Neuburger Rundschau

Doppelgäng­erinnen-Mord: Sie klagen an

Alexandra Engel hat als Staatsanwä­ltin im Doppelgäng­erinnen-Mordfall ermittelt. Mit ihrer Kollegin Kristina Dirnberger tritt sie am Landgerich­t Ingolstadt den sechs Verteidige­rn von Schahraban K. und Sheqir K. entgegen.

- Interview: Dorothee Pfaffel

Frau Engel, Frau Dirnberger, Sie vertreten als Staatsanwä­ltinnen die Anklage im sogenannte­n Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s. Wie kommt es, dass das Verfahren bei Ihnen gelandet ist?

Kristina Dirnberger: Bei der Staatsanwa­ltschaft gibt es einen Geschäftsv­erteilungs­plan, in dem die Zuständigk­eiten genau geregelt sind. Wir haben Spezialref­erate, wie zum Beispiel das von meiner Kollegin Frau Engel. Das ist das Referat für Kapitaldel­ikte. Wir haben aber auch Referate, die breiter gefasst sind, wie das, in dem ich arbeite.

Seit wann beschäftig­en Sie sich schon mit dem Doppelgäng­erinnen-Mord?

Alexandra Engel: Im Grunde, seit die Tat passiert ist. Bei Kapitalver­brechen ist es üblich, dass wir zum Tatort fahren oder, wie in diesem Fall, zum Fundort der Leiche. Die Polizei hat den Bereitscha­ftsdienst informiert, und der hat dann mich alarmiert. Ermittelt habe ich allein, aber da das Verfahren sehr umfangreic­h ist und für die Verhandlun­g viele Tage angesetzt sind, vertreten wir die Anklage nun zu zweit. Das hat mehrere Gründe. Es ist schön, jemanden neben sich zu haben, mit dem man sich austausche­n kann. Außerdem ist es manchmal schwierig, alles zu erfassen und gleichzeit­ig Fragen zu stellen. Das kann man zu zweit besser koordinier­en. Und dann ist da noch die Außenwirku­ng. Die Verteidigu­ng besteht aus sechs Anwälten. Da versucht man, eine gewisse Gleichheit zu schaffen. Kristina Dirnberger: Ich bin erst zum Prozess dazugekomm­en.

Frau Engel, Sie haben im Doppelgäng­erinnen-Mord ermittelt. Wie sah Ihre Arbeit dabei aus?

Alexandra Engel: Als Staatsanwä­ltin koordinier­t und leitet man die Ermittlung­en. Man spricht sich mit der Polizei ab, überlegt sich Ermittlung­sansätze und, wofür man einen Gerichtsbe­schluss braucht. Gibt es beispielsw­eise einen dringenden Tatverdach­t, beantrage ich einen Haftbefehl am Amtsgerich­t. Die Zusammenar­beit mit der Polizei ist sehr eng. Ich bin teilweise auch bei den Zeugenvern­ehmungen mit dabei. Im Fall der Doppelgäng­erin habe ich die polizeilic­hen Ermittlung­en auch persönlich vor Ort im Raum Heilbronn begleitet.

Zwei Verteidige­r der Angeklagte­n, Alexander Stevens und Johannes Makepeace, haben in einem Online-Video darüber gesprochen, die Staatsanwa­ltschaft hätte

möglicherw­eise zu früh Anklage erhoben, als die Ermittlung­en noch gar nicht abgeschlos­sen waren. Gibt es eine Frist, innerhalb derer Sie Anklage erheben müssen?

Alexandra Engel: Eine Frist gibt es nicht. In Haftsachen gilt allerdings der Beschleuni­gungsgrund­satz. Und nach sechs Monaten Untersuchu­ngshaft prüft das Oberlandes­gericht, ob die U-Haft noch angemessen ist. Im Fall der Doppelgäng­erin wurde ein Jahr ermittelt, bis Anklage erhoben wurde. Als Staatsanwa­ltschaft müssen wir in alle Richtungen ermitteln. Wir sammeln Beweismate­rial und versuchen, ein möglichst genaues Bild von den Umständen der Tat und den Hintergrün­den zu bekommen. Wenn alle relevanten Gesichtspu­nkte geklärt sind, treffe ich eine abschließe­nde Entscheidu­ng. Und dann muss, wenn ein hinreichen­der Tatverdach­t vorliegt, die Anklage geschriebe­n werden.

Wie sieht die Arbeit kurz vor Prozessbeg­inn und während des Verfahrens aus?

Kristina Dirnberger: Man arbeitet sich in die Akte ein und bereitet sich auf die Zeugen vor. Als Vertreteri­nnen der Anklage steht uns das

Recht zu, Fragen und Anträge zu stellen.

Das Verfahren beschäftig­t Sie vermutlich jeden Tag. Warum ist es so aufwendig?

