Eine raue Romanze in Ingolstadt
Ein Gastspiel ehrt Marieluise Fleißer
50 Jahre ist es heuer her, dass Marieluise Fleißer 72-jährig in Ingolstadt starb. Anlass genug, das Werk der „herausragenden Tochter“mit einem Gedenkjahr in ihrer Geburtsstadt – wieder einmal – ins allgemeine Bewusstsein zu rufen. Exakt am Todestag, dem 2. Februar, startete ein umfangreiches Programm, das mit mehr als einem Dutzend Veranstaltungen bis in den November hineinreicht.
Den theatralischen Auftakt machte ein erfrischendes Stück, das im April vergangenen Jahres in Berlin als Diplominszenierung seine Premiere hatte.
Alina Fluck hat mit Kundry Reif eine Bühnenfassung von Fleißers einzigem, 1931 erschienenen Roman „Mehlreisende Frieda Geier“mit einem jungen, sechsköpfigen Ensemble auf die Bühne gebracht. Das „Stück vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen“hat sie mit dem Titel der von Fleißer 1972 selbst vorgenommenen
Ein junges Publikum als möglicher Multiplikator
Neufassung des Romans überschrieben: „Eine Zierde für den Verein“.
Auf der Hinterbühne des Großen Hauses sitzt das Publikum um ein angedeutetes Schwimmbecken herum, das Zentrum der Handlung. Hier machen der Schwimm-Gustl und seine Corona auf dicke Badehose. Und dann passiert’s: Naturbursche trifft gefangene Löwin. Gustl Gillich, der beste Krauler am Ort und die geschäftstüchtige Frieda Geier finden Gefallen aneinander, um am Ende dieses Wettkampfs der Geschlechter aneinander zu scheitern, Fräulein Geyer geht zu Boden.
Es ist, wie fast immer bei Fleißer eine raue Romanze, eine verzweifelte Liebe, die da gezeigt wird, irgendwas schrecklich Schieflaufendes zwischen Abhängigkeit und Selbstbehauptung, Anziehung und Gegenwehr („Die Männer muss man zugrunde richten, sonst richten sie einen zugrunde“). Fluck ignoriert die meist tiefgründig-schwermütige Rezeptionsroutine, hinter der der trockene, bissige Humor der Fleißerin so oft verborgen bleibt. Sie arbeitet den sezierenden, manchmal gar bösen Blick Fleißers auf die ebenso zeitlosen wie heillosen Beziehungsirrtümer und das lächerlich Rituelle, Dumme und Böse dieser Männerwelt spielerisch leicht hervor. Und das hat hohen Unterhaltungswert. Ein Kabinettstück, die Szene vom Turmspringwettbewerb, selten erschien einem der gekonnte Einsatz einer Videokamera so sinnvoll. Unvermeidlich natürlich, das multimediale Grundrauschen moderner Inszenierungen: Mikrofone, Projektionen, eingeblendete Zwischentitel, ein diffuser Teppich aus Geräuschen und Tönen, die manchmal zu Musik werden, gesungen wird auch. Der sichtbar am Spielfeldrand sitzende Techniker agiert als Ein-Mann-Orchester.
Ja, es ist schade, dass diese Inszenierung nur einmal zu sehen war. Allerdings, dem Dichtergott sei Dank, vor einem recht jungen Publikum, das man mit diesem sportlich gestrafften Fleißer-Einstiegs-Drama hoffentlich als Multiplikator gewonnen hat, was das Werk der Autorin und seine Verbreitung betrifft.