„Burgheim braucht mietbare Wohnungen“
In Burgheim entsteht eine Vision für das Ortszentrum, die von den Bürgern selbst mit Leben gefüllt wird. Was ihnen wichtig ist, und welche konkreten Vorschläge es schon gibt.
Die Marktstraße ist gesäumt mit Bäumen. Bänke an Brunnen oder Skulpturen laden zum Verweilen ein, aus einem geöffneten Fenster hört man Kindergartenkinder singen. Auf der Terrasse des Begegnungscafés sitzen Senioren bei einer Tasse Kaffee, Mütter essen dort mit ihren Kindern ein Eis. An einem Automatenkiosk zieht sich derweil ein junges Paar zwei Packungen Würstl zum Grillen – praktisch, denn es ist Sonntag und das Treffen mit ihren Nachbarn hatten sie spontan arrangiert. Sie wohnen gleich gegenüber am Marktplatz 3, in einem der sanierten Häuser, in denen Jung und Alt eine Hausgemeinschaft bilden.
Die Szenerie, die hier konstruiert ist, könnte in Burgheim Realität werden. Denn die Bürgerinnen und Bürger der Marktgemeinde haben derzeit die Chance, ihren Ortskern so mitzugestalten, wie sie es sich wünschen. Unter dem Titel „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“hat Burgheim vergangenes Jahr ein mit Bundesmitteln finanziertes Projekt gestartet, das zum Ziel hat, das Burgheimer Ortszentrum nachhaltig zu entwickeln. Da geht es etwa um die künftige Nutzung von leer stehenden Gebäuden, aber auch um Verkehr, Klimaschutz, Einzelhandel, Kultur und Digitalisierung. Die Belange aller Altersgruppen sollen sich dabei im besten Fall wiederfinden – von Kindern und Jugendlichen, über junge Erwachsene bis zu Senioren.
Am Mittwoch durften die Burgheimer wieder an „ihrem Ortszentrum“basteln. In Anlehnung an Pippi Langstrumpfs Motto „Ich mach’ mir mein Burgheim, wie es mir gefallen würde“konnten die rund 150 Besucherinnen und Besucher der Bürgerversammlung ihre Präferenzen darlegen. „Wir hatten heute einen guten Altersquerschnitt und damit verschiedene Interessen – das macht den Abend sehr wertvoll“, bilanzierte am Ende Architekt Ulrich Wieler, der den Prozess federführend leitet.
Es sind eine ganze Reihe von Planungs- und Fachbüros damit beauftragt, die unterschiedlichen Bereiche zu untersuchen und Verbesserungsbzw. Veränderungsvorschläge zu machen. Welche davon gewünscht sind, sollen die Burgheimer entscheiden. Und das war nach der Auftaktveranstaltung im vergangenen September erneut die primäre Aufgabe des Abends: An mehreren Pinnwänden sollten die Besucher ihre Meinung
abgeben, wie sie sich ihr Ortszentrum vorstellen. Da ging es etwa um die Frage, welche zusätzlichen Angebote es bräuchte, um den Ort lebendiger zu machen. Oder ob man Bedarf für Co-Working-Arbeitsplätze sieht. Auch um Fragen zum künftigen Wohnbedarf ging es. Soll mitten in Burgheim eine Kita entstehen? Braucht es eine Tagespflege? Soll die Marktstraße zur Tempo-30-Zone werden?
