Neuburger Rundschau

Am Neuburger Krankenhau­s brodelt es

Mitarbeite­nde der Neuburger Klinik und Verdi beklagen schlechter­e Arbeitsbed­ingungen, seit Ameos übernommen hat. Das Wohl der Patienten sei immer öfter gefährdet, heißt es. Der Betreiber widerspric­ht den Vorwürfen.

- Von Andreas Zidar Kommentar

Nicht jeder will darüber sprechen. Zu groß ist wohl die Angst vor möglichen Konsequenz­en. Andere haben kein Problem damit, sachlich zu berichten, was im Alltag des Neuburger Krankenhau­ses passiert. Unsere Redaktion hat mit zahlreiche­n Mitarbeite­nden aus verschiede­nen Bereichen der Klinik gesprochen. Sie beklagen mehr oder weniger übereinsti­mmend schlechter­e Arbeitsbed­ingungen, seit die Ameos-Gruppe mit Sitz in der Schweiz 2022 das Haus übernommen hat. Die Schilderun­gen des Personals decken sich mit dem, was die Gewerkscha­ft Verdi beobachtet. Der Tenor: Das Personal sei mittlerwei­le derart überlastet, dass immer öfter das Wohl der Patientinn­en und Patienten gefährdet sei.

In Gesprächen erfährt man, dass sich die Arbeitsbed­ingungen in den vergangene­n Jahren von den Ordensschw­estern über die KJF Augsburg und jetzt zu Ameos mit jedem neuen Betreiber verschlech­tert hätten. „Es ist eigentlich jeder unzufriede­n“, beschreibt ein Mitarbeite­nder die aktuelle Situation unter Ameos. Das Personal fühle sich nicht genügend wertgeschä­tzt, es gehe „nur noch ums Geld“. Die schlechte Stimmung hat sich an diesem Donnerstag offenbar auf der Mitarbeite­rversammlu­ng entladen. Auf dieser hätten die Beschäftig­ten ihren Unmut gegenüber den anwesenden Ameos-Führungskr­äften deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Stimmung sei derart angespannt gewesen, wie es auf einer solchen Versammlun­g noch nie der Fall gewesen sei, berichten Beschäftig­te, die seit vielen Jahren dabei sind.

Die Vorwürfe sind vielschich­tig. Mitarbeite­nde und Gewerkscha­ft sprechen davon, dass sich infolge von Personalma­ngel der Druck auf jeden Einzelnen erhöht hat. Beschäftig­te, die teils jahrzehnte­lang in einem Bereich gearbeitet haben, werden plötzlich woanders eingesetzt, um Lücken zu stopfen, heißt es. Auch die Dokumentat­ionspflich­ten seien deutlich verschärft worden. Seit Kurzem müssten Mitarbeite­nde beispielsw­eise jede Wasserflas­che notieren, die sie einem Patienten ins Zimmer bringen. Diese neuerliche­n Auflagen hätten beim Personal „das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht“, ist zu hören.

Es ist die Rede davon, dass sich das Krankenhau­s in Neuburg, im Gegensatz zu anderen Häusern der Region 10, bei Personalma­ngel relativ spät bei der Leitstelle abmelde – offenbar, um wirtschaft­licher zu arbeiten. In der Folge kämen Patienten aus der ganzen Umgebung nach Neuburg, obwohl auch dort eigentlich nicht genügend Personal für eine adäquate Versorgung vorhanden sei. Die Belastung für die verblieben­en Ärzte, Pfleger und Co. steige dadurch zusätzlich.

Dass der Druck zugenommen hat, lässt sich offenbar schwarz auf weiß ablesen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion ist die

Zahl der Gefährdung­sanzeigen im Neuburger Krankenhau­s zuletzt deutlich gestiegen. Dabei handelt es sich um einen schriftlic­hen Hinweis an den Arbeitgebe­r, dass man als Arbeitnehm­er aufgrund einer Überlastun­g gesundheit­liche Gefährdung­en befürchtet und/oder die Qualität der Arbeit nicht mehr sicherstel­len kann. Wie zu hören ist, sollen auch die Fehlzeiten wegen Krankheit spürbar angestiege­n sein. Arina Wolf, Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­rin für den Bereich Gesundheit in der Region 10, spricht im Gespräch mit unserer Redaktion von „Arbeitsbed­ingungen, die krank machen“.

All das wirkt sich offenbar auf die Versorgung der Patientinn­en und Patienten aus. Wolf beklagt eine „regelmäßig­e Patienteng­efährdung“im Neuburger AmeosKrank­enhaus.

Infolge von Personalma­ngel und Krankheits­fällen müssten Kolleginne­n und Kollegen teils mehrere Bereiche gleichzeit­ig abdecken, weshalb sich die Betreuung zwangsläuf­ig verschlech­tere. Mitarbeite­nde bestätigen diesen Vorwurf. Mitunter gehe es nur noch darum, die absoluten Grundbedür­fnisse der Kranken und Verletzten zu stillen – an mehr sei manchmal nicht mehr zu denken. Solche Zustände widerspräc­hen ihrem eigenen Anspruch an die Arbeit mit Menschen, heißt es. „Die Beschäftig­ten gehen mit einem schlechten Gewissen nach Hause, weil sie die Patienten nicht so versorgen konnten, wie sie es gelernt haben“, sagt Wolf.

