Am Neuburger Krankenhaus brodelt es
Mitarbeitende der Neuburger Klinik und Verdi beklagen schlechtere Arbeitsbedingungen, seit Ameos übernommen hat. Das Wohl der Patienten sei immer öfter gefährdet, heißt es. Der Betreiber widerspricht den Vorwürfen.
Nicht jeder will darüber sprechen. Zu groß ist wohl die Angst vor möglichen Konsequenzen. Andere haben kein Problem damit, sachlich zu berichten, was im Alltag des Neuburger Krankenhauses passiert. Unsere Redaktion hat mit zahlreichen Mitarbeitenden aus verschiedenen Bereichen der Klinik gesprochen. Sie beklagen mehr oder weniger übereinstimmend schlechtere Arbeitsbedingungen, seit die Ameos-Gruppe mit Sitz in der Schweiz 2022 das Haus übernommen hat. Die Schilderungen des Personals decken sich mit dem, was die Gewerkschaft Verdi beobachtet. Der Tenor: Das Personal sei mittlerweile derart überlastet, dass immer öfter das Wohl der Patientinnen und Patienten gefährdet sei.
In Gesprächen erfährt man, dass sich die Arbeitsbedingungen in den vergangenen Jahren von den Ordensschwestern über die KJF Augsburg und jetzt zu Ameos mit jedem neuen Betreiber verschlechtert hätten. „Es ist eigentlich jeder unzufrieden“, beschreibt ein Mitarbeitender die aktuelle Situation unter Ameos. Das Personal fühle sich nicht genügend wertgeschätzt, es gehe „nur noch ums Geld“. Die schlechte Stimmung hat sich an diesem Donnerstag offenbar auf der Mitarbeiterversammlung entladen. Auf dieser hätten die Beschäftigten ihren Unmut gegenüber den anwesenden Ameos-Führungskräften deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Stimmung sei derart angespannt gewesen, wie es auf einer solchen Versammlung noch nie der Fall gewesen sei, berichten Beschäftigte, die seit vielen Jahren dabei sind.
Die Vorwürfe sind vielschichtig. Mitarbeitende und Gewerkschaft sprechen davon, dass sich infolge von Personalmangel der Druck auf jeden Einzelnen erhöht hat. Beschäftigte, die teils jahrzehntelang in einem Bereich gearbeitet haben, werden plötzlich woanders eingesetzt, um Lücken zu stopfen, heißt es. Auch die Dokumentationspflichten seien deutlich verschärft worden. Seit Kurzem müssten Mitarbeitende beispielsweise jede Wasserflasche notieren, die sie einem Patienten ins Zimmer bringen. Diese neuerlichen Auflagen hätten beim Personal „das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht“, ist zu hören.
Es ist die Rede davon, dass sich das Krankenhaus in Neuburg, im Gegensatz zu anderen Häusern der Region 10, bei Personalmangel relativ spät bei der Leitstelle abmelde – offenbar, um wirtschaftlicher zu arbeiten. In der Folge kämen Patienten aus der ganzen Umgebung nach Neuburg, obwohl auch dort eigentlich nicht genügend Personal für eine adäquate Versorgung vorhanden sei. Die Belastung für die verbliebenen Ärzte, Pfleger und Co. steige dadurch zusätzlich.
Dass der Druck zugenommen hat, lässt sich offenbar schwarz auf weiß ablesen. Nach Informationen unserer Redaktion ist die
Zahl der Gefährdungsanzeigen im Neuburger Krankenhaus zuletzt deutlich gestiegen. Dabei handelt es sich um einen schriftlichen Hinweis an den Arbeitgeber, dass man als Arbeitnehmer aufgrund einer Überlastung gesundheitliche Gefährdungen befürchtet und/oder die Qualität der Arbeit nicht mehr sicherstellen kann. Wie zu hören ist, sollen auch die Fehlzeiten wegen Krankheit spürbar angestiegen sein. Arina Wolf, Verdi-Gewerkschaftssekretärin für den Bereich Gesundheit in der Region 10, spricht im Gespräch mit unserer Redaktion von „Arbeitsbedingungen, die krank machen“.
All das wirkt sich offenbar auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten aus. Wolf beklagt eine „regelmäßige Patientengefährdung“im Neuburger AmeosKrankenhaus.
Infolge von Personalmangel und Krankheitsfällen müssten Kolleginnen und Kollegen teils mehrere Bereiche gleichzeitig abdecken, weshalb sich die Betreuung zwangsläufig verschlechtere. Mitarbeitende bestätigen diesen Vorwurf. Mitunter gehe es nur noch darum, die absoluten Grundbedürfnisse der Kranken und Verletzten zu stillen – an mehr sei manchmal nicht mehr zu denken. Solche Zustände widersprächen ihrem eigenen Anspruch an die Arbeit mit Menschen, heißt es. „Die Beschäftigten gehen mit einem schlechten Gewissen nach Hause, weil sie die Patienten nicht so versorgen konnten, wie sie es gelernt haben“, sagt Wolf.
