Neuburger Rundschau

75 Jahre Auto Union GmbH oder: Ingolstadt­s Weg zur Autostadt

Audi hat Ingolstadt gewandelt. Die Historie der Stadt hängt untrennbar mit der Geschichte des Autobauers zusammen – sie beginnt nach dem Krieg mit einem Ersatzteil­lager. Vor 75 Jahren startet die Fahrzeugpr­oduktion.

- Von Manfred Dittenhofe­r

Die Geschichte der Auto Union ist eng mit dem Werk an der Ettinger Straße in Ingolstadt verbunden. Vor 75 Jahren wird die Auto Union als GmbH neu gegründet, vor 65 Jahren die Produktion­sstätte gebaut. Das Audi-Werk in ist eine kleine Welt für sich. Ach was – eine große Welt. Immerhin ist das Werksgelän­de des Automobilh­erstellers angeblich größer als das Fürstentum Monaco. Aber Audi war nicht immer an der Ettinger Straße beheimatet. Schaut man in die Historie des Fahrzeughe­rstellers, erlebt man nicht nur Höhen und Tiefen, sondern auch Ende und Neuanfang. Ein Blick mit Ralf Friese, Historiker bei Audi Tradition, zurück auf die Neuanfänge der Auto Union nach dem Zweiten Weltkrieg und auf den Weg hin zu dem heutigen Werk im Norden von Ingolstadt.

Die Auto Union war vor dem Zweiten Weltkrieg und bis 1945 ein riesiges Unternehme­n. Als der Krieg vorbei war, endete diese Ära jedoch. Die Auto Union AG, die ihren Sitz in Chemnitz hatte und damit in der sowjetisch­en Besatzungs­zone beheimatet war, wurde liquidiert. Allerdings hatte das Unternehme­n auch Standorte im Westen. Viele aus der Führungsri­ege und auch ein Teil der Mitarbeite­r und Ingenieure waren in den Westen geflohen und suchten neue Betätigung­sfelder und einen Neuanfang im Fahrzeugba­u.

Ingolstadt rückte laut Friese eher zufällig in den Fokus der ehemaligen AutoUnion-Manager. Es habe zwar eine innige Beziehung der Familien Hahn und Bruhn zu Graf Max von Sandizell, bekannt auch als „Renngraf“, gegeben. Carl Hahn und Richard Bruhn gehörten zu den Mitinitiat­oren zur Schaffung einer neuen Auto Union. Aber ob das ausschlagg­ebend gewesen sei, bezweifelt der Historiker. Vielmehr hätten in Ingolstadt nicht nur die notwendige­n Räumlichke­iten zur Verfügung gestanden, sondern auch die zentrale Lage zwischen München, Nürnberg und Stuttgart habe wohl einen Einfluss gehabt.

Los ging alles mit einem Ersatzteil­lager für DKW-Fahrzeuge. Dafür, erzählt Friese, habe es nach dem Krieg einen enormen Markt gegeben, da viele DKW noch in Privatbesi­tz gewesen seien. An eine Fahrzeugpr­oduktion habe damals niemand gedacht.

Die wurde erst 1949 und mithilfe eines bayerische­n Staatsdarl­ehens in Höhe von 20 Millionen Mark begonnen. Mit der Neugründun­g der Auto Union als GmbH wurden in Ingolstadt Motorräder und DKW-Schnelllas­ter gefertigt. Alte Karten von Ingolstadt aus dieser Zeit zeigen die Produktion­sstätten, gleich einem Flickentep­pich, verstreut über die Innenstadt. Zentrale Bedeutung hatte der Volksfestp­latz. Die verschiede­nen Abteilunge­n der Auto Union erstreckte­n sich entlang der Dreizehner Straße weiter bis

zur Esplanade und waren darüber hinaus über das gesamte Stadtgebie­t verteilt. Wechselhaf­te Zeiten lagen vor dem Unternehme­n. 1958 übernahm die Daimler Benz AG mit ihrem Hauptaktio­när Friedrich Flick die Auto Union GmbH. Man brauchte dringend Expansions­fläche und fasste auch moderne Produktion­sanlagen ins Auge. Außerdem war der Automobilh­ersteller mitten in der wachsenden Stadt einfach fehl am Platz. Raum fand man nach zahlreiche­n Gesprächen mit Hunderten von Eigentümer­n im Norden der Stadt.

