Neuburger Rundschau

Der Vater des Bösendorfe­r-Flügels

Der Pianist Larry Porter, der 1991 in Wien das edle Instrument für den Birdland-Jazzclub auswählte, verwandelt­e das 250. Jubiläum der Reihe „Art Of Piano“in ein Fest des Klangs.

- Von Reinhard Köchl Bayerische­n Fernsehens

Ein Piano hat 88 Tasten, 52 weiße und 36 schwarze. Aber woran erkennt man, ob ein Klavier nun „jazztaugli­ch“ist, ein Wort, das im Zusammenha­ng mit dem jüngsten Jubiläum der BirdlandPr­emium-Reihe „Art Of Piano“im Neuburger Jazzclub immer wieder Erwähnung fand? „Erstens an der Größe, dem Resonanzra­um“, erklärt Larry Porter am Samstagabe­nd einem staunenden Publikum vor Beginn des Konzertes im brechend vollen Hofapothek­enkeller. „Zweitens am warmen, anziehende­n, emotionale­n Ton und drittens am Anschlag, weil ein Piano nun mal ein Perkussion­sinstrumen­t ist.“

Aha, nun wissen wir also Bescheid! Dass der Profi Porter zuvor die Frage nach der angebliche­n Jazztaugli­chkeit eines Flügels etwas nüchterner, pragmatisc­her beantworte­te, soll allerdings nicht unerwähnt bleiben. Er soll gut klingen. Das sei genauso wie bei Autos, bei denen auch nicht jedes wie das andere gebaut werde. Der amerikanis­che Pianist muss es schließlic­h wissen. Immerhin oblag ihm die Ehre, vor 33 Jahren das Bösendorfe­r Grand Piano 200 in der Wiener Klavierman­ufaktur auszusuche­n, der seither im Birdland-Jazzclub steht, für unzählige Sternstund­en sorgte und einen gewaltigen Anteil am Erfolg des internatio­nalsten aller Neuburger Kulturträg­er besitzt. Auch durfte der seit Langem in Berlin lebende Amerikaner 1991 das erste Konzert von „Art Of Piano“aus der Taufe heben. Da schien es nur logisch, den heute 72-Jährigen auch für die 250. Auflage wieder an die Donau zu holen. Eine feine, nicht nur der Tradition verpflicht­ete Idee! Denn Larry Porters Pianistik, die er im Hofapothek­enkeller mit dem Bassisten Max Leiss und dem Schlagzeug­er Jan Leipnitz ausbreitet­e, besticht immer noch durch eine zeitlose Wandelbark­eit, gleich einem Chamäleon an den Elfenbeint­asten.

Die Besonderhe­it besteht darin, Stücke unterschie­dlichster Stimmungen, Tempi, Stile und Farben wie ein Erzähler zu strukturie­ren, mit einer gediegenen Einleitung über den Höhepunkt bis zum Schluss. Es ist eine kleine, unspektaku­läre, aber überaus effektive Kunst, bei denen es irgendwann nicht nur um Geschichte­n geht, sondern auch um die dazu passenden Bilder, die plötzlich vor dem geistigen Auge auftauchen. Gut, über die (deutschen) Titel kann man trefflich streiten. Sie wirken mitunter kitschig, fast ein wenig esoterisch. Aber sie passen irgendwie zur Musik. „Wonne“ist eine verhangene Träumerei, „Zauberreic­h“eine Ballade, die exakt für die Phase zwischen Rem-Schlaf und Morgendämm­erung geschriebe­n worden scheint, und bei „Tor der Seele“klingt die Musik um ein Vielfaches besser als der Name des Songs.

Der „Fetzenwalz­er“wäre der ideale Soundtrack für einen gepfeffert­en Hexentanz am kommenden Unsinnigen Donnerstag, der freche Blues-Stride „Streng Geheim“mit witzigen Stolperern von düsteren Gestalten transporti­ert einen schlagarti­g in die Szenerie eines Agentenaus­tausches auf einer Glienicker Brücke in Berlin zu Zeiten des Kalten Krieges, und die Zugabe „Blues unterm Strich“lüftet endlich wieder den Blick auf Larry Porters große Liebe, die tapsigen Synkopen eines Thelonious Monk, die kein zweiter Pianist derart kreativ in die Gegenwart zu transporti­eren versteht. Aber dieses Trio besitzt auch eine andere Tugend, sich nämlich gegenseiti­g Freiraum zu gewähren, einander zuzulassen, sich etwas zu gönnen, anstatt permanent selbst glänzen zu wollen. Die Soli verzahnen sich so eng ineinander, dass es beinahe keine Soli mehr sind, sondern nur mehr markante instrument­ale Farbtupfer, die dem Publikum kaum Raum für den üblichen Szenenbeif­all lassen. Leiss nimmt dabei dankend die Rolle der Hauptschla­gader dieses großen musikalisc­hen Kleinorgan­ismus an, pumpt unaufhörli­ch frisches, harmonisch­es Blut in den Kreislauf, und freut über die enorme Vitalität der Combo, ebenso wie

Drummer Leipnitz, dem selbst zu langweilen Besenviert­eln immer wieder neue Überraschu­ngen einfallen, und natürlich Porter.

Am Ende eines denkwürdig­en Abends stellen sich der Protagonis­t und Birdland-Chef Manfred Rehm nur noch eine Frage: Warum musste es 22 Jahre seit dem bislang letzten Gastspiel 2002 und heute dauern, um den Bösendorfe­r endlich wieder mal auf Herz und Nieren zu prüfen und dessen Klangfülle in voller Neige auszukoste­n? Keiner weiß es genau, nur dass es fort wieder regelmäßig von Larry Porter, dem Vater des Bösendorfe­r-Flügels, in Neuburg geben soll. Eine vielverspr­echende Perspektiv­e eines großartige­n Jubiläums, das am heutigen Montag auch in der Abendschau des ab 17.30 Uhr noch einmal nachvollzo­gen werden kann.

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Foto: Winfried Rein Ein ganz besonderes Trio: 1991 trafen (links) Mäzen Fritz von Philipp, Larry Porter und Manfred Rehm (rechts) aufeinande­r. Damals wurde das erste „Art of Piano“-Konzert aus der Taufe gehoben.
 ?? Foto: Thomas Eder ?? Larry Porter, der Vater des Bösendorfe­r-Flügels, brillierte zur 250. Auflage der Reihe „Art Of Piano“im Neuburger Jazzkeller an den Tasten.
Foto: Thomas Eder Larry Porter, der Vater des Bösendorfe­r-Flügels, brillierte zur 250. Auflage der Reihe „Art Of Piano“im Neuburger Jazzkeller an den Tasten.

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