Ein anderes Thema, das die Belegschaft derzeit umtreibt, sind die geplanten Ausgliederungen. Wie berichtet, möchte Ameos Beschäftigte aus verschiedenen Bereichen in eigene Gesellschaften ohne Tarifbindung umsiedeln. Aktuell betroffen sind dem Vernehmen nach knapp 50 Beschäftigte aus den Bereichen Haustechnik, Zentrallager, Sterilisation und Küche. Angedacht waren zunächst offenbar deutlich mehr Personen, einige werden nun aber doch nicht ausgegliedert. Personal und Gewerkschaft vermuten, dass Ameos mit diesem Schritt lediglich weniger Beschäftigte auf einmal umsiedeln möchte, um gesetzliche Vorgaben zu umgehen, und gehen davon aus, dass weitere Bereiche folgen würden. Die Rede ist von einer „Salamitaktik“.
Bezüglich der Ausgliederungen versprach Ameos-Regionalgeschäftsführer Thomas Pfeifer jüngst im Interview mit unserer Redaktion: „Niemand wird schlechter dastehen als vorher.“Dieser Ankündigung schenken Personal und Gewerkschaft keinen Glauben. Sie befürchten langfristige Nachteile und eine strukturierte „Tarifflucht“, um die Personalkosten zu drücken. Verdi warnt: „Der neue Arbeitsvertrag wird im Regelfall schlechter sein als der alte.“
Immer mehr Beschäftigte am
Neuburger Krankenhaus möchten sich mit Blick auf Ameos offenbar zusätzlichen Beistand holen. Laut Verdi-Gewerkschaftssekretärin Wolf seien die Mitgliedschaften in der Gewerkschaft seit der Übernahme des neuen Betreibers „sprunghaft“angestiegen. Schon jetzt komme es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen.
Laut Wolf stehen sich Ameos und der Betriebsrat regelmäßig vor dem Arbeitsgericht gegenüber. Eine solche Entwicklung kenne man von Ameos. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, das offenbar so strukturiert ist, dass kein Konzernbetriebsrat entstehen kann, wolle Betriebsräten vor Ort „Macht demonstrieren“, so Wolf.
Gewerkschaft und Beschäftigte wollen die Entwicklungen nicht einfach hinnehmen, das wurde auf einer Gewerkschaftsversammlung am Donnerstagabend in Neuburg deutlich. Im Gespräch ist unter anderem ein Streik. „Wir haben den Auftrag unserer Mitglieder, für eine sichere Bezahlung und menschliche Arbeitsbedingungen zu kämpfen“, gibt sich Wolf entschlossen.
Unsere Redaktion hat Ameos mit den Vorwürfen konfrontiert. Das Unternehmen bezieht schriftlich Stellung dazu. „Ameos ist ein attraktiver Arbeitgeber im Gesundheitswesen und informiert seine Mitarbeitenden in Vertragsthemen umfassend und transparent“, heißt es in der Antwort, und weiter: „Die Arbeitsbedingungen im Ameos-Klinikum St. Elisabeth Neuburg haben sich nicht verschlechtert.“Personalfluktuation und Fachkräftemangel seien große Herausforderungen, denen sich derzeit leider alle Krankenhäuser und Gesundheitsdienstleister stellen müssten. „Wir konnten trotz Fachkräftemangels unseren Bestand
an Mitarbeitenden im Pflegeund Funktionsdienst zum Jahresende 2023 im Vergleich zum Vorjahr halten und sogar leicht steigern, was im Gesundheitswesen aktuell bemerkenswert ist“, so Ameos. „Unser Ziel ist es weiterhin, zusätzliche qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, um damit die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden auf mehr Köpfe zu verteilen.“
Die Entscheidungen in Bezug auf eine Abmeldung einzelner Fachabteilungen oder Ressourcen werden laut Ameos stets mit medizinischem und pflegerischem Sachverstand und in frühzeitiger Kommunikation mit allen Beteiligten getroffen. „Es bestand und besteht zu keinem Zeitpunkt eine Patientengefährdung“, betont das Unternehmen. Mit allen Mitarbeitenden, für die ein Wechsel in die zentralen Leistungseinheiten – so nennt Ameos die eigenen Gesellschaften – vorgesehen ist, sei man in intensivem Austausch. Auf die individuellen Vertragsparameter dieser Mitarbeitenden gehe man sorgfältig ein, heißt es.
Auch die geplanten Ausgliederungen sind ein Thema.
Im Gespräch ist unter anderem ein Streik.