Neuburger Rundschau

Wie wohnt man menschenwü­rdig?

Das Theater Poetenpack entführt mit „Franziska Linkerhand“das Neuburger Publikum in die DDR-Zeit.

- Von Elke Böcker

Einen ganz besonderen Abend bescherte das Theater Poetenpack aus Potsdam dem Neuburger Publikum im Stadttheat­er. Mit ihrer Interpreta­tion des Romans „Franziska Linkerhand“von Brigitte Reimann zeigte das Theater einerseits einen historisch­en Blick auf den Alltag in der ehemaligen DDR und gleichzeit­ig die fasziniere­nde Sequenz eines Entwicklun­gsromans.

Marianna Linden als energiegel­adene, höchst authentisc­h wirkende Titelfigur „Franziska Linkerhand“, Peter Wagner unter anderem als deren geliebter Bruder Wilhelm oder als tiefenents­pannter Kollege Jazwauk und André Kudella, neben einigen anderen Rollen, als Franziskas Chef Schafheutl­in – im erst noch entstehend­en Kombinat Neustadt – holen ihr Publikum sehr schnell mitten ins Bühnen-Geschehen. Hier – unter der Regie von Gislén Engelmann, die auch die gekonnte Bühnenfass­ung geschriebe­n hat – soll eine neue Stadt entstehen.

Schnell prallen die verschiede­nen Welten, die unterschie­dlichen Lebensmode­lle und natürlich auch die Visionen der Figuren aufeinande­r. Franziska, Jahrgang

1938, die den nahtlosen Übergang vom nationalso­zialistisc­hen Faschismus zum bolschewis­tischen Sozialismu­s erlebt hat, hat ganz eigene Träume. Sie will Häuser bauen, die „ihren Bewohnern das Gefühl von Freiheit und Würde geben“.

Doch zwischen ihrer immer weniger erfüllende­n Arbeit als Architekti­n in einer fast menschenfe­indlichen Planstadt und den zur Auswahl stehenden, eher ungeeignet­en Männern hin und her geworfen, kann sie diese Träume kaum

verwirklic­hen. Doch mit mitreißend­en jugendlich­em Elan führt sie unermüdlic­h ihren eigenen Kampf um den Aufbau einer lebenswert­en Stadt.

Ihre Utopie scheitert immer mehr an den ökonomisch­en Vorgaben

des Arbeiter- und Bauernstaa­tes. Marianna Linden lebt gleichsam diese junge, starke Frau, die nicht aufgeben möchte. Für die „Bankrotter­klärung der Architektu­r“möchte sie nicht verantwort­lich sein.

André Kudella als ihr Chef Schafheutl­e – der übrigens nicht in den hässlichen Plattenbau­ten von Neustadt wohnt, sondern mit Familie im Eigenheim – ist privat höchst fasziniert von der jungen Architekti­n, doch beruflich linientreu.

Kurzweilig­er Rückblick auf gescheiter­te Visionen

Peter Wagner als ihr eigennützi­ger Kollege sorgt für eine weitere Facette im intensiven Blick auf die vergangene DDR.

Gemeinsam gelingt den drei Schauspiel­ern ein kurzweilig­er Rückblick auf gescheiter­te gesellscha­ftliche Visionen, aber auch eine höchst aktuelle Inspiratio­n. Denn die Frage, wie wollen und können wir gemeinsam und menschenwü­rdig wohnen und leben, ist aktueller denn je. So hat die Bühnen einmal mehr den Blick über den Tellerrand ermöglicht und für allerfeins­te Unterhaltu­ng gesorgt. Sehr schön!

 ?? Foto: Elke Böcker ?? Marianna Linden und Peter Wagner stehen im Stück „Franziska Linkerhand“auf der Bühne des Neuburger Stadttheat­ers.
Foto: Elke Böcker Marianna Linden und Peter Wagner stehen im Stück „Franziska Linkerhand“auf der Bühne des Neuburger Stadttheat­ers.

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