Neuburger Rundschau

„Bleibt’s boarisch“lautet der Appell

Beim Pöttmeser Abend im Rahmen der 700-Jahr-Feier des Marktes stehen die Bayern und ihre Befindlich­keiten im Mittelpunk­t. Dabei geht’s um Traditione­n, aber es geht auch amüsant zu.

- Von Inge von Wenczowski

Die Bayern und ihre Befindlich­keiten standen beim Pöttmeser Abend im Kultursaal des Rathauses im Mittelpunk­t – eine von vielen Veranstalt­ungen im Rahmen der 700-Jahr-Feier des Marktes Pöttmes. Das Publikum erfuhr dabei nicht nur, warum der Abschiedsg­ruß „Tschüss“in Bayern nicht gerne gehört wird, sondern auch weitere Eigenheite­n der bayrischen Bevölkerun­g und ganz speziell der Pöttmeser.

Im Jubeljahr 2024 feiert Pöttmes das Erlangen des Marktrecht­es vor 700 Jahren. Die Veranstalt­ung, bestens organisier­t von einem Team rund um zweiten Bürgermeis­ter Manfred Graser, fand vor einem voll besetzten Saal statt. Geboten war eine gelungene Mischung aus Vorträgen, Musik und Erzählunge­n von Zeitzeugen und Zeitzeugin­nen.

Nach der Begrüßung durch Manfred Graser erläuterte der Heimatkund­ler Prof. Dr. Wilhelm Liebhart aus Altomünste­r (Landkreis Dachau) die historisch­en Hintergrün­de sowie die Bedeutung der Marktrecht­sverleihun­g. So erfuhr das Publikum, dass das

Marktrecht eigentlich bereits 1310 verliehen wurde – allerdings nur für den inneren Kreis des Ortes. Das „große“Marktrecht hingegen ging erst 1324 an Pöttmes. Dies hatte enorme Bedeutung, denn nur so konnten sich Handwerk und Gewerbe ansiedeln und Pöttmes zum Zentralort werden.

Liebhart wusste auch von einer Besonderhe­it zu berichten: Entgegen der allgemein üblichen Vorgehensw­eise verlieh Ludwig von Bayern das Marktrecht nicht an die Bürger und Bürgerinne­n, sondern an eine Einzelpers­on, Heinrich von Gumppenber­g. Dieser stand als echter „Haudegen“fest an Ludwigs Seite und wurde 1321 sogar Stellvertr­eter des Königs im damaligen Oberbayern. Zum Bedauern der Anwesenden musste Graser die ausführlic­hen, aber mit viel Humor kurzweilig vorgetrage­nen Erläuterun­gen Liebharts aus Zeitgründe­n etwas abkürzen, stellte aber einen separaten Abend zu diesem Thema in Aussicht.

Spannende und gleicherma­ßen anrührende Erinnerung­en an die Kindheit und Jugend teilten Irene Ziegler aus Pöttmes, Jakob Feiger aus Kühnhausen und Adolf Sauerlache­r aus Handzell mit den gebannt lauschende­n Gästen. Sie berichtete­n

von den beschwerli­chen Kriegs- und Nachkriegs­jahren und wie es war, im Raum Pöttmes aufzuwachs­en. Alle drei erinnern sich noch gerne an die 650-Jahr-Feier.

Ziegler betonte, wie sehr sie es schätze in Pöttmes zu leben, dabei vor allem die Lage, die Landschaft und das Schloss. „Nur eine bayrische Wirtschaft vermisse ich jetzt“, sagte sie, worauf großer Applaus folgte.

Recht kurios war die Erklärung Sauerlache­rs, warum er den Namen Adolf trägt. Während des Krieges als zehntes Kind geboren,

wünschte sich die Mutter den Namen Heinrich, was aber eine Krankensch­wester zu verhindern wusste. „Das Kind muss Adolf heißen“, bestimmte sie. Jakob Feiger hingegen berichtete von den beengten Wohnverhäl­tnissen nach einer Zwangseinq­uartierung mehrerer Personen auf dem elterliche­n Hof. Die ungute Atmosphäre hat sich tief in sein Gedächtnis geprägt. Genauso wie der recht lange und oft strapaziös­e Fußweg von Kühnhausen zur Schule nach Pöttmes.

Ein Bewusstsei­n für Dialekt schaffen will Siegfried Bradl vom

Fördervere­in Bairische Sprache und Dialekte aus Altomünste­r. Erfrischen­d und amüsant forderte er die Anwesenden auf, sich mit der eigenen Sprache auseinande­rzusetzen, den eigenen Dialekt beizubehal­ten und weiterzuge­ben. Dabei solle man darauf achten, Vorurteile abzubauen. Dialekt baut in seinen Augen Brücken und ist ein Zeichen der Identität. Gegenseiti­ge Achtung der jeweiligen Eigenheite­n sei dabei unerlässli­ch, sagte der sprachbege­isterte Bradl.

Weshalb aber ist nun das Wort „Tschüss“so verpönt in Bayern? Die Erklärung ist ganz einfach: Der waschechte Bayer oder die waschechte Bayerin kennt kein „ü“. Dieses wird unter anderem entweder umschriebe­n mit „ia“– wie beispielsw­eise in „Fiaß“statt Füße, oder gleich ein völlig anderes Wort benutzt wie das Wort „Buckel“für Rücken genannt. Bradls Ausführung­en riefen allgemeine Heiterkeit hervor, wobei mancher „Zuagroaste“eventuelle Verständig­ungsschwie­rigkeiten hatte.

Mit Interesse nahm das Publikum auch die Ausführung­en von Horst Brandner auf. Der zweite Vorsitzend­e des Heimat- und Volkstrach­tenvereins erläuterte sowohl am „lebenden Objekt“als auch anhand alter Fotografie­n die Art und Bedeutung der Gewänder im Laufe der Zeit. Die Gäste bekamen so das Arbeitsgew­and, aber auch das Festgewand reicher Bauernfami­lien zu Gesicht. Dabei überrascht­e, dass sich die Tracht bei den Damen offensicht­lich deutlich länger im Alltag hielt als bei den Männern. Der Trachtenve­rein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die alten Lieder, Sitten, Gebräuche und Gewandunge­n für die Nachwelt zu erhalten und weiterzuve­rbreiten. Eine der Trachtleri­nnen zeigte sich stolz darüber, die originale Tracht der Oma vorführen zu können. „Wenn ich eine Tracht anziehe, bin ich daheim“, stellte sie strahlend fest.

Auch kulinarisc­h blieben keine Wünsche offen. Standesgem­äß wurde das Pöttmeser Kaiserbier ausgeschen­kt, die Metzgerei Reidinger hatte ein Buffet mit bayrischen Schmankerl­n vorbereite­t. Für eine würdige musikalisc­he Untermalun­g sorgten „de junga Oidboarisc­h’n“, Georg Krammer und Christian Dauber, mit zünftiger altbairisc­her Wirtshausm­usik. Mit dem Appell „bleibt’s boarisch!“verabschie­dete Brandner die Gäste am Ende des gelungenen Pöttmeser Abends.

 ?? Fotos: Inge von Wenczowski ?? Schöne alte Trachten präsentier­ten (von links): Regina Feiger, Jakob Feiger, Christoph Mayr, Irma Mayr, Lotte Brandner, Jürgen Brunner und Horst Brandner.
Fotos: Inge von Wenczowski Schöne alte Trachten präsentier­ten (von links): Regina Feiger, Jakob Feiger, Christoph Mayr, Irma Mayr, Lotte Brandner, Jürgen Brunner und Horst Brandner.

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