Neuburger Rundschau

Mehr Vielfalt statt mehr Männer

Daniel Ajkic arbeitet im Haus für Kinder in Karlshuld, ist Erzieher aus Leidenscha­ft – und der einzige Mann im Team. Mit welchen Vorurteile­n er konfrontie­rt wird und warum sein Beruf für ihn Berufung ist.

- Von Katrin Kretzmann

Im Halbkreis sitzen ein Polizist, drei Prinzessin­nen und eine Fee zusammen. Es ist mucksmäusc­henstill, und sie alle lauschen gespannt einer Geschichte über einen Löwen und eine Maus, die ihnen Daniel Ajkic vorliest. Er ist Erzieher im Haus für Kinder in Karlshuld, und in den Kostümen stecken seine Schützling­e, die sich für den Rosenmonta­g maskiert haben. Die Kinder fühlen sich sichtlich wohl in der Gegenwart des 25-Jährigen, der sozusagen ein Exot in der Einrichtun­g ist, denn er ist der einzige Mann im Team. Doch das stört ihn überhaupt nicht – ganz im Gegensatz zu Vorurteile­n, Redewendun­gen wie „Hahn im Korb“und einer immer schwierige­r werdenden Gesellscha­ft.

Kurz vor seinem Schulabsch­luss hat sich Daniel Ajkic immer wieder, so wie viele andere junge Menschen, diese eine Frage gestellt: Was will ich denn eigentlich mal beruflich machen? Der Neuburger absolviert­e mehrere Praktika in den Ferien, schnuppert­e unter anderem in die klassische Büroarbeit, in verschiede­ne Handwerksb­erufe, aber auch in den sozialen Bereich hinein – und bei Letzterem „hat es dann einfach Klick gemacht“, erinnert sich der 25-Jährige.

Seine Großcousin­e, die bei der Regens-Wagner-Stiftung in Hohenwart arbeitet, organisier­te ihm ein Praktikum in der Einrichtun­g im Landkreis Pfaffenhof­en. „Ich fand das toll, mich hat das total mitgenomme­n, und mein erster Gedanke war: Ich will in die Erwachsene­npädagogik gehen, mit Menschen mit Beeinträch­tigung arbeiten.“Ajkic spielte die verschiede­nen Ausbildung­smöglichke­iten und landete schließlic­h bei Erzieher. „Damit ist man breit aufgestell­t, hat viele Möglichkei­ten und kann in fast jedem sozialen Bereich tätig werden.“Und während der Ausbildung, als er im Kindergart­en war, machte es bei dem Neuburger ein zweites Mal Klick. „Der Gedanke, mit den Kleinen zu arbeiten, sie zu fördern, ihre Entwicklun­g zu begleiten, das hat mich total beflügelt und begeistert“, erzählt Ajkic.

Vor acht Jahren hat der Neuburger seine Ausbildung begonnen, seit September ist er nun im Haus für Kinder in Karlshuld, in dem derzeit 112 Kinder im Alter von acht Monaten bis neun Jahren, also

Krippe, Kindergart­en und Hort, betreut werden. Und schon nach dieser kurzen Zeit fällt eines ganz besonders auf: Die Kinder lieben Daniel Ajkic, und der wiederum liebt seine Arbeit. Sobald er da ist, wuseln die Kleinen um ihn herum, stellen ihm Fragen, nehmen ihn an der Hand, weil sie ihm etwas zeigen wollen, und hören ganz begeistert zu, sobald er etwas erzählt. „Kinder sind so unkomplizi­ert, so unbefangen und völlig frei von all den Problemen auf dieser Welt und der negativ geprägten Leistungsg­esellschaf­t“, sagt er und ergänzt: „Sie können für uns wirklich inspiriere­nd sein.“Zudem sei es dem Nachwuchs völlig egal, wer vor ihm stehe und welches Geschlecht, Aussehen, Größe, Gewicht oder Alter die Person hat.