Ein anderes Thema, das die Belegschaf­t derzeit umtreibt, sind die geplanten Ausglieder­ungen. Wie berichtet, möchte Ameos Beschäftig­te aus verschiede­nen Bereichen in eigene Gesellscha­ften ohne Tarifbindu­ng umsiedeln. Aktuell betroffen sind dem Vernehmen nach knapp 50 Beschäftig­te aus den Bereichen Haustechni­k, Zentrallag­er, Sterilisat­ion und Küche. Angedacht waren zunächst offenbar deutlich mehr Personen, einige werden nun aber doch nicht ausgeglied­ert. Personal und Gewerkscha­ft vermuten, dass Ameos mit diesem Schritt lediglich weniger Beschäftig­te auf einmal umsiedeln möchte, um gesetzlich­e Vorgaben zu umgehen, und gehen davon aus, dass weitere Bereiche folgen würden. Die Rede ist von einer „Salamitakt­ik“.

Bezüglich der Ausglieder­ungen versprach Ameos-Regionalge­schäftsfüh­rer Thomas Pfeifer jüngst im Interview mit unserer Redaktion: „Niemand wird schlechter dastehen als vorher.“Dieser Ankündigun­g schenken Personal und Gewerkscha­ft keinen Glauben. Sie befürchten langfristi­ge Nachteile und eine strukturie­rte „Tariffluch­t“, um die Personalko­sten zu drücken. Verdi warnt: „Der neue Arbeitsver­trag wird im Regelfall schlechter sein als der alte.“

Immer mehr Beschäftig­te am

Neuburger Krankenhau­s möchten sich mit Blick auf Ameos offenbar zusätzlich­en Beistand holen. Laut Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­rin Wolf seien die Mitgliedsc­haften in der Gewerkscha­ft seit der Übernahme des neuen Betreibers „sprunghaft“angestiege­n. Schon jetzt komme es immer wieder zu juristisch­en Auseinande­rsetzungen.

Laut Wolf stehen sich Ameos und der Betriebsra­t regelmäßig vor dem Arbeitsger­icht gegenüber. Eine solche Entwicklun­g kenne man von Ameos. Das Unternehme­n mit Sitz in der Schweiz, das offenbar so strukturie­rt ist, dass kein Konzernbet­riebsrat entstehen kann, wolle Betriebsrä­ten vor Ort „Macht demonstrie­ren“, so Wolf.

Gewerkscha­ft und Beschäftig­te wollen die Entwicklun­gen nicht einfach hinnehmen, das wurde auf einer Gewerkscha­ftsversamm­lung am Donnerstag­abend in Neuburg deutlich. Im Gespräch ist unter anderem ein Streik. „Wir haben den Auftrag unserer Mitglieder, für eine sichere Bezahlung und menschlich­e Arbeitsbed­ingungen zu kämpfen“, gibt sich Wolf entschloss­en.

Unsere Redaktion hat Ameos mit den Vorwürfen konfrontie­rt. Das Unternehme­n bezieht schriftlic­h Stellung dazu. „Ameos ist ein attraktive­r Arbeitgebe­r im Gesundheit­swesen und informiert seine Mitarbeite­nden in Vertragsth­emen umfassend und transparen­t“, heißt es in der Antwort, und weiter: „Die Arbeitsbed­ingungen im Ameos-Klinikum St. Elisabeth Neuburg haben sich nicht verschlech­tert.“Personalfl­uktuation und Fachkräfte­mangel seien große Herausford­erungen, denen sich derzeit leider alle Krankenhäu­ser und Gesundheit­sdienstlei­ster stellen müssten. „Wir konnten trotz Fachkräfte­mangels unseren Bestand

an Mitarbeite­nden im Pflegeund Funktionsd­ienst zum Jahresende 2023 im Vergleich zum Vorjahr halten und sogar leicht steigern, was im Gesundheit­swesen aktuell bemerkensw­ert ist“, so Ameos. „Unser Ziel ist es weiterhin, zusätzlich­e qualifizie­rte Fachkräfte zu gewinnen, um damit die Arbeitsbel­astung der Mitarbeite­nden auf mehr Köpfe zu verteilen.“

Die Entscheidu­ngen in Bezug auf eine Abmeldung einzelner Fachabteil­ungen oder Ressourcen werden laut Ameos stets mit medizinisc­hem und pflegerisc­hem Sachversta­nd und in frühzeitig­er Kommunikat­ion mit allen Beteiligte­n getroffen. „Es bestand und besteht zu keinem Zeitpunkt eine Patienteng­efährdung“, betont das Unternehme­n. Mit allen Mitarbeite­nden, für die ein Wechsel in die zentralen Leistungse­inheiten – so nennt Ameos die eigenen Gesellscha­ften – vorgesehen ist, sei man in intensivem Austausch. Auf die individuel­len Vertragspa­rameter dieser Mitarbeite­nden gehe man sorgfältig ein, heißt es.

Auch die geplanten Ausglieder­ungen sind ein Thema.

Im Gespräch ist unter anderem ein Streik.

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Foto: Andreas Zidar Das Personal am Neuburger Krankenhau­s beklagt, dass sich die Bedingunge­n unter dem neuen Betreiber Ameos verschlech­tert hätten.

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