Poledance – ein unterschätzter Sport
Viele haben der Sportart gegenüber Vorurteile. Doch dahinter steckt mehr als sinnliche Bewegung. Unsere Kollegin Laura Dietrich hat es in einem Neuburger Studio ausprobiert.
Neuburg Langsam und kontrolliert dreht sich die junge Frau an der Stange. Die Beine hat sie kraftvoll um das schlanke Metall gewickelt und gleitet allmählich nach unten, bis sie auf dem Boden aufkommt. Neben ihr hängt eine andere Tänzerin kopfüber an der Stange, nur durch die Kraft ihrer Beinmuskeln kann sie sich daran halten. Beide Frauen üben sich in Poledance, einer Form des Tanzes, die mit vielen Klischees behaftet ist. Ist es also eher eine Sache für zwielichtige Stripclubs oder doch eine ernst zu nehmende Sportart? Um diese Frage zu beantworten, habe ich in einem Neuburger Studio den Selbstversuch an der Stange gewagt.
Im Pole Spirit Neuburg können Frauen neben Zumba, Twerken und Stretching auch den Tanz an der Stange lernen. Junge Frauen mit scheinbar makellosen Körpern, die sich knapp bekleidet mit einer verführerisch-erotischen Leichtigkeit an der Stange bewegen. Das dürfte bei vielen das erste sein, was ihnen beim Gedanken an Poledance durch den Kopf geht. Doch wie Anita Uhlemann, Trainerin im Pole Spirit in Neuburg, mir erklärt, steckt dahinter eine anstrengende und fordernde Sportart. Das werde ich in der kommenden Stunde am eigenen Leib erfahren.
Poledance könne in jedem Alter und unabhängig von Statur und Größe ausgeübt werden kann, sagt Uhlemann. „Bei uns sind die Kurse wirklich bunt gemischt, von der Sechs- bis zur 61-Jährigen sind alle Altersgruppen vertreten.“Mir fällt auf, dass das Studio recht klein gehalten ist, sechs Stangen finden im Trainingsraum Platz. „Wir haben uns bewusst für ein kleineres Studio entschieden“, meint die Trainerin dazu. „Ich will jeder Teilnehmerin helfen, wenn sie eine Figur nicht hinbekommt. Dadurch, dass weniger Teilnehmerinnen in einem Kurs dabei sind, kann ich auf die Mädels viel mehr eingehen.“
Die Stunde startet mit einem kleinen Work-out zum warm werden. Nach einigen Dehnübungen und Planks stehen wir schließlich jeder vor seiner Stange. Für uns Anfängerinnen hat Uhlemann einige einfachere Übungen vorbereitet. Die erste Übung ist zugleich die schwerste, erklärt sie. Das Hochklettern an der Stange will geübt sein. Was bei der Trainerin so mühelos aussieht, ist tatsächlich mit viel Armmuskelkraft verbunden. Immer wieder muss man sich an der Stange hochziehen,
während die Beine um die Stange geklemmt werden. Die erfahreneren Teilnehmerinnen fangen derweil schon einmal mit komplizierteren Figuren an. Auch sie klettern erst an der Stange nach oben, fixieren sich anschließend lediglich mit einem Bein und einem Arm am Metall. Das andere Bein wird hinter den Rücken geholt und mit der freien Hand festgehalten. „Cupid“heißt die Pose, die von den Tänzerinnen nachgemacht wird, während die Anfängerinnen sich weiter am Klettern versuchen.
Nach der ersten Übung geht es an der drehenden Stange weiter. Uhlemann demonstriert, wie man sich richtig an die Stange hängt, um dann die Beine in einer Art
Sitzposition vor sich zu halten und sie anschließend wieder grazil von sich streckt. Ganz so ästhetisch sieht es bei mir allerdings nicht aus, mit jeder Übung merke ich, wie meine Armmuskeln schwächer werden. Die verschiedenen Figuren sind außerdem gar nicht so einfach nachzustellen. Oft ist mein Arm falsch um die Stange gelegt, schwer fällt mir auch, genug Spannung in den Beinen aufrechtzuerhalten, um nicht abzurutschen.
Die fortgeschrittenen Teilnehmerinnen üben derweil kleine Abfolgen verschiedener Figuren, klettern nach oben und halten sich waagerecht zum Boden in einer Pose, die sie „Superman“nennen. Auch bei ihnen läuft nicht immer
alles glatt – und so feuern sich die Frauen gegenseitig an, spenden Beifall, wenn die gewünschte Pose dann funktioniert. „Wir sind immer wie eine kleine Familie. Und wenn die Mädels hier reinkommen, ist ihre ganze Konzentration auf Poledance gerichtet. Man kann dabei einfach mal den Alltag ausblenden“, sagt mir Uhlemann stolz. Bei Poledance geht es vor allem um Muskelkraft und Ausdauer, für die Sportart gibt es weltweit Wettbewerbe und sogar eine Weltmeisterschaft. Aus den einzelnen Figuren können Choreografien zusammengestellt werden. „Man braucht dafür eigentlich keine Grundfitness, das baut sich dann langsam auf“, erklärt die Trainerin.
Die erste Stunde sei immer die schlimmste, weil man sich erst an die Stange gewöhnen müsse. Aber schon in der zweiten gebe es erste Fortschritte. „Wichtig ist in diesem Sport vor allem die konstante Wiederholung. Wer regelmäßig kommt, wird schneller mit der Stange vertraut und entwickelt ein Gefühl dafür.“
Zum Ende der Stunde schaffe ich es nicht einmal mehr, mich an der Stange hochzuziehen. Die Kraftreserven sind aufgebraucht und einige blaue Flecken werde ich, wie die anderen auch, wohl noch eine Weile als kleines Souvenir behalten. Doch auch wenn es anstrengend war, hat der Spaß am Ende doch überwogen.