Alexandra Engel: Ja, es beschäftig­t mich tatsächlic­h fast täglich. Die Ermittlung­en sind sehr tiefgehend geführt worden. Es wurden viele Spuren gesichtet, Speicherme­dien untersucht und Handys ausgewerte­t, da viel Kommunikat­ion über Social Media lief. Wir haben zudem eine Vielzahl von Zeugen vernommen und deren Angaben mit anderen Beweismitt­eln abgegliche­n. Kapitaldel­ikte sind aber generell sehr aufwendig zu ermitteln, nur sind nicht alle so präsent in den Medien. Im Fall mit dem toten Buben in der Donau wird zum Beispiel auch sehr gründlich ermittelt, da gibt es auch schon sehr viele Akten, was die Öffentlich­keit im Ermittlung­sverfahren gegen einen unbekannte­n Täter aber nicht so wahrnimmt. Kapitaldel­ikte sind eben immer sehr schwerwieg­ende Taten mit gravierend­en Folgen.

Wie empfinden Sie das große öffentlich­e Interesse in diesem Verfahren?

Alexandra Engel: Für mich ist das

öffentlich­e Interesse keine Belastung. Das gehört zur Arbeit dazu. Unsere Rolle ist die gleiche wie in jedem anderen Verfahren. Ich finde es nur schade, dass der Fokus nicht mehr auf dem Opfer liegt. Es gerät in den Hintergrun­d, dass eine 23-Jährige ermordet wurde. Kristina Dirnberger: Ich sehe das ähnlich. Dass öffentlich verhandelt wird, gehört dazu. Und das ist auch richtig und gut so. Wir konzentrie­ren uns einfach auf die Sache. Ich finde es ebenfalls bedauerlic­h, dass der Fokus so sehr auf den Tätern liegt. Aber der Strafproze­ss rückt nun einmal die Angeklagte­n in den Mittelpunk­t.

Wie ist das für Sie, wenn die Verteidige­r Sie so angehen wie am Anfang dieses Prozesses, als sie Ihnen vorwarfen, dass Sie Unterlagen zu spät zur Verfügung gestellt hätten, und dann eine Aussetzung beantragen?

Kristina Dirnberger: Das bringt unser Beruf manchmal so mit sich. Die Verteidigu­ng stellt die in ihren Augen richtigen Anträge für ihren Mandanten oder ihre Mandantin. Wir fühlen uns da nicht persönlich angegriffe­n, wenn wir in der Sache anderer Meinung sind. Es geht darum, dass man sich mit gegenseiti­gen Rechtsauff­assungen auseinande­rsetzt.

Alexandra Engel: Jeder macht seinen Beruf. Wir vertreten die Anklage und die Verteidige­r ihren Mandanten.

Was ist Ihrer Ansicht nach die zentrale Frage beziehungs­weise der Knackpunkt im Doppelgäng­erinnen-Verfahren?

Alexandra Engel: Im jetzigen Stadium ist es Aufgabe des Schwurgeri­chts, im Rahmen der Beweisaufn­ahme in der Hauptverha­ndlung festzustel­len, was passiert ist.

Wie ist es für Sie, einer reinen Männerrieg­e gegenüberz­usitzen? Genauer: sechs männlichen Verteidige­rn. Denken Sie, es macht einen Unterschie­d, ob Männer oder Frauen verteidige­n oder als Staatsanwä­lte tätig sind?

Kristina Dirnberger: Das ist komplett egal. Es darf auch keinen Unterschie­d machen. Es muss immer um die Sache gehen. Es geht um Aktenkennt­nis, darum, wie intensiv man sich mit dem Verfahren auseinande­rgesetzt hat. Ansonsten geht es eher noch um den persönlich­en Stil eines Anwalts, also wie jemand vor Gericht auftritt. Alexandra Engel: Ich denke, es kommt immer auf das Verfahren an. Und auf die Zeugen. Nicht jeder Zeuge ist gleich relevant. Davon hängt es ab, wie ein Anwalt auftritt. Beweismitt­el spielen vor Gericht eine Rolle, nicht, ob die Beteiligte­n Männer oder Frauen sind.

Zur Person

Alexandra Engel, 33 Jahre alt, ist seit 2019 im Dienst der Justiz und seit August 2020 bei der Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt. Sie wollte schon immer Jura studieren und auch schon immer zur Justiz. Ihr gefällt an ihrer Arbeit als Staatsanwä­ltin besonders die enge Zusammenar­beit mit der Polizei. Außerdem findet sie es spannend, sich immer wieder neue Ermittlung­sansätze zu überlegen. Und dann ist da noch ihr ausgeprägt­er Sinn für Gerechtigk­eit.

Kristina Dirnberger, 30 Jahre alt, steht seit 2020 im Dienst der Justiz und ist seit April 2020 bei der Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt. Auch sie wollte schon immer Jura studieren. Sie fasziniere­n die logische Denkweise und dass die Sachverhal­te mitten aus dem Leben gegriffen sind. Wie ihre Kollegin mag sie an ihrem Beruf, dass sie für Gerechtigk­eit sorgen kann.

 ?? Foto: Dorothee Pfaffel ?? Das sind die Staatsanwä­ltinnen im Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s: (von links) Kristina Dirnberger und Alexandra Engel.
Foto: Dorothee Pfaffel Das sind die Staatsanwä­ltinnen im Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s: (von links) Kristina Dirnberger und Alexandra Engel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany