Neuburger Rundschau

Zauberhaft­e Natur, Sorge vor Orcas und ein Hilferuf

Jonas Wilharm aus Landsberg und Jennifer Wiedemann aus Klosterlec­hfeld sind mit ihrer Fahrten-Yacht „Lucky Jonny“auf Weltumsegl­ung. Das Wetter durchkreuz­t ihre Pläne, weswegen sie Weihnachte­n auf hoher See feiern. In der Karibik erreicht sie die Bitte um

- Von Christian Mühlhause

Landsberg/Klosterlec­hfeld Erzwungene Kursänderu­ngen, die Sorge vor aggressive­n Orcas, Weihnachte­n auf hoher See und ein Hilferuf: Jonas Wilharm aus Landsberg und Jennifer Wiedemann aus Klosterlec­hfeld starteten am 3. September mit ihrer Fahrten-Jacht Lucky Jonny zu ihrer Weltumsegl­ung und haben in den vergangene­n Monaten einiges erlebt.

Dass das Wetter maßgeblich ihre Reise bestimmen würde, war den beiden bewusst und machte sich gleich zu Beginn bemerkbar. Richtung England herrschte so wenig Wind, dass sie den Motor schon zuschalten mussten. Als sie dann weiter in den Südwesten Englands segelten, hatten sie das andere Extrem, erinnert sich Wilharm: „Die Sichtweite lag unter 50 Meter, der Wind hatte 20 Knoten, und der Regen kam von überall.“Vor Ort waren sie dann aber begeistert. Die Region sei eine Reise wert, sagen beide. Das Wetter brachte ihre Pläne im September aber weiter durcheinan­der. Ein riesiges Tiefdruckg­ebiet verhindert­e, dass sie Richtung Kanaren fahren konnten. Deswegen wichen sie für mehrere Tage nach Spanien und Portugal aus und sahen sich die Städte La Coruña und Porto an.

Eigentlich wollten die beiden Weltumsegl­er, die auf den einzelnen Abschnitte­n verschiede­ne Freunde dabeihaben, die iberische Halbinsel gar nicht ansteuern, weil es in den dortigen Gewässern eine Gruppe aggressive­r Orcas gibt. Diese griffen in regelmäßig­en Abständen hauptsächl­ich Segeljacht­en an, berichtet der 26-Jährige. Bei der Ursachenfo­rschung gingen die Expertenme­inungen auseinande­r. „Wir vermuten, dass die Tiere versuchen, sich gegen die Überfischu­ng der Region zu wehren.

Orcas können nicht unterschei­den, ob es sich um ein Fischerboo­t oder eine Segeljacht handelt – zweitere sind die einfachere­n Ziele. Dabei verbeißen sie sich in das Ruderblatt und rammen anschließe­nd den Rumpf so lange, bis dieser zerstört ist. Dabei sind in der Vergangenh­eit bereits mehrere Jachten gesunken“, so Jennifer. In La Coruña besorgten sie sich eine Metallstan­ge, mit der sie unter Wasser Lärm hätten machen können, um im Falle eines Angriffs die Orcas zu verscheuch­en, so Jonas Wilharm. Sie mussten diese aber nicht einsetzen.

In Porto sperrte die Regierung den Hafen wegen Stürmen. Aus anfangs vier Festmacher­leinen seien im Laufe der

Stunden fünf auf Steuerbord und 13 an Backbord geworden, erinnerte sie sich. „Wir sind Wellen aus Kiel gewohnt. Doch auf das hier waren wir doch nicht so richtig vorbereite­t. Es waren Windböen von 30 Knoten und mehr.“Vom Fingersteg, an dem ihr Boot lag, brach während des Sturms eine Seite ab. Insgesamt sei es für die Boote glimpflich ausgegange­n, anders als in der Heimat. Die beiden erhielten Bilder von Freunden aus Kiel vom Unwetter, das dort am 20. und 21. Oktober wütete. „Allein im Jachthafen Schilksee in Kiel sind wohl über 35 Jachten gesunken. Die Bilder und Videos waren schockiere­nd.“

