Neuburger Rundschau

Härtetest für das Immunsyste­m

Der Landkreis hustet und schnupft – nichts Ungewöhnli­ches für die Jahreszeit. Warum viele Verläufe in dieser Erkältungs­saison langwierig­er und hartnäckig­er sind.

- Von Claudia Stegmann

„Da hat es mich ganz schön erwischt! So krank war ich schon lange nicht mehr.“Sätze wie diese hört man seit einiger Zeit immer wieder. In der Familie, unter den Arbeitskol­legen oder im Freundeskr­eis: Es wird gehustet, geschnupft, gefiebert. Und kaum eine Familie berichtet nicht von Kindern, die das Bett hüten müssen. Die Erkältungs­welle ist zu dieser Jahreszeit nichts Ungewöhnli­ches, doch scheint es so, als ob die Auswirkung­en derzeit massiver sind als in vergleichb­aren Jahren. Doch ist das wirklich so?

Die Frage kann Allgemeina­rzt Dr. Matthias Fischer-Stabauer mit einem klaren „Ja“beantworte­n. Schon im vergangene­n Herbst habe sich abgezeichn­et, dass mehr Menschen krank sind, als üblicherwe­ise in der kalten Jahreszeit. Der Anstieg dieses Jahr sei ungewöhnli­ch hoch und konstant über dem Durchschni­tt, sagt er. Das mache sich nicht nur im vollen Wartezimme­r seiner Praxis bemerkbar, sondern auch unter seiner dezimierte­n Belegschaf­t. Husten, Schnupfen, Fieber, Glieder-, Hals- und Ohrenschme­rzen – das seien die häufigsten Symptome seiner Patientinn­en und Patienten. Solche grippalen Erscheinun­gen sind völlig normal für diese Jahreszeit, allerdings nicht deren Intensität. Die Beschwerde­n würden aktuell auffallend lange anhalten. „Wir bemerken wochenlang­e Verläufe“, sagt der Mediziner. Oder aber es komme innerhalb kürzester Zeit wieder zu einem Rückfall. Es habe schon immer „Exoten“gegeben, die sich nur langsam auskuriert hätten. „Aber mittlerwei­le ist das schon normal.“

Dieselben Erfahrunge­n hat auch Dr. Waldemar Klimek vor allem in den vergangene­n vier Wochen gemacht. Das Wartezimme­r voll, das Personal ausgedünnt und Patienten, die drei Wochen lang nicht auf die Beine kommen. Das Fieber sei bei vielen Patienten zwar nach ein paar Tagen weg, aber die Beschwerde­n insbesonde­re in den oberen Atemwegen würden sich so hartnäckig halten, dass die Menschen im Alltag nicht einsatzfäh­ig seien. „Im

Vergleich zu anderen Jahren sind solche Krankheits­bilder diese Saison besonders ausgeprägt“, sagt auch er. Und das treffe nicht nur auf Erwachsene, sondern auch auf Kinder zu, die wieder vermehrt mit dem RSV-Virus zu kämpfen hätten.

In der Karlshulde­r Praxis von Dr. Florian Pallmann zeigt sich ein ähnliches Bild. Aktuell müssten er und sein Team vor allem infektiöse Atemwegsin­fekte behandeln. In den Weihnachts­feiertagen seien die Krankheits­fälle nach oben geschnellt und seitdem „auf einem hohen Niveau“geblieben. Er relativier­t aber auch: „Wäre die Pandemie nicht gewesen, wären wir nicht überrascht über diese hohe Anzahl.“

Am stärksten würde es die Jüngsten und die Ältesten treffen – Kinder bis etwa zum fünften Lebensjahr und Senioren über 80. „Gerade bei den sehr Hochbetagt­en ist nicht die Anzahl der Erkrankten, sondern die Schwere des Verlaufs überrasche­nd hoch“, ist seine Beobachtun­g. So mancher Patient müsse deshalb im Krankenhau­s behandelt werden. In diesem Zusammenha­ng betont Pallmann die Notwendigk­eit von Kliniken im ländlichen Raum. Durch eine Reduzierun­g der Häuser auf „hoch spezialisi­erte Fälle“würde sich eine große Versorgung­slücke ergeben.

Als Grund für das kollektive schwache Abwehrsyst­em nennen die Ärzte unisono die Maskenpfli­cht während der Coronajahr­e. „Ich vergleiche es gerne mit einem Sportler. Wenn Sie einem Marathonlä­ufer das

Training verbieten, dann wird er seine Fitness verlieren. Will er dann nach drei Jahren wieder einen Marathon laufen, wird er dazu nicht imstande sein“, erklärt Matthias Fischer-Stabauer. Dementspre­chend müsse auch das Immunsyste­m wieder trainiert werden, damit es Viren und Keime erfolgreic­h abwehrt. Und wie gelingt das am besten? Grundsätzl­ich hilft natürlich eine gesunde Lebensweis­e mit einer ausgewogen­en, vitaminrei­chen Ernährung und regelmäßig­er Bewegung. Darin sind sich alle befragten Ärzte einig. Als gesunde Sache gilt übrigens auch das Küssen. Durch den wechselsei­tigen Austausch von Bakterien werden die körpereige­nen Abwehrkräf­te mobilisier­t, und so wirkt ein Kuss ähnlich wie eine Impfung. „Da ist was Wahres dran“, sagt Matthias Fischer-Stabauer, ohne diese Empfehlung ausspreche­n zu wollen. Stattdesse­n gebe es auch „andere Mittel und Wege“, um als gesunder Mensch sein Immunsyste­m zu trainieren, indem man sich zum Beispiel einfach unter vielen anderen Menschen tummelt.

Waldemar Klimek hingegen rät dieser Tage eher zu Zurückhalt­ung und gegebenenf­alls zum Tragen einer Maske. Und Florian Pallmann empfiehlt den Risikogrup­pen als Prophylaxe jährliche Impfungen gegen Influenza und in besonderen Fälle die aus der Coronazeit bekannten Schutzmaßn­ahmen: Maske, Distanz und Händedesin­fektion.

Krankheits­welle trifft vor allem die Jüngsten und Ältesten.

 ?? Gambarini, dpa Foto: Maurizio ?? Die Erkältungs­welle hat schon so manchen ans Bett gefesselt. Die Krankheits­verläufe sind heuer besonders langwierig und hartnäckig. Der Grund dafür ist in den Coronajahr­en zu finden.
Gambarini, dpa Foto: Maurizio Die Erkältungs­welle hat schon so manchen ans Bett gefesselt. Die Krankheits­verläufe sind heuer besonders langwierig und hartnäckig. Der Grund dafür ist in den Coronajahr­en zu finden.

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