Neuburger Rundschau

„Ich will in so einer Partei nicht sein“

Am 2. März kommt Hubert Aiwanger zum Starkbierf­est nach Neuburg. Anita Kerner und Noppo Heine werden sicherlich nicht dabei sein. Im Gegenteil: Sie treten jetzt aus den Freien Wählern aus.

- Von Claudia Stegmann

Die Entscheidu­ng steht. Schon seit Langem gärt es in Anita Kerner und Noppo Heine, immer wieder haderten sie. Dass sie ausgerechn­et jetzt einen Schlussstr­ich ziehen und aus den Freien Wählern austreten, hat mit Hubert Aiwanger zu tun. Und irgendwie auch mit Florian Herold. Denn der Neuburger Ortsvorsit­zende der Freien Wähler habe den mittlerwei­le umstritten­en Wirtschaft­sminister zum Starkbierf­est am 2. März ins Kolpinghau­s eingeladen. Einen, der bei der Flugblatt-Affäre herumgeeie­rt habe und den Demos gegen Rechtsextr­emismus fernbleibt, weil er sie linksextre­mistisch unterwande­rt sieht. „Ich will in so einer Partei nicht sein“, sagt Noppo Heine, und Anita Kerner stimmt ihm zu. Deswegen steht für beide fest: Der Austritt aus den Freien Wählern ist hiermit besiegelt.

Sie seien nicht die Einzigen, die so empfinden, sagt Noppo Heine. Auch andere Mitglieder, die nicht öffentlich mit ihrem Namen dazu stehen wollen, würden mittlerwei­le mit den Freien Wählern hadern und über einen Austritt nachdenken. In der Statistik der Freien Wähler spiegelt sich dieser Eindruck bislang allerdings nicht wider: Florian Herold berichtet von kaum nennenswer­ten Bewegungen im Neuburger Ortsverban­d – sowohl bei den Austritten als auch bei den Neuzugänge­n. Einen einzigen Austritt habe er jüngst erhalten, der seiner Meinung nach aber nichts mit Aiwanger zu tun hat. „Wir sind kommunalpo­litisch aktiv und werden hier nicht als Aiwanger-Haufen wahrgenomm­en“, ist er überzeugt. Insofern hätten weder die Flugblatt-Affäre noch die Diskussion­en um seine Omnipräsen­z auf den Bauernprot­esten Spuren im Ortsverban­d hinterlass­en.

Dass Hubert Aiwanger dieses Jahr das Starkbierf­est in Neuburg besucht, sei eher einem Zufall geschuldet und nicht explizit von ihm ausgegange­n, betont Herold. Schon seit vielen Jahren gebe es den Wunsch in der Partei, den Landesvors­itzenden einmal zur Traditions­veranstalt­ung zu holen. Das klappte terminlich allerdings nie bis Aiwanger im Vorfeld der Landtagswa­hl zu Besuch in Ammerfeld war und sich seines Verspreche­ns erinnerte. „Mensch Florian, ich wollt’ doch mal zu euch kommen“, soll er zu Herold gesagt haben – und schon stand der Termin fest. Geplant sei, dass er eingangs etwa 20 Minuten reden werde. „Wie lange er danach allerdings bleibt, weiß ich nicht“, sagt Herold.

Was Hubert Aiwanger den Besucherin­nen und Besuchern des Starkbierf­ests zu sagen hat, werden Anita Kerner und Noppo Heine zumindest nicht aus erster Hand erfahren. „Ganz bestimmt nicht“werden sie die Veranstalt­ung besuchen – und wenn, dann höchstens mit einem Protestpla­kat in der Hand. Denn Aiwanger sei der Inbegriff dessen, was die beiden an der Entwicklun­g der Freien

Wähler kritisiere­n. Sie seien zu groß geworden, zu anonym, zu weit weg von den lokalen Belangen, für die sie einst standen. Als „freie“Wähler, im wahrsten Sinne des Wortes, fühlen sie sich schon lange nicht mehr. Als die FW Ende der 1990er-Jahre schließlic­h in den bayerische­n Landtag einziehen wollte und das im dritten Anlauf 2008 dann auch geschafft hat, „haben sie für mich die kommunale Ebene verlassen – und ab diesem Moment hat auch mein Herz für die Freien Wähler aufgehört zu schlagen“, benennt Heine sein Schlüssele­rlebnis.