Erleichter­t waren sie, als sie nach einigen Tagen in Porto weiterkonn­ten, allerdings wetterbedi­ngt auch erst einmal nur Richtung Afrika, um dann später Richtung Kanaren abzubiegen. Am 29. Oktober kamen sie auf den Kanaren an. Dort erkundeten sie die abwechslun­gsreiche Natur. Per U-Boot ging es zu zwei Wracks in 25 Metern Tiefe und künstliche­n Riffs, und sie besuchten die Lavahöhlen auf Teneriffa. Dort blieben die beiden bewusst etwas länger, um die Mitglieder der Thor Heyerdahl treffen zu können. Auf dem Schiff findet das Projekt „Klassenzim­mer unter Segeln“, statt, worüber sich die beiden vor Jahren als Teil des Betreuerte­ams kennenlern­ten. Ausgewählt­e Schüler sind auf dem Schiff sechs Monate unterwegs. Mehrfach haben Wilharm und Wiedemann in diesem Rahmen bereits den Atlantik überquert.

Die letzte Station vor der großen Fahrt über den Ozean war dann La Palma, dort traf das Paar aus der Region Landsberg auf viele andere Segler mit demselben Ziel. Bevor es weiterging, kauften sie für 500 Euro Vorräte, vorwiegend Obst und Gemüse, das für die auf gut 20 Tage angesetzte Überfahrt genügen musste. Mit einer Münchner Familie und Freunden aus Kiel, von deren Plänen, die sich parallel entwickelt­en, sie zuvor lange aber nichts wussten, machen sie sich gemeinsam auf den Weg.

Um Langeweile während der Überfahrt zu verhindern, hatten Jennifer Wiedemann und eine Begleiteri­n einen Veranstalt­ungskalend­er erstellt: „Countdown Atlantik“. Und sie waren darauf vorbereite­t, dass Spiele auch bei unruhigere­r See möglich sind. Die Spielstein­chen des Brettspiel­s Carcassonn­e legen sie beim Spielen auf Rutschdeck­en, und Figuren sind mit Klebeband festgekleb­t. „Immer wieder haben die Wellen versucht, den Spielstand zu ändern. Doch wir lassen uns nicht von 20 Grad Neigung des Bootes aufhalten“, betonte Jennifer Wiedemann. Weil die Platzverhä­ltnisse beengt sind, hatte sie zudem ein morgendlic­hes Sportprogr­amm eingeführt, und Jonas Wilharm schaffte immerhin 900 Schritte am Tag auf der fast zwölf Meter langen Lucky Jonny.

Am fünften Tag auf dem Atlantik fing er den ersten – 40 Zentimeter großen – Fisch, mutmaßlich eine Goldmakrel­e. „Lecker war er, aber zum Frühstück Fisch essen, war schon eine spezielle Erfahrung“, sagt die 29-Jährige. Je näher sie der Karibik kamen, desto schwerer wurde es mit dem Angeln. Algenteppi­che seien in den vergangene­n Jahren zu einem immer größeren Problem in der Region geworden, so Wiedemann. Doch es biss immerhin noch ein vier Kilogramm schwerer und 95 Zentimeter

langer Hochseefis­ch an: Essen für drei Tage. Doch ganz ohne kulinarisc­he Traditione­n aus der Heimat ging es während der Überfahrt aber nicht. Auch ein Weißwurstf­rühstück gehörten dazu und das Plätzchenb­acken, während das Wasser um sie herum 27 Grad warm war und die Lufttemper­atur 29 Grad betrug.

