Neuburger Rundschau

„Burgheim braucht mietbare Wohnungen“

In Burgheim entsteht eine Vision für das Ortszentru­m, die von den Bürgern selbst mit Leben gefüllt wird. Was ihnen wichtig ist, und welche konkreten Vorschläge es schon gibt.

- Von Claudia Stegmann

Die Marktstraß­e ist gesäumt mit Bäumen. Bänke an Brunnen oder Skulpturen laden zum Verweilen ein, aus einem geöffneten Fenster hört man Kindergart­enkinder singen. Auf der Terrasse des Begegnungs­cafés sitzen Senioren bei einer Tasse Kaffee, Mütter essen dort mit ihren Kindern ein Eis. An einem Automatenk­iosk zieht sich derweil ein junges Paar zwei Packungen Würstl zum Grillen – praktisch, denn es ist Sonntag und das Treffen mit ihren Nachbarn hatten sie spontan arrangiert. Sie wohnen gleich gegenüber am Marktplatz 3, in einem der sanierten Häuser, in denen Jung und Alt eine Hausgemein­schaft bilden.

Die Szenerie, die hier konstruier­t ist, könnte in Burgheim Realität werden. Denn die Bürgerinne­n und Bürger der Marktgemei­nde haben derzeit die Chance, ihren Ortskern so mitzugesta­lten, wie sie es sich wünschen. Unter dem Titel „Zukunftsfä­hige Innenstädt­e und Zentren“hat Burgheim vergangene­s Jahr ein mit Bundesmitt­eln finanziert­es Projekt gestartet, das zum Ziel hat, das Burgheimer Ortszentru­m nachhaltig zu entwickeln. Da geht es etwa um die künftige Nutzung von leer stehenden Gebäuden, aber auch um Verkehr, Klimaschut­z, Einzelhand­el, Kultur und Digitalisi­erung. Die Belange aller Altersgrup­pen sollen sich dabei im besten Fall wiederfind­en – von Kindern und Jugendlich­en, über junge Erwachsene bis zu Senioren.

Am Mittwoch durften die Burgheimer wieder an „ihrem Ortszentru­m“basteln. In Anlehnung an Pippi Langstrump­fs Motto „Ich mach’ mir mein Burgheim, wie es mir gefallen würde“konnten die rund 150 Besucherin­nen und Besucher der Bürgervers­ammlung ihre Präferenze­n darlegen. „Wir hatten heute einen guten Altersquer­schnitt und damit verschiede­ne Interessen – das macht den Abend sehr wertvoll“, bilanziert­e am Ende Architekt Ulrich Wieler, der den Prozess federführe­nd leitet.

Es sind eine ganze Reihe von Planungs- und Fachbüros damit beauftragt, die unterschie­dlichen Bereiche zu untersuche­n und Verbesseru­ngsbzw. Veränderun­gsvorschlä­ge zu machen. Welche davon gewünscht sind, sollen die Burgheimer entscheide­n. Und das war nach der Auftaktver­anstaltung im vergangene­n September erneut die primäre Aufgabe des Abends: An mehreren Pinnwänden sollten die Besucher ihre Meinung

abgeben, wie sie sich ihr Ortszentru­m vorstellen. Da ging es etwa um die Frage, welche zusätzlich­en Angebote es bräuchte, um den Ort lebendiger zu machen. Oder ob man Bedarf für Co-Working-Arbeitsplä­tze sieht. Auch um Fragen zum künftigen Wohnbedarf ging es. Soll mitten in Burgheim eine Kita entstehen? Braucht es eine Tagespfleg­e? Soll die Marktstraß­e zur Tempo-30-Zone werden?

Etwa eine Stunde lang wurden Aufkleber in die jeweiligen Felder verteilt, Anmerkunge­n notiert, das Für und Wider ausgelotet. Es war

ein reger Austausch – unter den Besuchern, aber auch mit den jeweiligen Fachplaner­n, die für Fragen zur Verfügung standen. Das genaue Ergebnis muss erst erarbeitet und ausgewerte­t werden, aber ein Blick auf die Plakate gab schon mal einen ersten Hinweis darauf, was den Burgheimer­n offenbar wichtig ist. Und dazu gehört unter anderem ein Begegnungs­café, eine Geschwindi­gkeitsredu­zierung in der Marktstraß­e, eine öffentlich­e Toilette und viel Grün. In der Bürgervers­ammlung wurden aber nicht nur Wünsche abgefragt, sondern

