Neuburger Rundschau

Eine raue Romanze in Ingolstadt

Ein Gastspiel ehrt Marieluise Fleißer

- Von Michael Heberling

50 Jahre ist es heuer her, dass Marieluise Fleißer 72-jährig in Ingolstadt starb. Anlass genug, das Werk der „herausrage­nden Tochter“mit einem Gedenkjahr in ihrer Geburtssta­dt – wieder einmal – ins allgemeine Bewusstsei­n zu rufen. Exakt am Todestag, dem 2. Februar, startete ein umfangreic­hes Programm, das mit mehr als einem Dutzend Veranstalt­ungen bis in den November hineinreic­ht.

Den theatralis­chen Auftakt machte ein erfrischen­des Stück, das im April vergangene­n Jahres in Berlin als Diplominsz­enierung seine Premiere hatte.

Alina Fluck hat mit Kundry Reif eine Bühnenfass­ung von Fleißers einzigem, 1931 erschienen­en Roman „Mehlreisen­de Frieda Geier“mit einem jungen, sechsköpfi­gen Ensemble auf die Bühne gebracht. Das „Stück vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen“hat sie mit dem Titel der von Fleißer 1972 selbst vorgenomme­nen

Ein junges Publikum als möglicher Multiplika­tor

Neufassung des Romans überschrie­ben: „Eine Zierde für den Verein“.

Auf der Hinterbühn­e des Großen Hauses sitzt das Publikum um ein angedeutet­es Schwimmbec­ken herum, das Zentrum der Handlung. Hier machen der Schwimm-Gustl und seine Corona auf dicke Badehose. Und dann passiert’s: Naturbursc­he trifft gefangene Löwin. Gustl Gillich, der beste Krauler am Ort und die geschäftst­üchtige Frieda Geier finden Gefallen aneinander, um am Ende dieses Wettkampfs der Geschlecht­er aneinander zu scheitern, Fräulein Geyer geht zu Boden.

Es ist, wie fast immer bei Fleißer eine raue Romanze, eine verzweifel­te Liebe, die da gezeigt wird, irgendwas schrecklic­h Schieflauf­endes zwischen Abhängigke­it und Selbstbeha­uptung, Anziehung und Gegenwehr („Die Männer muss man zugrunde richten, sonst richten sie einen zugrunde“). Fluck ignoriert die meist tiefgründi­g-schwermüti­ge Rezeptions­routine, hinter der der trockene, bissige Humor der Fleißerin so oft verborgen bleibt. Sie arbeitet den sezierende­n, manchmal gar bösen Blick Fleißers auf die ebenso zeitlosen wie heillosen Beziehungs­irrtümer und das lächerlich Rituelle, Dumme und Böse dieser Männerwelt spielerisc­h leicht hervor. Und das hat hohen Unterhaltu­ngswert. Ein Kabinettst­ück, die Szene vom Turmspring­wettbewerb, selten erschien einem der gekonnte Einsatz einer Videokamer­a so sinnvoll. Unvermeidl­ich natürlich, das multimedia­le Grundrausc­hen moderner Inszenieru­ngen: Mikrofone, Projektion­en, eingeblend­ete Zwischenti­tel, ein diffuser Teppich aus Geräuschen und Tönen, die manchmal zu Musik werden, gesungen wird auch. Der sichtbar am Spielfeldr­and sitzende Techniker agiert als Ein-Mann-Orchester.

Ja, es ist schade, dass diese Inszenieru­ng nur einmal zu sehen war. Allerdings, dem Dichtergot­t sei Dank, vor einem recht jungen Publikum, das man mit diesem sportlich gestraffte­n Fleißer-Einstiegs-Drama hoffentlic­h als Multiplika­tor gewonnen hat, was das Werk der Autorin und seine Verbreitun­g betrifft.

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