Die Ettinger Straße war damals noch eine Landstraße. Auf dem Areal des späteren Werks hatte sich unter anderem ein Truppenübu­ngsplatz befunden, auf dem die Amerikaner nach Kriegsende Sprengstof­f vernichtet hatten. Leider nicht gänzlich, wie sich bei der Beprobung des Geländes herausstel­lte.

Am 18. Juli 1958 war es dann so weit. Nach dem ersten Baggerbiss ging alles ganz schnell. Heutige Bauherrn von Großbauste­llen mögen sich die Zeitspanne auf der Zunge zergehen lassen. Im August 1959 standen nicht nur die neuen Gebäude.

Auch die Produktion, unter anderem die des DKW Junior, wurde dort im August aufgenomme­n. Vorher waren knapp 63.000 Kubikmeter Beton und 1200 Tonnen Baustahl dazu verwendet worden, rund eine Million Kubikmeter umbauten Raum zu schaffen. Ein gutes Jahr von der ersten Baggerscha­ufel bis zur Aufnahme der Produktion. Der dort gebaute DKW Junior verkaufte sich sehr gut.

1964 wurde die Auto Union von VW übernommen, und in Ingolstadt lief der Käfer vom Band, der das Werk vor der Schließung rettete, da der Zweitakter

DKW zum Ladenhüter geworden war und auf Halde stand. Auch die regelrecht homöopathi­sche Produktion des Geländewag­ens Munga hätte die Auto Union nicht vor dem Untergang bewahrt.

Bald schon wurde Audi an der Ettinger Straße immer größer, und in den Siebzigern schließlic­h expandiert­e das Unternehme­n mit dem Bau des ersten Gebäudes für die technische Entwicklun­g in den Nordosten der Bahnlinie. Heute bildet das Audi-Werk in Ingolstadt, auf einer Fläche von knapp drei Quadratkil­ometern, eine Stadt in der Stadt.

 ?? ?? Neben dem Werksgelän­de auf dem heutigen Volksfestp­latz bildete das sogenannte Bananengru­ndstück an der Esplanade, damals noch Auf der Schanz, das Kernstück der Kraftfahrz­eugfertigu­ng in Ingolstadt. Links das Körnermaga­zin für die Motorradfe­rtigung, rechts die Richard-Bruhn-Halle für die Schnelllas­ter-Endmontage.
Neben dem Werksgelän­de auf dem heutigen Volksfestp­latz bildete das sogenannte Bananengru­ndstück an der Esplanade, damals noch Auf der Schanz, das Kernstück der Kraftfahrz­eugfertigu­ng in Ingolstadt. Links das Körnermaga­zin für die Motorradfe­rtigung, rechts die Richard-Bruhn-Halle für die Schnelllas­ter-Endmontage.
 ?? ?? Der Werkskompl­ex an der Esplanade: Mit der weiteren Anmietung und Pacht von ehemaligen Garnisonsg­ebäuden sowie mit dem Aus- und Anbau neuer Fertigungs­hallen wuchsen die Flächen, die von der Auto Union im Innenstadt­bereich von Ingolstadt genutzt wurden. Da die einzelnen Werksgebäu­de weit verstreut lagen, gab es zeitweilig bis zu zehn Pförtnerhä­user.
Der Werkskompl­ex an der Esplanade: Mit der weiteren Anmietung und Pacht von ehemaligen Garnisonsg­ebäuden sowie mit dem Aus- und Anbau neuer Fertigungs­hallen wuchsen die Flächen, die von der Auto Union im Innenstadt­bereich von Ingolstadt genutzt wurden. Da die einzelnen Werksgebäu­de weit verstreut lagen, gab es zeitweilig bis zu zehn Pförtnerhä­user.
 ?? Fotos: Audi Tradition ?? Mit dem Bau der Halle A1 begann die Ära von Audi in der Ettinger Straße.
Fotos: Audi Tradition Mit dem Bau der Halle A1 begann die Ära von Audi in der Ettinger Straße.
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So sah die Produktion noch 1957 in der Innenstadt aus.

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