Was passiert mit dem Befangenheitsantrag?
Im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozzess am Landgericht Ingolstadt hat der Ingolstädter Rechtsanwalt Klaus Wittmann am Donnerstag im Namen seines Mandanten, dem Angeklagten Sheqir K., einen Befangenheitsantrag gestellt. Dieser richtete sich nicht nur gegen eine Person, wie etwa den Vorsitzenden Richter Konrad Kliegl, sondern gegen die gesamte Strafkammer. Bis Freitagnachmittag musste der Verteidiger die schriftliche Begründung für den Antrag nachreichen. Was passiert jetzt?
Über einen Befangenheitsantrag entscheidet in der Regel der Richter, der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für die Vertretung des wegen Befangenheit abgelehnten Richters zuständig ist. In vielen Fällen ist das der Kollege aus dem Nebenzimmer. Der abgelehnte Richter selbst ist in der Regel nicht an der Entscheidung beteiligt. Über Beschwerden gegen die Ablehnung eines Befangenheitsantrages entscheidet das Oberlandesgericht.
Die Kammer konnte im Doppelgängerinnen-Verfahren am Donnerstag zunächst weiterverhandeln, obwohl sie abgelehnt war. Denn zur Vermeidung vermeidbarer Verzögerungen im Strafprozess werden laut Strafprozessordnung (§29) Hauptverhandlungen durch ein Ablehnungsgesuch nicht unterbrochen, sondern gehen bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters – oder in diesem Fall der Kammer – weiter. Über die Ablehnung ist innerhalb von maximal zwei Wochen zu entscheiden. Wird die Ablehnung allerdings für begründet erklärt und die Hauptverhandlung wurde fortgesetzt, müssen sämtliche nach Stellung des Antrags durchgeführten Verhandlungstage wiederholt werden.
Wie kam es zu dem Befangenheitsantrag? Zu Beginn des vierten Prozesstags hatten die Verteidiger des Sheqir K., Klaus Wittmann und sein Kollege Thilo Bals aus Manching, eine Aussetzung oder wenigstens eine Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Sie forderten, dass ihrem Mandanten gemäß dem Gesetz der Waffengleichheit ebenfalls ein Laptop zur Verfügung gestellt wird wie der Mitangeklagten Schahraban K. Nachdem die Kammer diesen Antrag abgelehnt hatte, stellten die Verteidiger des Sheqir K. den Antrag, die Berufsrichter und die Schöffen wegen Befangenheit abzulehnen. Als der Vorsitzende Richter diesen Antrag nicht zuließ, stellte Wittmann einen zweiten Antrag wegen Befangenheit, weil der erste nicht entgegengenommen worden war. Obwohl sich die ersten beiden Anträge noch im Laufe des Verhandlungstags erledigten, weil der Vorsitzende Richter sich darum bemühte, dass der Angeklagte entweder ebenfalls einen Laptop erhält oder in eine besser ausgestattete JVA verlegt wird, blieb der dritte Antrag bestehen.
Am Dienstag, 6. Februar, um 9.15 Uhr geht die Verhandlung am Landgericht Ingolstadt weiter. Dann werden noch mehr Zeugen aussagen.