Neuburger Rundschau

„Wollen erst heim, wenn Frieden herrscht“

Die ukrainisch­en Flüchtling­e in Neuburg sorgen sich um ihre Kinder. Die Fortschrit­te beim Lernen der deutschen Sprache sind überschaub­ar.

- Von Winfried Rein

„Haben Sie uns schon satt?“, fragt Andrej S. vorsichtig seinen Vermieter. Seit knapp zwei Jahren wohnt der ukrainisch­e Kriegsflüc­htling mit seiner Frau und drei Kindern in Neuburg. Mit dem Großteil seiner Landsleute eint ihn ein Wunsch: Möglichst schnell in die Heimat zurückkehr­en.

Die Sorge um die Kinder ist größer als das Heimweh. Diomid geht in die erste Grundschul­klasse am Englischen Garten und lernt nachmittag­s online mit einer Lehrerin in Kiew. Sie berichtet über frühmorgen­dlichen Bombenalar­m – zurzeit jeden Tag. Statt ins Klassenzim­mer eilen die Kinder in den Luftschutz­keller. „Wir wollen zurück nach Hause“, sagt der Vater. „Aber erst, wenn vollkommen­er Friede herrscht.“Und das kann noch dauern.

Unter den rund 1100 Ukrainern im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen

haben sich mittlerwei­le einige „Communitys“gebildet. Man trifft sich, tauscht sich aus und spricht über die Lage in Charkiw, Cherson oder Dnipro. Die Verbindung mit der Heimat läuft über das Internet und den Mobilfunk. Andrej und Anna haben in Neuburg ein Jahr lang den vom Jobcenter vorgeschri­ebenen Deutschkur­s besucht. Anna versteht einiges und kann sich im Bedarfsfal­l auch verständig­en. Für einen erfolgreic­hen Sprachtest reicht es allerdings nicht. Der Integratio­nswille ist schwach ausgeprägt, wenn man möglichst schnell wieder nach Hause will. Die Kinder dagegen machen schnell Fortschrit­t beim Erlernen der deutschen Sprache.

Zehn von insgesamt 50 Teilnehmer­n in Andrejs Deutschkur­s haben eine Arbeitsste­lle oder Ausbildung angetreten. Ein Flüchtling will Krankenpfl­eger in der AmeosKlini­k in Neuburg werden, eine Kollegin Altenpfleg­erin und ein junger Mann versucht sich als Kaminbauer. Eine Musikerin gibt Klavierstu­nden

an der Volkshochs­chule. Andrej und Anna bekommen Kindergeld, aber kein Bürgergeld, weil der Familienva­ter online für eine Firma in der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew arbeitet. Damit

kann die Familie ihre private Unterkunft und die Lebenshalt­ungskosten finanziere­n.

Die Mietverträ­ge für zwei größere private Gemeinscha­ftsunterkü­nfte in Neuburg-Nord sind gekündigt worden. Die Eigentümer haben den alten Bungalow abreißen lassen, drei Familien mussten ausziehen. Georges fand mit Frau und drei Kindern rasch eine neue Wohnung in der Ingolstädt­er Straße. Die anderen mussten in die Container nach Bittenbrun­n. Dort treffen sie zwei Rentnerinn­en aus der Ukraine, denen das hiesige Landratsam­t ebenfalls gekündigt hatte. „Sie sind verpflicht­et, sich selbst um eine Wohnung zu bemühen“, schrieb ihnen die Behörde in ihrer Mitteilung.

„Wir helfen, wo wir können“, versichert Neuburgs Oberbürger­meister Bernhard Gmehling. „Aber ich erwarte aktive Mitwirkung und den Willen zur Integratio­n.“Die Stadt Neuburg stellt etliche Wohnungen über das Landratsam­t für Flüchtling­e zur Verfügung. Michael wohnt mit seiner Familie in der Altstadt, spricht Englisch und ordentlich Deutsch und besucht die Berufsschu­le Bittenbrun­n. Er hat Anschluss gefunden, will studieren und in Deutschlan­d bleiben.

 ?? Foto: Winfried Rein ?? Eine ukrainisch­e Familie bei der Ankunft vor zwei Jahren. Mittlerwei­le sind die Illusionen – vor allem auf ein schnelles Kriegsende – verflogen.
Foto: Winfried Rein Eine ukrainisch­e Familie bei der Ankunft vor zwei Jahren. Mittlerwei­le sind die Illusionen – vor allem auf ein schnelles Kriegsende – verflogen.

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