„Dieses Mädchen liebt die Kriminalität“
Im Prozess um den „Doppelgängerinnen-Mord“berichtet ein Zeuge, was die Angeklagte Schahraban K. in der Nacht nach der Tat zu ihm gesagt hat. Auch eine Zellengenossin berichtet.
Tag sechs im Doppelgängerinnen-Verfahren am Landgericht Ingolstadt: Heute sagen noch einmal Zeugen aus, die aus dem näheren Umfeld der Angeklagten stammen. Menschen, die etwas zum Tattag, dem 16. August 2022, und der Nacht darauf berichten können. Der erste Zeuge erzählt von der 24-jährigen Schahraban K. Sie soll ihm von der Tat berichtet haben. Später belastet eine ehemalige Zellengenossin die Angeklagte schwer.
Er habe Schahraban K. ungefähr einen Monat vor dem Mord kennengelernt, sagt der erste Zeuge an diesem Tag, ein Ingolstädter. Schon damals sei sie ihm komisch vorgekommen. Hätte ihm von „Kurierfahrten“erzählt. Wollte wissen, ob er kriminell sei. Sagte, dass es sie „bald nicht mehr geben werde“und fragte, ob ich einen „Reisepass klarmachen“oder K. O.-Tropfen besorgen könnte. Auch dass sie Angst vor ihrem Ex habe und sich verfolgt fühle, soll sie erwähnt haben.
In der Nacht nach der Tat soll Schahraban K. den Zeugen angerufen haben, wie er erzählt. Sie trafen sich gegen Mitternacht an einer Tankstelle in Ingolstadt und fuhren in einen Park. Dort sei sie sehr „hektisch“gewesen, „außer Rand und Band“, „nicht ganz sauber im Kopf“. Sie sei ständig aufgestanden und habe sich wieder hingesetzt oder sei hin und her gelaufen. Da habe sie so etwas gemurmelt wie: „Ich höre diese Stimmen. Und den Schlag auf den Kopf ... Sie war so süß, so hübsch...“Auch: „Danach hat er das Messer genommen und in ihr Herz gestochen.“Schließlich habe sie weinend gesagt: „Es musste ein unschuldiger Mensch sterben wegen mir.“Er habe ihr das nicht geglaubt – erst als er am nächsten Tag einen Bericht in der Zeitung las. Dann sei er zur Polizei gegangen. Ob Schahraban K. an der Tat aktiv beteiligt war, weiß der Zeuge nicht. Dazu hätte sie nichts gesagt. Auch nicht, wer die Tote sei. Nur, dass sie ihre Handtasche habe. Als sie ihm das erzählt hat, soll sie gelächelt haben. Sie habe aber auch verzweifelt gewirkt und mitgenommen ausgesehen.
Die beiden Angeklagten verfolgen den Prozess – wie jedes Mal – weitestgehend emotionslos. Schahraban K. trägt die langen, braunen Haare offen und hat einen Laptop vor sich. Sie wird nach wir
vor von zwei ihrer vier Verteidiger flankiert, dem True-Crime-Podcaster und Autor Alexander Stevens und Johannes Makepeace, beide aus München. Sheqir K. wirkt konzentriert, manchmal macht er sich Notizen auf einem Block, einen Laptop hat er nicht. Seine Miene ist wie versteinert. Seine zwei Verteidiger aus der Region, Thilo Bals und Klaus Wittmann, sitzen hinter ihm.
Der zweite Zeuge an diesem Donnerstag erzählt von Sheqir K. Dieser habe ihn gebeten, ein Handy für ihn zu entsorgen und ihn nach Luxemburg zu bringen. Das Handy habe er entsorgt, nach Luxemburg gefahren sei er nicht. Aber er habe Zugverbindungen dorthin für seinen alten Freund nachgeschaut. Sheqir K. sei ein ruhiger und unauffälliger Mensch, er könne sich nicht vorstellen, dass das wirklich passiert sei. Schon am Dienstag hatten ehemalige Freunde von Sheqir K. den 25-Jährigen beschrieben: Er sei loyal, lustig, ein netter Kerl und eigentlich nicht gewalttätig – höchstens, wenn er Alkohol
getrunken hatte. Eine Freundin habe er nicht gehabt. Einem Zeugen waren die Augen des Angeklagten in der Nacht nach dem Mord aufgefallen. Sie seien irgendwie grau gewesen, die Pupillen weit.
Die letzte Zeugin am Donnerstag ist eine 57-Jährige, die in Fußfesseln aus der JVA Aichach vorgeführt wird. Sie hat fünf Monate und zwei Wochen mit „Sheri“, wie sie die Angeklagte nennt, eine Zelle geteilt. Schahraban K. sei für sie zunächst wie eine Tochter gewesen. Doch dann – als ihr die Angeklagte alles erzählte – habe sie gemerkt, dass ihr Gesicht zwar „hell“, aber ihre Seele „dunkel“sei. „Dieses Mädchen liebt die Kriminalität.“„Sheri“soll der 57-Jährigen erzählt haben, dass sie Khadidja O. im Internet gesucht und sie dann zusammen mit Sheqir K. umgebracht habe. Schahraban K. habe Khadidja O.’s Identität stehlen wollen, um doch wieder mit ihrem geliebten Ex-Mann zusammenzukommen. Nach der Tat – Schahraban K. soll die 23-Jährige geschlagen,
bespuckt und an den Beinen festgehalten haben, Sheqir K. soll sie mit einem Metallrad geschlagen und erstochen haben – habe „der Albaner“allerdings so viel Marihuana geraucht, dass sie ihren Plan nicht vollenden konnten. Stattdessen habe Schahraban K. Angst um ihr eigenes Leben bekommen, gegen 22 Uhr lief sie am Tattag von Sheqir K. weg.
Der Mord soll nicht spurlos an der Angeklagten vorbeigegangen sein. Wie die 57-Jährige berichtet, habe „Sheri“ein Trauma. Sie hätte in der JVA kaum geschlafen und immer wieder gesagt, dass die Getötete sie holen würde. Später soll sie dem „Albaner“, wie die Zeugin Sheqir K. nennt, 500.000 Euro geboten haben, damit er die Tat alleine auf sich nimmt. Schahraban K. soll Verbindungen zur albanischen Maffia haben, zumindest soll sie das gegenüber ihrer ehemaligen Zellengenossin behauptet haben. Die 57-Jährige sagt auch, dass „Sheri“eine Angeberin sei und eine „Prinzessin“.
Der Vorsitzende Richter Konrad
Kliegl weist darauf hin, dass es sich bei der Frau aus der JVA um eine „Hören-sagen-Zeugin“handle, die schlecht deutsch spreche. Dementsprechend müsse der Informationsgehalt ihrer Aussage bewertet werden. Das wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. die 23-jährige Khadidja O. getötet haben, weil sie ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die heute 24-jährige Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat bereits eine Erklärung abgegeben, in der sie sich selbst als unschuldig dargestellt und ihren Mitangeklagten Sheqir K. schwer belastet hat. Der Kosovare hat sich bislang nicht geäußert. Am Montag wird der Prozess fortgesetzt.