So verteidigt Sinning seine Demokratie
Seit 26 Jahren kämpft die Sinninger Initiative gegen Rechts mit Kabarett und Aufklärung gegen Rechtsextremismus. Jetzt setzt der Verein auf Bildung, um mit Stammtischparolen richtig umzugehen.
Die „Sinninger Initiative gegen Rechts“besteht inzwischen 26 Jahre. Vor über einem Vierteljahrhundert gründete sich die Initiative, weil sich in Sinning vermehrt Neonazis um die NPD ansiedelten. Die Rechten wurden samt ihrer Druckerei schließlich erfolgreich aus dem Dorf vertrieben. Die Initiative machte jedoch weiter, mit Kabarettveranstaltungen, Aufklärung und mit Unterstützung anderer Initiativen. 2023 konnte der inzwischen 180 Mitglieder starke Verein das 25-jährige Bestehen feiern, mit Hans Well und seiner Wellpappn und einem Fest im Bürgerhaus Schlosswirtschaft in Sinning.
Im Sinninger Bürgerhaus fand auch die diesjährige Hauptversammlung statt, zu der über 30 Mitglieder gekommen waren. Vorstandssprecher Charly Heinrich erinnerte daran, dass die Initiative „aus ganz viel Ohnmacht entstanden war“. Nach über 70 Jahren friedvollen Zusammenlebens sei es heute notwendig geworden, diese Demokratie zu verteidigen: „Wie wichtig wir als Initiative sind, zeigt sich gerade jetzt.“Bürgermeister Fridolin Gößl sprach in seinem Grußwort von „erschreckenden 10.000 Stimmen AfD-Stimmen im Landkreis“bei der Landtagswahl 2023. Deswegen sei es jetzt wichtig,
zu diskutieren und zusammenzustehen. Das sei nicht immer einfach, gerade bei „Diskussionen, die oft nach dem dritten Satz schon zu Ende sind“. Er wünschte der Initiative alles Gute für die Zukunft.
Wie geht man mit Stammtischparolen um? Mit dieser Frage will sich die Initiative in diesem Jahr auseinandersetzen und plant eine Schulung dazu. Am 29. Februar findet im Neuburger „Herzwerk“der AWO ein Filmabend statt mit dem Titel „Die Stille schreit“. Der Dokumentarfilm zeigt die Schicksale jüdischer Familien in Augsburg. Am 25. April folgt eine Lesung „Die letzte Stimme des Holocaust“,
der Ort dafür ist noch offen. Sicher ist dagegen das jährliche Kirchweihkabarett in der Schlosswirtschaft in Sinning am 19. Oktober, zu dem der bayrische Kabarettist Stefan Kröll mit seinem Programm „Aufbruch“eingeladen ist.
Nach dem offiziellen Teil der Versammlung referierte die Leiterin des Ausländeramtes im Landratsamt, Emmy Böhm, zum Thema Ausländer im Landkreis. 13.285 Ausländer leben ihrer Aussage nach derzeit im Landkreis, davon sind 6800 EU-Bürger und über 6400 sogenannte Drittstaatler.
Für ihre Klienten seien eine Reihe
von Gesetzen zuständig, mehrere Asylgesetze, die Ostbalkanregelung sowie unter anderem das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz. Die Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen in Deutschland verkompliziere den Umgang vor allem mit Flüchtlingen.
Vor allem im Jahr 2022, dem Beginn des Ukraine-Krieges, sei es im Landkreis „ein Kommen und Gehen“gewesen. 1008 Ukrainer habe man bisher aufgenommen, dazu kommen 250 Ortskräfte aus Afghanistan, die von den Taliban wegen ihrer Zusammenarbeit mit den deutschen Truppen verfolgt wurden. Wegen des starken Andrangs an Flüchtlingen wurde die Turnhalle an der Monheimer Straße umgewidmet zum „Übergangswohnheim“– eine Notlösung für 250 Personen, weil die Unterbringung immer schwieriger werde. Auch 435 Fehlbeleger blockieren Wohnraum, weil sie im Landkreis keine Wohnung finden, berichtet Böhm.
Immer mehr Zuwanderer würden die erforderliche Sprachprüfung sowie fünf Jahre Straffreiheit schaffen. Auf der anderen Seite seien 200 Ausreisepflichtige im Landkreis, die aus verschiedenen Gründen aber nicht abgeschoben werden könnten. Dass Asylsuchende mehrfach Geld beziehen, sei nach den Worten von Emmy Böhm „ziemlich unwahrscheinlich“, weil alle bei der Einreise mit Fingerabdruck registriert werden. Es seien diesbezüglich viele Falschinformationen in der Boulevardpresse und im Internet unterwegs. Bei allen Behauptungen lohne es sich, genau nachzufragen.
Viele Ehrenamtliche würden Flüchtlingen helfen, sich hier zurechtzufinden, „aber wir könnten viel mehr Helfer gebrauchen“, so Emmy Böhm. Formularlotsen seien gefragt, Begleiter bei Terminen in Behörden und Ausbildungspaten, die etwa Jugendliche in Praktikumsstellen betreuen. Übersetzer seien oft auch Flüchtlinge, die sich sprachlich qualifiziert hätten und ehrenamtlich helfen.