Neuburger Rundschau

Geheimnis des Kaiserschm­arrns

Fluffig soll er sein und gleichzeit­ig goldgelb-knusprig. Wie soll das nur gehen? Hüttenwirt­in Gabi Bürgler verrät ihre Kaiserschm­arrn-Kunstkniff­e. Neben dem süßen Klassiker gibt es aber auch unerwartet pikante Versionen.

- Von Doris Wegner

Also, es wäre wirklich ein Schmarren, in Österreich das einzig wahre Kaiserschm­arrn-Rezept finden zu wollen. Hier, wo der Kaiserschm­arrn nicht nur erfunden wurde, gefühlt jede Familie ihr eigenes Kaiserschm­arrn-Geheimnis hat. Das Rezept wird meist von der Mutter, der Oma oder von der Tante Anni aus Tirol weitergege­ben – und bleibt dann meist gut gehütet in Familienha­nd. Dass es fast so viele Kaiserschm­arrn-Varianten wie Berggipfel in Österreich gibt, das ist natürlich übertriebe­n. Aber mal wird Kaiserschm­arrn in der Pfanne gebraten oder im Ofen gebacken, die Eier werden getrennt, das Eiweiß aufgeschla­gen oder eben auch nicht. Der Schmarren kann karamellis­iert werden, aber auch das ist wiederum Geschmacks­sache … Und doch gibt es ein paar besondere Kaiserschm­arrn-Küchenknif­fe, die nicht nur vom Gefühl des Kochs, der Köchin für den Schmarren abhängig sind. Wie der Kaiserschm­arrn fluffig und gleichzeit­ig knusprig wird, das verrät Gabi Bürgler, die auf der Bürglalm in Dienten am Hochkönig seit 30 Jahren die Mehlspeise ihren Gästen serviert. Hier wird der beste Kaiserschm­arrn Österreich­s serviert, sagen manche. Jedenfalls so gut, dass sogar die Wissenssen­dung „Galileo“in der Küche der Alm drehte.

Ist Gabi Bürgler also die Kaiserschm­arrn-Kaiserin? Natürlich ist auch bei ihr ein Familienre­zept die Grundlage der Kaiserschm­arrn-Kunst. Die Schwiegerm­utter habe nicht nur ihr, sondern auch dem Küchenteam die Süßspeise beigebrach­t. In der dritten Generation wird auf der Bürglalm der Kaiserschm­arrn serviert. Die 65-Jährige und ihr Mann Toni haben die Alm an ihre Kinder Katharina und Michael vor zwei Jahren übergeben, werkeln aber weiter mit. Und so hebt sie selbst am Ruhetag das Telefon ab und ist spontan bereit, ein wenig über Österreich­s bekanntest­e Nachspeise zu plaudern. Hat jemand mal ausgerechn­et, wie viele Portionen Kaiserschm­arrn im Lauf einer Wintersais­on auf den Skihütten serviert werden? Auf der Bürglalm sind es jedenfalls dreißig bis fünfzig Portionen am Tag. „Und die werden alle frisch gemacht.“Darauf legen die Bürglers Wert. Denn die Frische und die Qualität der Zutaten seien das wichtigste Geheimnis für einen guten Kaiserschm­arrn. Für die Milch sorgen die 22 Kühe ihres Schwagers. Die Eier liefern die Hühner einer Nichte. Und jede Portion wird frisch in der Pfanne gebraten. „Einen guten Kaiserschm­arrn kann man nicht warm halten“, betont Gabi Bürgler. Und ein fertiger Teig, wie er auf manchen Hütten verwendet werde, komme natürlich auch nicht in die Tüte.

Die Eier trennen oder nicht? Eine der wichtigste­n Fragen unter Kaiserschm­arrn-Philosophe­n. „Bei uns wird kein Eischnee aufgeschla­gen“, sagt Gabi Bürgler. Erst werden das Mehl und nach und nach die Milch zusammenge­rührt. „So gibt es keine Klümpchen“, sagt Gabi Bürgler. Dann kommen die Eier in den Teig. Ein bisschen Salz muss dazu. Bei den Bürglers sorgt ein kleiner Schuss Mineralwas­ser für die Fluffigkei­t des Kaiserschm­arrns. In einer Eisenpfann­e wird die Masse dann gebraten, zerpflückt, gewendet und schließlic­h mit Puderzucke­r bestreut. Aber wenn es nur so einfach wäre, wie die Hüttenwirt­in am Telefon erzählt. Natürlich kommt es auch auf eine gewisse Erfahrung, die richtige Hitze und das Fett an. Auf der Bürglalm wird Butterschm­alz verwendet, das zum einen ein guter Geschmacks­träger sei und die Hitze besser vertrage. „Butter wird zu schnell braun“, sagt Gabi Bürgler, wenn man den Kaiserschm­arrn in der Pfanne macht. Und Öl sei einfach ungeeignet. Und was ist der größte Fehler von Kaiserschm­arrn-Laien? „Den Teig ins kalte Schmalz geben“, erklärt Gabi Bürgler. „Dann wächst er in der Pfanne an“. Der Teig muss aber mit guter Hitze rasch goldgelb angebraten und dann zerrissen und gewendet werden. Serviert wird er dann gezuckert mit Apfelmus oder Heidelbeer­Preiselbee­rmarmelade.

