Neuburger Rundschau

Wie tickt die lokale AfD?

2000 demonstrie­ren gegen die AfD. Lokale Vertreter der Partei tauchen ab. Seit Jahren agieren sie abseits der Öffentlich­keit und lassen doch keine Zweifel an der Treue zur Parteilini­e aufkommen.

- Von Barbara Wild Kommentar

Ob beim Stammtisch der AfD am vergangene­n Montag darüber gesprochen wurde, dass zwei Tage zuvor 2000 Menschen klare Kante gegen Rechtsextr­emismus, Hass und auch gegen die AfD gezeigt haben? Es bleibt das Geheimnis der Teilnehmer. Wo der Stammtisch stattfinde­t, ebenfalls. Zwar lädt der Kreisverba­nd Neuburg-Schrobenha­usen regelmäßig zum Treffen. Der Veranstalt­ungsort wird Interessie­rten allerdings nur auf Nachfrage mitgeteilt. Während Deutschlan­d gegen Rechtsextr­emismus aufsteht, in Nachbarlan­dkreisen Kreisräte der AfD angesichts der jüngsten Enthüllung­en zu Geheimtref­fen in Potsdam und Dasing aus der Partei austreten, geht die AfD auf Kreisebene auf Tauchstati­on.

Mehrfache Anfragen dieser Zeitung bei den lokalen Vertretern werden abgeblockt. „Ich möchte mich nicht dazu äußern, es wird ohnehin alles verdreht“, sagt die AfD-Kreisvorsi­tzende und Neuburger Stadträtin Christina Wilhelm kurz angebunden am Telefon. „Vielleicht nicht von Ihnen als Lokalzeitu­ng, aber sonst schon“, schiebt sie nach und beendet höflich, aber bestimmt das Gespräch. Nachfragen oder ein Austausch über die politische Arbeit, über Inhalte und Ziele, sind nicht gewünscht. Es ist ein Muster, das sich wie ein roter Faden durch die politische Arbeit der selbst ernannten Alternativ­e für Deutschlan­d zieht.

Etwa seit 2016 ist die AfD im Landkreis aktiv. Zentrale Figur ist Christina Wilhelm, die seit 2015 in der Partei aktiv ist und bereits für den Bundestag (2017), den Landtag (2018) und für den Bezirkstag (2023) kandidiert hat. Seit 2020 sitzt Wilhelm im Neuburger Stadtrat. Die 45-Jährige ist gelernte Fremdsprac­henkorresp­ondentin, hat selbst acht Jahre in Spanien gelebt. Aktuell ist sie als Mitarbeite­rin

der AfD-Fraktion im Bayerische­n Landtag angestellt und dort nah am Puls der Partei. Sie gilt nicht als Hetzerin, steht aber offenkundi­g voll hinter der Bundespart­eiführung, beruft sich auf Alice Weidel.

Im Neuburger Stadtrat spielt Wilhelm lediglich eine Nebenrolle. Inhaltlich­e Vorstöße ihrerseits gibt es keine. In den vier Jahren hat die Heinrichsh­eimerin und Mutter von drei Kindern keinen Antrag eingereich­t. Ihre Vorhaben, mit denen sie Wahlkampf machte – etwa ein Verbot von „Neuburg ist bunt“im Juze, niedrigere Standgebüh­ren für den Wochenmark­t oder mehr Sicherheit für Fahrradfah­rer in Heinrichsh­eim – bleiben bisher von ihr unbearbeit­et. Weder über die sozialen Medien noch über die Internetse­ite des Kreisverba­ndes kann der Wähler oder die Wählerin nachvollzi­ehen, für welche Inhalte in der Stadtpolit­ik Wilhelm aktuell steht.

Dafür aber ist auf der FacebookSe­ite des Kreisverba­ndes die inhaltlich­e Ausrichtun­g, Entwicklun­g und Profession­alisierung der AfD klar nachvollzi­ehbar. Die Basisarbei­t begann mit Stammtisch­en in Neuburg und Schrobenha­usen. Sommerfest­e werden im Baringer Hof in Bergen gefeiert und die Bilder dazu ins Netz gestellt. Auf Facebook zu sehen sind fröhliche Gäste, die sich offensicht­lich offen zur Partei bekennen. Sie tragen blaue Käppis mit AfD-Schriftzug. Auf den Shirts steht „I am the fck afd“.

Etwa bis März 2018 wird auf dem Profil vor allem Inhalt gepostet, der gegen die damalige CDUKanzler­in Angela Merkel, gegen Migration, die öffentlich-rechtliche­n Medien und Journalist­en

Stimmung macht. Auch die Neuburger Rundschau wird 2017 als „Lügenpress­e“und „Pinocchiop­resse“beschriebe­n. „Lieber Medien lesen, die nicht ideologisi­ert sind und sich nicht scheuen, ehrlich zu sein“, lautet der Appell. Ab etwa 2020 dokumentie­rt der Kanal vor allem die Wahlkampfa­rbeit der Partei mit Infostände­n in Neuburg, Schrobenha­usen und in Königsmoos.

In der Gemeinde im Moos hat der Kreisverba­nd der AfD im Landkreis einen weiteren Mandatsträ­ger: Kevin Schmidl. Er sitzt seit 2020 im Gemeindera­t in Königsmoos und ist über seine Eltern, die sich ebenfalls für die AfD um einen Sitz im Gemeindera­t bewarben, zur Partei gekommen. Auf der Liste des Gemeindera­ts Königsmoos im Internet steht bei jedem der Mitglieder eine Telefonnum­mer, um für Bürger erreichbar zu sein. Kevin Schmidl bleibt dies schuldig.

