Mehr Vielfalt statt mehr Männer
Daniel Ajkic arbeitet im Haus für Kinder in Karlshuld, ist Erzieher aus Leidenschaft – und der einzige Mann im Team. Mit welchen Vorurteilen er konfrontiert wird und warum sein Beruf für ihn Berufung ist.
Im Halbkreis sitzen ein Polizist, drei Prinzessinnen und eine Fee zusammen. Es ist mucksmäuschenstill, und sie alle lauschen gespannt einer Geschichte über einen Löwen und eine Maus, die ihnen Daniel Ajkic vorliest. Er ist Erzieher im Haus für Kinder in Karlshuld, und in den Kostümen stecken seine Schützlinge, die sich für den Rosenmontag maskiert haben. Die Kinder fühlen sich sichtlich wohl in der Gegenwart des 25-Jährigen, der sozusagen ein Exot in der Einrichtung ist, denn er ist der einzige Mann im Team. Doch das stört ihn überhaupt nicht – ganz im Gegensatz zu Vorurteilen, Redewendungen wie „Hahn im Korb“und einer immer schwieriger werdenden Gesellschaft.
Kurz vor seinem Schulabschluss hat sich Daniel Ajkic immer wieder, so wie viele andere junge Menschen, diese eine Frage gestellt: Was will ich denn eigentlich mal beruflich machen? Der Neuburger absolvierte mehrere Praktika in den Ferien, schnupperte unter anderem in die klassische Büroarbeit, in verschiedene Handwerksberufe, aber auch in den sozialen Bereich hinein – und bei Letzterem „hat es dann einfach Klick gemacht“, erinnert sich der 25-Jährige.
Seine Großcousine, die bei der Regens-Wagner-Stiftung in Hohenwart arbeitet, organisierte ihm ein Praktikum in der Einrichtung im Landkreis Pfaffenhofen. „Ich fand das toll, mich hat das total mitgenommen, und mein erster Gedanke war: Ich will in die Erwachsenenpädagogik gehen, mit Menschen mit Beeinträchtigung arbeiten.“Ajkic spielte die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten und landete schließlich bei Erzieher. „Damit ist man breit aufgestellt, hat viele Möglichkeiten und kann in fast jedem sozialen Bereich tätig werden.“Und während der Ausbildung, als er im Kindergarten war, machte es bei dem Neuburger ein zweites Mal Klick. „Der Gedanke, mit den Kleinen zu arbeiten, sie zu fördern, ihre Entwicklung zu begleiten, das hat mich total beflügelt und begeistert“, erzählt Ajkic.
Vor acht Jahren hat der Neuburger seine Ausbildung begonnen, seit September ist er nun im Haus für Kinder in Karlshuld, in dem derzeit 112 Kinder im Alter von acht Monaten bis neun Jahren, also
Krippe, Kindergarten und Hort, betreut werden. Und schon nach dieser kurzen Zeit fällt eines ganz besonders auf: Die Kinder lieben Daniel Ajkic, und der wiederum liebt seine Arbeit. Sobald er da ist, wuseln die Kleinen um ihn herum, stellen ihm Fragen, nehmen ihn an der Hand, weil sie ihm etwas zeigen wollen, und hören ganz begeistert zu, sobald er etwas erzählt. „Kinder sind so unkompliziert, so unbefangen und völlig frei von all den Problemen auf dieser Welt und der negativ geprägten Leistungsgesellschaft“, sagt er und ergänzt: „Sie können für uns wirklich inspirierend sein.“Zudem sei es dem Nachwuchs völlig egal, wer vor ihm stehe und welches Geschlecht, Aussehen, Größe, Gewicht oder Alter die Person hat.
In einem Team zu arbeiten, in dem von 20 Fachkräften 19 Frauen sind, ist für Ajkic weder komisch noch unangenehm. Für ihn ist es
wie bei den Kindern: „Mir ist es völlig egal, mit wem ich zusammenarbeite, wichtig ist der Mensch, dessen Charakter und eine gute Zusammenarbeit, nicht das Geschlecht“, betont er. Deswegen ist er auch kein Fan von Redewendungen wie etwa „Der Hahn im Korb sein“. Letzteres höre er vor allem immer wieder von der älteren Generation. Ähnlich geht es ihm auch mit all den Vorurteilen, die mit seinem Beruf verbunden sind, und mit denen er, aber auch seine Kolleginnen tagtäglich konfrontiert sind. Neben dem Klischee der schlechten Bezahlung, „das überhaupt nicht stimmt“, sowie der Behauptung, es sei doch so ein weiblicher Beruf, falle in seinem Umfeld auch immer wieder der Satz: Also ich könnte das nicht machen, das wäre nichts für mich. „Dabei haben die Menschen überhaupt keine Vorstellung davon, was ich oder wir jeden Tag machen“, sagt Ajkic.
Und genau mit all diesen Vorurteilen und Klischees aufzuräumen, liegt auch Einrichtungsleiterin Karin Naumann am Herzen. „Wir spielen nicht nur den ganzen Tag mit den Kindern und leisten eine wichtige Bildungsarbeit“, sagt sie. Der Beruf des Erziehers sei elementar „und wir sehen an den aktuellen Ergebnissen der Pisa-Studie, dass es noch viel mehr Bildungsarbeit an der Basis braucht – und das fängt nicht erst in der Schule an“. Hinzu komme der permanente Fachkräftemangel, aber auch der rauer werdende Ton in der Gesellschaft und das höhere Anspruchsdenken bei den Eltern. Der Beruf sei körperlich und physisch anstrengend, „aber man bekommt von den Kindern so viel zurück, geht absolut erfüllt nach Hause und weiß, dass man wertvolle Arbeit leistet – und das zählt am Ende des Tages“.
Dem kann sich Daniel Ajkic nur
anschließen. Dem 25-Jährigen wird jeden Tag aufs Neue bewusst, wie wichtig sein Beruf ist. „Wir leisten keinen unwesentlichen Beitrag für das Leben, die Bildung und Entwicklung der Kinder“, sagt er. Und eben jeden Entwicklungsschritt zu sehen, „das ist wirklich magisch, und es geht einem einfach das Herz auf“.
So wie jedes Kind anders ist, ist es auch jeder Arbeitstag. „Keiner ist gleich, es beginnt sozusagen immer wieder von vorn, und das macht es auch so spannend.“Ajkic würde sich immer wieder für diesen Beruf entscheiden und hofft, dass wieder mehr Menschen ihm folgten.
Mehr Männer braucht es im Übrigen aus seiner Sicht in den Kindergärten und Kitas nicht, sondern vielmehr etwas anderes. „Mehr Vielfalt, denn gerade auch in diesem Job braucht es ein Abbild der Gesellschaft.“