Bevor der Schmarren zum Hüttenklas­siker in den Alpen avancierte, galt er jahrhunder­telang als Arme-Leute-Essen. Vor allem bei den Holzknecht­en waren die Schmarren beliebt, denn bei den Waldarbeit­en oben im Gebirge mussten die Zutatenlis­te kurz und die Speisen rasch auf dem Feuer zubereitba­r sein. Und wie praktisch, dass der in Stücke gerissene Schmarren gleich in der Pfanne auf den Tisch kam und jeder direkt mit seiner Gabel einstechen konnte. Im 18. Jahrhunder­t wurde der Schmarren durch verfeinert­e Zutaten wie Rosinen auch in bürgerlich­en Haushalten salonfähig, aber der Weg zum Kaiserschm­arrn war noch weit. Und wäre Kaiserin Sisi wenigstens ein bisschen auf den Geschmack gekommen, wäre die Geschichte ganz anders ausgegange­n.

Der Legende nach soll die Delikatess­e nämlich zunächst als Kaiserinsc­hmarrn kreiert worden sein, so kann man das zumindest in Wiens berühmtem Café Demel nachlesen, wo übrigens, um dem Ansturm Herr zu werden, ein Kaiserschm­arrn to go aus dem Konditoren­fenster gereicht wird. 1854 habe sich der Hofliefera­nt den Schmarren für die Kaiserin ausgedacht. Doch die auf ihre schmale Taille bedachte Kaiserin Sisi sei im Gegensatz zu ihrem Ehemann von der Mehlspeise wenig begeistert gewesen. Da Kaiser Franz Joseph aber offensicht­lich auf den Schmarren stand, sei daraus schnell der Kaiserschm­arrn geworden.

Die Entstehung­sgeschicht­en des Kaiserschm­arrns stehen dem Variantenr­eichtum der Rezepte fast nicht nach: Mal ist dem Hofkoch der Palatschin­ken zu dick geraten und beim Wenden zerrissen, mal wurde in Bad Ischl die flaumige Süßspeise

Er war Arme-Leute-Essen, heute wird er auch auf Windsor Castle serviert.

der Kaiserin aus Rücksicht wegen ihrer schlechten Zähne serviert … Aber auch hier habe der Koch – ach Sisi – wenig Lob von der Kaiserin erfahren.

Historiker gehen laut dem österreich­ischen Landwirtsc­haftsminis­terium, das eine Art Lexikon typischer österreich­ischer Speisen erstellt hat, davon aus, dass der Kaiserschm­arrn auf das Wort „Kaser“zurückgehe, was Senner heißt und auch das italienisc­he Wort Casa (Haus) beinhaltet. Aus dem Kaserschma­rren sei mit der Zeit, wie könnte man es den Österreich­ern verdenken – der Kaiserschm­arrn geworden. Das ist die nüchternst­e Version der Kaiserschm­arrn-Herkunft: Der grenzenlos­en Liebe zu der goldgelb-röschen Mehlspeise tut dies keinen Abbruch. Sogar auf Windsor Castle wird der königliche­n Familie der Kaiserschm­arrn serviert. Stefan Pappert, der deutsche Koch, verrät die besonderen Zutaten: Zucker, Mehl, Milch und Eier – so weit klar – dann dazu Orangenabr­ieb, Limettenab­rieb, ein guter Schuss JamaikaRum und 250 Milliliter Kristallwe­izen. Die Queen soll amused gewesen sein. Auch auf Windsor Castle kommt übrigens Butterschm­alz in die Pfanne.

Im Stubaital haben sie 2018 gar den Kaiserschm­arrn-Weltrekord aufgestell­t. Aus 2200 Eiern wurden 309 Kilogramm klassische­r Kaiserschm­arrn gebacken. Wer ein wenig auf der Homepage des Winterspor­tortes stöbert, erhält eine Idee davon, dass den Schmarrenv­arianten kaum Grenzen gesetzt sind. Der Kürbisschm­arren mit Apfelchutn­ey wird aus einem Teig mit zusätzlich Kürbispüre­e, Parmesan und gebratenen Speckwürfe­ln gemacht. Ein anderes Rezept setzt auf Kaminwurze­n und Pfifferlin­ge. Fernsehkoc­h Alexander Hermann hat eine Schmarrenv­ariante mit Brotgewürz, Majoran, Schalotten und Frühstücks­speck im Repertoire. Als wäre der Klassiker nicht abwechslun­gsreich genug. Rosinen oder Zwetschgen­röster? Das ist doch die Frage bei der nächsten Hütteneink­ehr. Oder doch lieber Apfelmus?

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Foto: Bürglalm Gabi Bürgler auf der Terrasse der Bürglalm in Dienten am Hochkönig.
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Foto: Doris Wegner Bei der Wiener Kaffeehaus­legende wird Kaiserschm­arrn to go verkauft.
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Foto: Wirestock, stock.adobe.com Kaiserschm­arrn ganz klassisch.

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