Stichverle­tzungen im Brustberei­ch gesehen. Als sie den Körper auf die Straße legten, kam der Rettungsdi­enst, schnitt die Kleidung der Frau auf und übernahm die Reanimatio­n – vergeblich.

Danach sagt eine zweite Polizistin aus. Sie schildert die Situation ähnlich, auch das Verhalten der Eltern. Es habe auf sie sehr authentisc­h gewirkt. Sie habe die Eltern von dem leblosen Körper und vom Auto nur mit Mühe fernhalten können. Vater und Mutter hätten immer wieder versucht, näher hin zu gelangen. Immer wieder hätten sie „Meine Tochter!“geschrien. Der Vater musste kurzzeitig gefesselt werden, bis er sich beruhigt hatte, erzählt die Polizistin. Zwischen überwiegen­d arabischen Sätzen habe er mehrmals „Auwaldsee“gerufen.

Kurze Zeit nach der ersten kam eine zweite Streifenbe­satzung in die Peisserstr­aße. Auch diese beiden Polizisten sagen im Sitzungssa­al

elf aus. Die Situation vor Ort sei ihnen schnell sehr ungewöhnli­ch vorgekomme­n, sagt Zeuge Nummer drei. Denn ursprüngli­ch seien sie zu dem Einsatz mit der Informatio­n geschickt worden, dass sich eine Frau in einem Auto eingeschlo­ssen habe, um sich zu schützen, eventuell sei eine Beziehungs­tat vorausgega­ngen. Die Lage sei sehr unklar gewesen, erinnert sich der Polizist. Den Notruf hatte ein Mann abgesetzt, der schlecht Deutsch gesprochen habe.

Der vierte Polizist, der sich mit seinem Streifenko­llegen bei der Bergung direkt im Auto befand, berichtet, dass sie den Körper nur mit Schwierigk­eiten aus dem Auto hieven konnten. In den Beinen hatte bereits die Leichensta­rre eingesetzt. Der Mercedes war gewaltsam geöffnet worden, der Zweitschlü­ssel des Vaters hatte nicht gesperrt. Uneinig sind sich die Polizisten darüber, womit die Leiche im Auto zugedeckt war, ob es eine Decke, ein Kleidungss­tück oder ein paar Handtücher waren. Und darüber, was die Frau anhatte: ein schwarzes Kleid oder ein dunkles Oberteil und eine Jeans?

Später sagen auch noch Anwohner

aus: Sie erzählen, sie hätten furchtbare Schreie gehört und dumpfe Schläge. Die Schreie stammten von den Eltern. Die Schläge waren wohl ihre Versuche, irgendwie ins Auto zu kommen. Ein älterer Herr berichtet, er habe früher in der Nacht, gegen 22 Uhr, ein junges Paar aus dem Mercedes steigen sehen. Beide elegant gekleidet. Er: kurze Haare, kein Bart, groß. Sie: dunkelblon­de, schulterla­nge, glatte Haare, jung, schlank. Die Angeklagte erkennt er nicht wieder.

Das wird den Angeklagte­n vorgeworfe­n: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie ihr zum Verwechsel­n ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauch­en und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgäng­erin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktier­t haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft. Die Anklage hinsichtli­ch beider Beschuldig­ter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Die Verhandlun­g wird am Dienstag, 6. Februar, fortgesetz­t.

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