In einem Team zu arbeiten, in dem von 20 Fachkräfte­n 19 Frauen sind, ist für Ajkic weder komisch noch unangenehm. Für ihn ist es

wie bei den Kindern: „Mir ist es völlig egal, mit wem ich zusammenar­beite, wichtig ist der Mensch, dessen Charakter und eine gute Zusammenar­beit, nicht das Geschlecht“, betont er. Deswegen ist er auch kein Fan von Redewendun­gen wie etwa „Der Hahn im Korb sein“. Letzteres höre er vor allem immer wieder von der älteren Generation. Ähnlich geht es ihm auch mit all den Vorurteile­n, die mit seinem Beruf verbunden sind, und mit denen er, aber auch seine Kolleginne­n tagtäglich konfrontie­rt sind. Neben dem Klischee der schlechten Bezahlung, „das überhaupt nicht stimmt“, sowie der Behauptung, es sei doch so ein weiblicher Beruf, falle in seinem Umfeld auch immer wieder der Satz: Also ich könnte das nicht machen, das wäre nichts für mich. „Dabei haben die Menschen überhaupt keine Vorstellun­g davon, was ich oder wir jeden Tag machen“, sagt Ajkic.

Und genau mit all diesen Vorurteile­n und Klischees aufzuräume­n, liegt auch Einrichtun­gsleiterin Karin Naumann am Herzen. „Wir spielen nicht nur den ganzen Tag mit den Kindern und leisten eine wichtige Bildungsar­beit“, sagt sie. Der Beruf des Erziehers sei elementar „und wir sehen an den aktuellen Ergebnisse­n der Pisa-Studie, dass es noch viel mehr Bildungsar­beit an der Basis braucht – und das fängt nicht erst in der Schule an“. Hinzu komme der permanente Fachkräfte­mangel, aber auch der rauer werdende Ton in der Gesellscha­ft und das höhere Anspruchsd­enken bei den Eltern. Der Beruf sei körperlich und physisch anstrengen­d, „aber man bekommt von den Kindern so viel zurück, geht absolut erfüllt nach Hause und weiß, dass man wertvolle Arbeit leistet – und das zählt am Ende des Tages“.

Dem kann sich Daniel Ajkic nur

anschließe­n. Dem 25-Jährigen wird jeden Tag aufs Neue bewusst, wie wichtig sein Beruf ist. „Wir leisten keinen unwesentli­chen Beitrag für das Leben, die Bildung und Entwicklun­g der Kinder“, sagt er. Und eben jeden Entwicklun­gsschritt zu sehen, „das ist wirklich magisch, und es geht einem einfach das Herz auf“.

So wie jedes Kind anders ist, ist es auch jeder Arbeitstag. „Keiner ist gleich, es beginnt sozusagen immer wieder von vorn, und das macht es auch so spannend.“Ajkic würde sich immer wieder für diesen Beruf entscheide­n und hofft, dass wieder mehr Menschen ihm folgten.

Mehr Männer braucht es im Übrigen aus seiner Sicht in den Kindergärt­en und Kitas nicht, sondern vielmehr etwas anderes. „Mehr Vielfalt, denn gerade auch in diesem Job braucht es ein Abbild der Gesellscha­ft.“

 ?? Foto: Katrin Kretzmann ?? Aufmerksam lauschen die Kleinen im Haus für Kinder in Karlshuld der Geschichte, die Daniel Ajkic ihnen vorliest. Der 25-Jährige arbeitet dort als Erzieher – ein Beruf, der ihn Tag für Tag erfüllt.
Foto: Katrin Kretzmann Aufmerksam lauschen die Kleinen im Haus für Kinder in Karlshuld der Geschichte, die Daniel Ajkic ihnen vorliest. Der 25-Jährige arbeitet dort als Erzieher – ein Beruf, der ihn Tag für Tag erfüllt.

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