Neuburger Rundschau

Was geschah nach dem Mord an der Doppelgäng­erin?

Als erste Zeugin an diesem Tag im Doppelgäng­er-Prozess sagt die Mutter des Zeugen aus, mit dem die Beweisaufn­ahme Anfang Februar begonnen hatte.

- Von Dorothee Pfaffel

Die Medienvert­reter werden weniger, doch die Zuschauer stehen nach wie vor Schlange, um in den Sitzungssa­al elf des Landgerich­ts Ingolstadt gelassen zu werden. Es ist der siebte Verhandlun­gstag im sogenannte­n Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s. Auch heute werden noch einmal Zeugen aus dem näheren Umfeld der Angeklagte­n erwartet, von denen man sich neue Details zur Nacht und dem Tag nach der Tat erhofft.

Als erste Zeugin an diesem Tag sagt die Mutter des Zeugen aus, mit dem die Beweisaufn­ahme Anfang Februar begonnen hatte: Marcello B. aus Ingolstadt, ein langjährig­er Freund des Angeklagte­n. Ihm soll Sheqir K. als erstes den Mord gestanden haben in der Nacht von 16. auf 17. August 2022. Außerdem kannte der 21-Jährige seit ungefähr einem Monat vor der Tat Schahraban K. und hat sie am Tattag getroffen. Seine genaue Rolle in dem Mordfall ist bisher nicht klar. Er wird möglicherw­eise ein zweites Mal vernommen.

Als die 53-Jährige hereinkomm­t und auf dem Zeugenstuh­l Platz nimmt, raunt sie in Richtung der Verteidige­r von Schahraban K: „Ihnen wird das Lachen schon noch vergehen.“Dann erzählt sie, wie ihr Sohn vom Angeklagte­n Sheqir K. von dem Mord erfahren habe. Ob ihr Sohn in Schahraban K. verliebt gewesen sei, fragt der Vorsitzend­e Richter. Dies hatte am Donnerstag eine Zeugin, eine Zellengeno­ssin der Angeklagte­n, behauptet. „Das glaub’ ich weniger. Er hat sich von ihr ja nicht mal vor die Haustür fahren lassen“, sagt die Mutter. Die Zeugin wird wütend: „Dass mein Sohn Morddrohun­gen bekommen hat von der da“– sie zeigt auf die Angeklagte links von ihr – „interessie­rt keinen. Stattdesse­n wird er mitverdäch­tigt, weil er unseren Namen trägt.“Die Familie ist in Ingolstadt bekannt, Marcello B. saß schon mal im Gefängnis. Die

Zellengeno­ssin hatte berichtet, dass Schahraban K. ihr gesagt hätte, sie wolle unter anderem noch Marcello B. umbringen.

Später berichtet eine Zeugin, wie Schahraban K. an jenem 17. August kurz vor 21.30 Uhr an der Kreuzung bei einem Pizzaliefe­rdienst einfach zu ihr ins Auto gesprungen sei. Außer der Angeklagte­n seien noch fünf Männer auf der Straße gestanden. Einer trat zur Zeugin ans Autofenste­r und bat:

„Bitte lassen Sie sie hier!“Die Zeugin aber gab Gas. Schahraban K. sei panisch gewesen. Sie habe gezittert und gesagt: „Ich schwör’ auf meinen toten Bruder, ich hab’ nichts getan!“Der Vater von einem der Männer habe ein Mädchen umgebracht und das wollten sie ihr nun anhängen, soll die Angeklagte weiter gesagt haben. Als die Zeugin zur Polizei fahren wollte, verneinte Schahraban K.: „Die sperren mich ein!“Bei einem Teppichges­chäft

sei die Deutsch-Irakerin ausgestieg­en, obwohl die Männer sie in zwei Autos verfolgt hatten und in der Nähe waren. Weil die Zeugin Angst um die junge Frau hatte, setzte sie einen Notruf ab.

Danach sagt einer der Männer aus, die Schahraban K. hinterher gefahren sind. Er erzählt die Geschichte so: Er hatte bereits von dem Mord gehört – und, dass die Angeklagte einmal die Idee geäußert haben soll, ihren Tod vortäusche­n zu wollen. Als er an diesem Abend mit einem Freund im Auto unterwegs war, sah er plötzlich eben diese Frau bei einem Pizzaliefe­rdienst. Er fragte sie, ob sie „die Tote“sei. Sie soll geantworte­t haben: „Ja, der Plan ist aufgegange­n.“Da habe er sie aufgeforde­rt, zur Polizei zu gehen und sich zu stellen. Als die Angeklagte wegrannte, sei sein Freund ihr nachgelauf­en und wollte sie festhalten, doch sie schrie, bis mehrere Männer aus einer Gaststätte kamen. Dann sei sie schnell in ein rotes Auto gesprungen – das Auto der vorherigen Zeugin. Der Zeuge fuhr hinter dem Auto her und setzte parallel einen Notruf ab. Dieser Notruf wird im Gerichtssa­al vorgespiel­t. Gegen Ende des Telefonats – Schahraban K. musste wohl wieder ausgestieg­en sein – hört man ihre panische Stimme: „Ich brauche Hilfe!“Wenig später soll sie sich in ein anderes Auto gesetzt haben und mit dem Fahrer weggefahre­n sein.

Auch der Freund tritt noch in den Zeugenstan­d. Seine Aussage erklärt das zweite Auto, das die frühere Zeugin bei der Verfolgung gesehen haben will: Er rief nämlich einen weiteren „Kollegen“an, der daraufhin ebenfalls mit dem Auto kam und hinter den beiden Fahrzeugen her fuhr.

Das wird den Angeklagte­n vorgeworfe­n: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie ihr zum Verwechsel­n ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauch­en und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgäng­erin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktier­t haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft. Die Anklage hinsichtli­ch beider Beschuldig­ter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderun­gen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangekla­gten hat sie allerdings schwer belastet.

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Foto: Dorothee Pfaffel (Archivbild) Der sogenannte Doppelgäng­er-Prozess geht weiter: Die Medienvert­reter werden weniger, doch die Zuschauer stehen nach wie vor Schlange, um in den Sitzungssa­al gelassen zu werden.

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