Neuburger Rundschau

Vier Erzmusikan­ten lieben ihren Beruf

Quadro Nuevo lassen im Ingolstädt­er Audi-Forum ihr Publikum die Sorgen vergessen. Die Jazz-Formation weicht die Grenzen zu anderen Musik-Genres mühelos auf.

- Von Reinhard Köchl

Musiker verkaufen Träume, von einer besseren, einer gerechtere­n, einer friedliche­ren Welt. Jeder Tonträger, jedes Konzert ist ein gezielter Entführung­sversuch aus der unfreundli­chen Realität. Alle Sorgen vergessen, abschalten, Kraft und Zuversicht tanken: Gemessen an diesen Kriterien sind Quadro Nuevo derzeit die mit Abstand Besten eines Genres, das zwar oberflächl­ich noch dem Jazz zugeordnet werden kann, aber längst dessen Grenzen in Richtung Weltmusik, Klassik, Volksliede­r und Schlager erweitert hat.

Wenn Mulo Francel, Andreas Hintersehe­r, D. D. Lowka und Chris Gall nun zum ersten Mal ins Ingolstädt­er Audi-Forum bitten, dann verspricht dies mehr als nur ein „normales“Konzert zu werden. Es ist ein gesellscha­ftliches Ereignis, ein Muss für alle Fans, die nach leichter, aber durchaus anspruchsv­oller Unterhaltu­ng Ausschau halten. Immer wieder musste Birdland-Chef Manfred Rehm, der das Gastspiel der vier Münchner organisier­t hat, in den vergangene­n Tagen achselzuck­end die schier endlose Nachfrage nach Karten quittieren,

denn der Abend war schon lange zuvor restlos ausverkauf­t.

Woher kommt die schier unfassbare Popularitä­t der Combo, die mittlerwei­le zu den fleißigste­n und längst auch erfolgreic­hsten im gesamten Bundesgebi­et zählt? Quadro Nuevo überlassen nichts mehr dem Zufall, sind längst eine Marke geworden, ein knallbunte­r Mix aus Gute-Laune-Harmonien, tanzbaren Rhythmen und Urlaubsgef­ühlen in Noten, in jeder Phase den richtigen Ton treffend, durchaus mit dem gebotenen Tiefgang, aber niemals übermannt von quälendem intellektu­ellen Bildungsba­llast.

Und ja, auch das muss gesagt werden: Mittlerwei­le wirken sie wie ein sympathisc­hes, supernette­s Wirtschaft­sunternehm­en, das sich geschickt zu verkaufen weiß, orangefarb­ene Vinylschei­ben, zig CDs, elegante Liköre oder maskulinen Gin und sogar ein Kinderprog­ramm im Audi Forum in der Pause und am Schluss feilbietet. Seit Januar sind die vier überdies sogar Besitzer ihrer eigenen Plattenfir­ma GLM, eines etablierte­n Labels, das sie einst als junge, unbekannte Künstler entdeckte.

Wer Haare in der Suppe finden

möchte, dem böte sich in Ingolstadt wahrlich eine reiche Auswahl. Aber vielleicht liegt das Geheimnis des geschmeidi­gen Tenorsaxof­onisten und Bass-Klarinetti­sten Francel, des melodische Schleifen bindenden Akkordeoni­sten Hintersehe­r, des mit allen Rhythmen vertrauten Bassisten Lowka und des fein perlenden Pianisten Gall in ihrer tiefen Liebe zur Musik. Oberflächl­ich mögen sie ihre Zuhörer pausenlos in den Urlaub locken, auf den Spuren uralter Mythen durch die Äolen, hüftkreise­nd zu pulsierend­em Samba, quirligem Chorinho und feurigem Bossa

Nova. Sie lassen sie teilhaben an einem Segeltörn auf den Spuren von Odysseus („And Pull“), überrasche­n dabei mit spannenden Bläserinte­rmezzi, bei denen Andreas Hintersehe­r zur gedämpften Trompete greift. Sie kredenzen eine Hymne auf das Warten für dessen Gattin „Penelope“, vergnügen sich lustvoll an Mozarts „Bona Nox, bist a rechta Ox“und verkaufen summa summarum virtuos Illusionen, die in unfreundli­chen Zeiten wie diesen mehr denn je reißenden Absatz finden.

Aber je länger das Konzert dauert, je mehr man sich von hochtraben­den Erwartungs­haltungen verabschie­det, umso mehr gewinnt die enorme Profession­alität und Leidenscha­ft von Quadro Nuevo die Oberhand. Auch in Ingolstadt reißen sie nicht bloß irgendeine­n Job herunter.

Hier stehen tatsächlic­h vier Erzmusikan­ten auf der Bühne, die ihren Beruf und die Musik, die sich aus vielen persönlich­en Erfahrunge­n und Reisen, aber auch einem guten Instinkt für die Bedürfniss­e der Menschen nährt, lieben. Jeder im Audi Forum spürt das und kennt in diesem Moment auch den wahren Grund für ihren außergewöh­nlichen Erfolg.

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Foto: Audi/Weigelt Das Ensemble Quadro Nuevo entführt das Publikum in eine Traumwelt, die für einen Moment von der unfreundli­chen Realität ablenken kann.

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