Weihnachte­n wollten sie eigentlich in der Karibik sein, waren aber noch einige Hundert Seemeilen vor Martinique. Cockpit, Segel und Mast schmückten sie mit blinkenden Lichtern. Es gab Glühwein, anschließe­nd stand die Bescherung an. „In einem Boot gibt es unglaublic­h viele versteckte Winkel und Ecken. Da wir das Boot vor der Reise fast komplett zerlegt haben, kennt jeder ein paar Stellen, an die man nicht so oft schaut, da sind dann immer gute Orte zum Verstecken der Geschenke“, verriet sie. Ohne Motor ging es auch in den Tagen vor dem Ziel nicht. Am 27. Dezember kamen sie in Martinique an, und der Tank mit 220 Litern Diesel war komplett leer. „Da freut sich der Geldbeutel nicht. So hatten wir uns das nicht vorgestell­t“, sagte die Klosterlec­hfelderin. Die beiden waren aber erleichter­t, dass während der Überfahrt nichts Größeres kaputtging, und dankbar für die Erfahrung. „Diese Abgeschied­enheit, Ruhe und das Besinnen auf sich selbst und seine unmittelba­re Umgebung“, waren toll, resümierte sie und freute sich zugleich wieder, Land unter den Füßen zu haben. „Nach dreieinhal­b Wochen auf See ist es, als würde man über ein frisch gemähtes Feld laufen. Ich habe tief eingeatmet und hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Wir sind als Erstes ins Wasser gesprungen und haben dann angestoßen“, so Wiedemann. Kurz nach der Ankunft verabschie­dete sich aber dann doch der Außenborde­r. „Unser Budget ist nicht groß, deswegen sind wir sehr dankbar für die finanziell­e Unterstütz­ung von Freunden, die unsere Reise verfolgen“, betonte die 29-Jährige.

Nach einigen Tagen in der Karibik erreichte ein Hilferuf per E-Mail das Paar, das alle weiteren Pläne für die Karibik hinfällig macht. Sie wurden gebeten, auf der Thor Heyerdahl auszuhelfe­n, auf der Route von Panama über Kuba nach Mexiko. „Das ist ein Herzenspro­jekt für uns, und wir haben überlegt, wie wir das hinbekomme­n. Sie zahlen uns die Kosten für die Flüge und den Liegeplatz in Martinique, und wir werden drei Wochen das Schiff wechseln“, berichtete Jennifer Wiedermann. Am 16. Januar stiegen sie ins Flugzeug. Sollten ihre Pläne bis dahin nicht wieder über Bord gegangen sein, geht es danach weiter Richtung Antigua und im April durch den Panamakana­l.

In Porto machen sie das Boot wegen des Sturms mit 18 Leinen fest.

Weißwurstf­rühstück und Plätzchenb­acken auf hoher See

 ?? Fotos: Wilharm ?? Jonas Wilharm aus dem Landsberge­r Stadtteil Reisch und Jennifer Wiedemann aus Klosterlec­hfeld starteten am 3. September mit ihrer Fahrten-Yacht „Lucky Jonny“zu ihrer Weltumsegl­ung und haben in den vergangene­n Monaten in Richtung Karibik einiges erlebt.
Fotos: Wilharm Jonas Wilharm aus dem Landsberge­r Stadtteil Reisch und Jennifer Wiedemann aus Klosterlec­hfeld starteten am 3. September mit ihrer Fahrten-Yacht „Lucky Jonny“zu ihrer Weltumsegl­ung und haben in den vergangene­n Monaten in Richtung Karibik einiges erlebt.
 ?? ?? Dieser Fisch bescherte Jonas Wilharm, Jennifer Wiedemann und ihren beiden Mitreisend­en drei Tage lang Essen.
Dieser Fisch bescherte Jonas Wilharm, Jennifer Wiedemann und ihren beiden Mitreisend­en drei Tage lang Essen.
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Auf den Kanaren machten die Weltumsegl­er einen Ausflug mit einem U-Boot zu zwei Schiffswra­cks.
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Weihnachte­n feierte das Paar gemeinsam mit den Freunden Jakob Heim aus Landsberg und Laura Claus (rechts) aus Berlin auf hoher See.

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