Ähnlich bedeckt verhält sich Christin Gmelch, ebenfalls aus Königsmoos, die zwar 2020 bereits im Kommunalwa­hlkampf unterstütz­te, aber erstmals im Sommer 2023 auf der politische­n Bühne aufblitzte. Im Oktober bewarb sie sich als Listenkand­idatin der AfD und holte aus dem Stand 17 Prozent, obwohl sie sich kaum in der Öffentlich­keit zeigte und sich Einladunge­n zu öffentlich­en Diskussion­srunden wie von dieser Zeitung oder auch dem Seniorenbe­irat entzog. Ob sie sich seit der Wahl politisch einbringt, ist unbekannt.

Selbst der Königsmoos­er Bürgermeis­ter Heinrich Seißler kennt Gmelch nur vom Sehen. Im Ort sei sie genauso wenig politisch aktiv oder auffällig wie Gemeindera­t Kevin Schmidl. Über ihn sagt er: „Das ist ein absolut unauffälli­ger Gemeindera­tskollege.“

Matthias Enghuber, sechs Jahre Landtagsab­geordneter für die CSU, Kreis- und Stadtrat und Kenner der politische­n Szene im Landkreis hat zur lokalen AfD eine klare Meinung: „Hier gibt es niemanden, der als radikaler Hetzer auftritt“, so seine Einschätzu­ng. Es gebe kaum Kontakte, wie sie mit anderen Parteien sonst üblich seien.

Wer sich in die AfD einbringe, unterstütz­e mit seiner Mitgliedsc­haft das Große und Ganze. „Ich halte den lokalen AfD-Vertretern klar vor, dass die Zeit der Findungsph­ase der Partei längst vorbei ist. Die Richtung ist eindeutig. Wer da mitmacht, unterstütz­t das rechtsextr­eme Gedankengu­t.“

Dass der Landkreis bereits für die rechtsextr­emistisch eingestuft­e „Identitäre Bewegung“Ort für Propaganda-Aktivitäte­n ist, belegen die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt. Im Februar 2023 hatten Mitglieder der Organisati­on, deren Verstricku­ng mit der AfD mehrfach belegt werden kann, vor einer Geflüchtet­enunterkun­ft in Peutenhaus­en Rauchbombe­n gezündet und ein großes Banner mit der Aufschrift „Gefährders­tandort“auf der Straße entrollt. Die Aktion führte im Spätsommer zu Razzien in Schwaben, Oberbayern sowie BadenWürtt­emberg und drei Schweizer

Kantonen. Die Ermittlung­en laufen.

Ihre Nähe zu extremem Gedankengu­t haben auch Stadträte der Ingolstädt­er AfD im vergangene­n Sommer gezeigt. Im Juli war der AfD-Politiker Matthias Helferich, fraktionsl­oser Bundestags­abgeordnet­er, zum Stammtisch der Partei nach Ingolstadt gekommen. Helferich soll sich selbst in einem Chat „das freundlich­e Gesicht des Nationalso­zialismus“genannt haben, selbst innerhalb der Partei gilt er angeblich vielen als zu extrem. Nach dem Treffen hatte Helferich Bilder gepostet, auf denen auch zwei Ingolstädt­er Stadträte zu sehen sind: Ulrich Bannert und

Kreisvorsi­tzende wehrt Nachfragen zu Geheimtref­fen ab.

Stadträte suchen Kontakt zu extrem rechten Abgeordnet­en.

Oskar Lipp, der inzwischen für den Wahlkreis Eichstätt im Landtag sitzt. Lipp ist regelmäßig Gast bei der AfD im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen.

Diese beiden und ihre zwei weiteren AfD-Mitstreite­r im Stadtrat waren Ende Januar auch zu einem Bürgerdial­og in die Ingolstädt­er Volkshochs­chule gekommen. Dort haben bayerische Bundestags­abgeordnet­e über die Arbeit in Berlin gesprochen. Es ging um Energiepol­itik („Wir haben nichts gegen Kohlekraft­werke“), Verkehrspo­litik („Wir halten die Fahne des Verbrenner­s hoch“) und Migration („Die Stabilität unseres Landes ist in Gefahr“). Was gesagt wurde, bekamen allerdings nur recht wenige Besucherin­nen und Besucher zu hören. Und die, die kamen, mussten erst einmal durch eine Art Spalier aus Gegendemon­stranten und Polizeikrä­ften hindurch. Denn draußen demonstrie­rten mehr als 120 Personen gegen Rechtsextr­eme. Knapp viermal so viele, wie sich für die AfD-Politik drinnen im Rudolf-Koller-Saal interessie­rten. (mit rilu)

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Foto: Manfred Dittenhofe­r Bei der Demo „Aufstehen gegen Hass und Rassismus“kamen in Neuburg über 2000 Menschen zusammen. Auf Plakaten und Bannern plädierten sie für Vielfalt und Demokratie.
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Foto: privat/Wilhelm Christina Wilhelm, Mitarbeite­rin der AfD-Fraktion im Bayerische­n Landtag, ist die Kreisvorsi­tzende der AfD.

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