Etwa eine Stunde lang wurden Aufkleber in die jeweiligen Felder verteilt, Anmerkungen notiert, das Für und Wider ausgelotet. Es war
ein reger Austausch – unter den Besuchern, aber auch mit den jeweiligen Fachplanern, die für Fragen zur Verfügung standen. Das genaue Ergebnis muss erst erarbeitet und ausgewertet werden, aber ein Blick auf die Plakate gab schon mal einen ersten Hinweis darauf, was den Burgheimern offenbar wichtig ist. Und dazu gehört unter anderem ein Begegnungscafé, eine Geschwindigkeitsreduzierung in der Marktstraße, eine öffentliche Toilette und viel Grün. In der Bürgerversammlung wurden aber nicht nur Wünsche abgefragt, sondern
auch Ideen vorgestellt. Wie beispielsweise, was aus den von der Gemeinde gekauften Häusern in der Marktstraße 3 und 21 passieren könnte. Stadtplaner Rainer Wilhelm kommt zu dem Ergebnis: „Burgheim braucht mietbare Wohnungen.“Und deshalb sieht er dort das meiste Potenzial in barrierefreien Wohnungen, in denen es auch einen Gemeinschaftsbereich für die Hausgemeinschaft geben könnte. Im alten Stadel an der Marktstraße 3 könnte sich der Architekt grundsätzlich auch einen lokalen Lebensmittelmarkt vorstellen,
eine Art „Genussmanufaktur“. Er gibt aber zu: „Ein solches Projekt wäre wesentlich ambitionierter, da müsste man wohl viel Energie reinstecken.“Die Planungsvorschläge umfassen nicht nur die räumliche Nutzung, sondern auch bauliche Veränderungen nach außen hin. Denn am Ende sollen die Maßnahmen nicht nur praktisch, sondern auch optisch ansprechend sein.
Eine visuelle Vorstellung haben die Gäste am Mittwoch auch von der geplanten Tagespflegeeinrichtung bekommen. Die beiden Häuser,
die derzeit noch auf den Grundstücken an der Georgi-/ Zieglerstraße stehen, werden wohl abgerissen – weil sich die Gebäude für die spätere Nutzung nur bedingt eignen, weil ein drittes Gebäude neu gebaut werden müsste und weil es dann keinen Platz mehr für Stellplätze gebe. Stattdessen ist die Idee, entlang der Straße einen Eckriegel zu errichten, in dem die Tagespflege, betreutes Wohnen und ein öffentliches Café untergebracht werden.
Wie das dann aussehen könnte, sehen die Burgheimer auf einer neuen Plattform im Internet. Der „digitale Zwilling“des Marktes Burgheim ist seit Kurzem online und hat gegenüber Google Maps oder anderen Geodiensten den Vorteil, dass die Ansicht mit Burgheim-spezifischen Gegebenheiten gefüttert werden kann. So können unter anderem Baulücken oder Leerstände angezeigt werden, es können aber auch geplante Neubauten eingepflegt werden – wie etwa die Tagespflege. Der digitale Zwilling ist unter dz.burgheim.de für jeden einsehbar.
Was von all den Wünschen, Ideen und Plänen am Ende umgesetzt wird, entscheidet sich voraussichtlich 2025. Die Bürgerbeteiligung läuft noch dieses Jahr, es sind noch einige Treffen dafür vorgesehen. Natürlich kann die Gemeinde nur die Projekte umsetzen, über die sie auch Entscheidungshoheit hat. Wenn es um private Gebäude und deren künftige Nutzung geht, müssen die Eigentümer mitmachen wollen. Für diesen Part ist die CIMA-Beratung zuständig. Sie hat bereits mit einigen Hausbesitzern gesprochen und will dies auch in den nächsten Monaten weiter tun.
Die Frage, was von all den Ideen am Ende realisiert wird, hängt natürlich auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. „Das sind unsere Aufgaben“, machte Bürgermeister Michael Böhm mit Blick auf das Thema Wohnen im Alter deutlich. Diese freiwilligen Aufgaben seien „Dinge, die eine Kommune stemmen muss und will“. Doch dazu braucht es Geld. Und um dieses Geld sieht sich aktuell nicht nur der Burgheimer Rathauschef beraubt. „Ich brauche keine goldenen Kloschüsseln am Descartes, wenn es in meine Turnhalle beim Dach reinregnet“, überspitzt er die aktuelle Diskussion um die Sparmaßnahmen im Landkreis.
Wie berichtet, sieht sich offenbar ein Großteil der Bürgermeister über die Maßen finanziell durch die Ausgaben des Landkreises strapaziert, sodass teilweise die eigenen Aufgaben nicht mehr erfüllt werden können.