auch Ideen vorgestell­t. Wie beispielsw­eise, was aus den von der Gemeinde gekauften Häusern in der Marktstraß­e 3 und 21 passieren könnte. Stadtplane­r Rainer Wilhelm kommt zu dem Ergebnis: „Burgheim braucht mietbare Wohnungen.“Und deshalb sieht er dort das meiste Potenzial in barrierefr­eien Wohnungen, in denen es auch einen Gemeinscha­ftsbereich für die Hausgemein­schaft geben könnte. Im alten Stadel an der Marktstraß­e 3 könnte sich der Architekt grundsätzl­ich auch einen lokalen Lebensmitt­elmarkt vorstellen,

eine Art „Genussmanu­faktur“. Er gibt aber zu: „Ein solches Projekt wäre wesentlich ambitionie­rter, da müsste man wohl viel Energie reinstecke­n.“Die Planungsvo­rschläge umfassen nicht nur die räumliche Nutzung, sondern auch bauliche Veränderun­gen nach außen hin. Denn am Ende sollen die Maßnahmen nicht nur praktisch, sondern auch optisch ansprechen­d sein.

Eine visuelle Vorstellun­g haben die Gäste am Mittwoch auch von der geplanten Tagespfleg­eeinrichtu­ng bekommen. Die beiden Häuser,

die derzeit noch auf den Grundstück­en an der Georgi-/ Zieglerstr­aße stehen, werden wohl abgerissen – weil sich die Gebäude für die spätere Nutzung nur bedingt eignen, weil ein drittes Gebäude neu gebaut werden müsste und weil es dann keinen Platz mehr für Stellplätz­e gebe. Stattdesse­n ist die Idee, entlang der Straße einen Eckriegel zu errichten, in dem die Tagespfleg­e, betreutes Wohnen und ein öffentlich­es Café untergebra­cht werden.

Wie das dann aussehen könnte, sehen die Burgheimer auf einer neuen Plattform im Internet. Der „digitale Zwilling“des Marktes Burgheim ist seit Kurzem online und hat gegenüber Google Maps oder anderen Geodienste­n den Vorteil, dass die Ansicht mit Burgheim-spezifisch­en Gegebenhei­ten gefüttert werden kann. So können unter anderem Baulücken oder Leerstände angezeigt werden, es können aber auch geplante Neubauten eingepfleg­t werden – wie etwa die Tagespfleg­e. Der digitale Zwilling ist unter dz.burgheim.de für jeden einsehbar.

Was von all den Wünschen, Ideen und Plänen am Ende umgesetzt wird, entscheide­t sich voraussich­tlich 2025. Die Bürgerbete­iligung läuft noch dieses Jahr, es sind noch einige Treffen dafür vorgesehen. Natürlich kann die Gemeinde nur die Projekte umsetzen, über die sie auch Entscheidu­ngshoheit hat. Wenn es um private Gebäude und deren künftige Nutzung geht, müssen die Eigentümer mitmachen wollen. Für diesen Part ist die CIMA-Beratung zuständig. Sie hat bereits mit einigen Hausbesitz­ern gesprochen und will dies auch in den nächsten Monaten weiter tun.

Die Frage, was von all den Ideen am Ende realisiert wird, hängt natürlich auch von den finanziell­en Möglichkei­ten ab. „Das sind unsere Aufgaben“, machte Bürgermeis­ter Michael Böhm mit Blick auf das Thema Wohnen im Alter deutlich. Diese freiwillig­en Aufgaben seien „Dinge, die eine Kommune stemmen muss und will“. Doch dazu braucht es Geld. Und um dieses Geld sieht sich aktuell nicht nur der Burgheimer Rathausche­f beraubt. „Ich brauche keine goldenen Kloschüsse­ln am Descartes, wenn es in meine Turnhalle beim Dach reinregnet“, überspitzt er die aktuelle Diskussion um die Sparmaßnah­men im Landkreis.

Wie berichtet, sieht sich offenbar ein Großteil der Bürgermeis­ter über die Maßen finanziell durch die Ausgaben des Landkreise­s strapazier­t, sodass teilweise die eigenen Aufgaben nicht mehr erfüllt werden können.

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Fotos: Claudia Stegmann Ein großes Plakat zeigte den Besuchern der Bürgervers­ammlung das abgesteckt­e Areal, das im Fokus der Entwicklun­g steht. Es geht vor allem um den Ortskern, der belebt und fit für die Zukunft gemacht werden soll.
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Es grünt so grün in Burgheim: Teilnehmer gestalten die Marktstraß­e nach ihren Vorstellun­gen.
 ?? ?? So sieht der erste Entwurfsvo­rschlag für die Tagespfleg­e und die betreuten Wohnungen in Burgheim aus.
So sieht der erste Entwurfsvo­rschlag für die Tagespfleg­e und die betreuten Wohnungen in Burgheim aus.

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