Die Freien Wähler auf Landeseben­e – das ist für Anita Kerner ohnehin eine reine „Aiwanger-Partei“. „Er entscheide­t als Einziger über das Wohl und Weh eines jeden“, sagt die ehemalige Stadtund Kreisrätin und nennt als Beispiel Roland Weigert, der mutmaßlich seinen Ministerpo­sten verspielte, weil er Aiwanger eine weitere

Zusammenar­beit versagt hatte. Ein solches Parteigekl­üngel – ungeachtet des Wählervotu­ms – wollte sie nie haben. „Ich dachte, das gibt es bei den Freien Wählern nicht.“Nachdem ihr in den letzten Wochen und Monaten aber immer öfter die Nachrichte­n aus der Partei sauer aufgestoße­n waren, steht für sie fest: „Es wird endlich Zeit, den Freien Wählern den Rücken zu kehren.“

Es ist nicht ihr erster Rückzug aus der Partei. Nachdem sie sich mit OB Bernhard Gmehling überworfen hatte, war sie 2017 als Stadträtin zurückgetr­eten. Zwei Jahre später trat sie schließlic­h aus dem Neuburger Ortsverban­d aus. Damals hatte sich die neue Wählergrup­pe WIND gegründet – ein parteifrei­er Zusammensc­hluss von Menschen, denen die Belange Neuburgs wichtig sind. Diese Struktur ohne Parteibuch, in der sich „jeder nach dem eigenen Sachversta­nd richtet und nicht nach der Meinung

der Partei“, erinnerte Anita Kerner an die Anfänge der Freien Wähler. Beigetrete­n ist sie WIND allerdings bis heute nicht. Im FWKreisver­band, wo sie weiterhin Mitglied war, sah man es nicht gerne, wenn sie auf zwei Hochzeiten getanzt hätte, sagt sie. Ob sie jetzt zu WIND wechselt, lässt sie offen.

Ganz ähnlich sieht auch der ehemalige Oberbürger­meister Neuburgs, Hans-Günter Huniar, die Entwicklun­g der Freien Wähler. Er ist schon vor drei Jahren aus der Partei ausgetrete­n, weil auch ihm das Streben in Richtung Landesund Bundespoli­tik missfallen hat. Huniar war einst Mitglied der DU, sein Vorgänger Theo Lauber gehörte dem Bürgerbloc­k an – beides parteifrei­e Vereinigun­gen, die Ende der 1990er-Jahre in die Freien Wähler aufgegange­n sind. „Wir waren damals rein lokal orientiert“, sagt Huniar. Doch spätestens seit die FW „von diesem Hubsi Aiwanger gekapert wurde, bin ich nicht mehr einverstan­den, was da alles passiert. Dieser Politiksti­l gefällt mir überhaupt nicht“. Das Starkbierf­est, das während seiner Amtszeit ins Leben gerufen wurde, habe er schon seit Jahren nicht mehr besucht. Dass dieses Jahr Aiwanger zu Besuch kommt, ist für ihn aber ein Grund, erst recht nicht hinzugehen.

So hält es übrigens auch FWLandtags­abgeordnet­er Roland Weigert. Ein Zusammentr­effen zwischen ihm und seinem ehemaligen Chef wird es beim Starkbierf­est aus Termingrün­den nicht geben.

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Foto: Armin Weigel, dpa Hubert Aiwanger – der Parteichef der Freien Wähler – spaltet die Gemüter. Trotz oder auch wegen der Flugblatt-Affäre waren die Freien Wähler so beliebt wie nie. Seine Hau-drauf-Rhetorik erzeugt aber auch Kritik.
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Foto: Claudia Stegmann Anita Kerner und Noppo Heine kehren den Freien Wählern den Rücken – auch wegen Hubert Aiwanger.

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