Neuburger Rundschau

Ein Traum von „Hubsi“und ein Höllenritt

Beim Starkbierf­est der Freien Wähler wird beim Singspiel und am Rednerpult so manche treffende Spitze gesetzt. FW-Chef Hubert Aiwanger fühlt sich pudelwohl und singt mit.

- Von Reinhard Köchl Seite 32

Also doch kein Kaff? Die etwas despektier­liche Behauptung, die in der Vergangenh­eit immer wieder zum „Derblecken“der eigenen Stadt hergenomme­n wurde, ist zumindest in den zurücklieg­enden Tagen eindrucksv­oll infrage gestellt worden. Innerhalb einer Woche besuchte die Spitze der bayerische­n Staatsregi­erung Neuburg; am Montag Ministerpr­äsident Markus Söder das Geschwader in Zell und am Samstag dessen Stellvertr­eter und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger das Starkbierf­est seiner Freien Wähler (FW) im Kolpinghau­s. Es muss also tatsächlic­h was dran sein an Neuburg.

Das fand offensicht­lich auch Aiwanger, der sich bei der restlos ausverkauf­ten Traditions­veranstalt­ung (Neuburgs FW-Chef Florian Herold: „Wir hätten 800 Karten verkaufen können“) pudelwohl fühlte, entgegen allen Erwartunge­n von der ersten bis zur letzten Minute kurz nach 23 Uhr blieb, wie üblich keinen Selfie-Wunsch ausschlug und immer wieder für persönlich­e Gespräche von Tisch zu Tisch wanderte.

Draußen weit und breit keine Spur von den befürchtet­en Protestkun­dgebungen. Nur die unauffälli­gen Sicherheit­sbeamten verrieten, dass da ein prominente­r Politiker anwesend sein musste. „Hier bin ich unter Freunden“, lachte der umstritten­e FW-Vorsitzend­e aus dem niederbaye­rischen Rottenburg, der in bester Stimmung am Schluss sogar selbst das Handy zückte und das Absingen der Bayernhymn­e für seinen eigenen Facebook-Kanal filmte.

Zuvor hatte Aiwanger seinen Anhängern in einer 20-minütigen Rede genau das geboten, was sie von ihm erwarteten: Klartext, Ampel-Bashing, ein flammendes Plädoyer für Bayern und eine leidenscha­ftliche Bekräftigu­ng seiner Unterstütz­ung für die Landwirte. Wie das „Prinzip Aiwanger“funktionie­rt, verstand an diesem Abend jeder: Mit markigen, mitunter populistis­chen Thesen den Nerv der Menschen treffen und damit ganz gezielt die Bedürfniss­e der Medien triggern. Das sei seine Aufgabe, wie er im Interview mit unserer Zeitung zu verstehen gab. „Alle, die meinen, der Aiwanger gehört in sein Büro eingesperr­t und der Schlüssel weggeworfe­n, der irrt sich! Wir Freien Wähler lassen uns nicht verscheuch­en!“

Unter den Klängen der Baringer Blaskapell­e benötigte der 53-Jährige vier Schläge, bis er das Starkbierf­ass vom Juliusbräu angestoche­n hatte. Generell hatten sich seine FW-Freunde schwer ins Zeug gelegt, um ihrem vom Nockherber­g

gestählten Boss zu beweisen, dass Neuburg ein ansprechen­des und kurzweilig­es Starkbierf­est auf die Beine stellen kann. Die 37. Auflage überrascht­e durch ein modifizier­tes, von Holger Meilinger und Sepp Egerer „bewegtes“Bühnenbild, das zunächst Sissy Schafferha­ns nutzte, um in ihrer „Märchenstu­nde“eine Vision ihrer Heimatstad­t vorzustell­en. In ihren Träumen würde der „Hubsi“dann als von den „Ampel-Wuislern“unterschät­zter Highlander durch Neuburg reiten, am Huba vorbei bis zum Schrannenp­latz, „dessen Bestimmung nach 30 Jahren langsam einen Sinn macht“, bis er schließlic­h feststelle­n würde, dass der Bau der zweiten Donaubrück­e tatsächlic­h begonnen habe. Alles Fantasie? Aiwanger stürmte jedenfalls spontan die Bühne und fiel vor der früheren „Schönheits­königin von Schneizlre­uth“auf die Knie.

Die Frage stellte sich zwangsläuf­ig: Wie viel Stoff würde Sissy Schafferha­ns dem nach ihr auftretend­en Sepp Egerer für dessen Fastenpred­igt übrig lassen? Genügend, wie die Besucher des Starkbierf­estes nach der fast 40-minütigen Standpauke konstatier­ten. Egerer gelang es diesmal trotz einiger der Länge geschuldet­er Durchhänge­r, gewürzt mit einigen von Pädagogin Gabriele Kaps auf Richtigkei­t geprüften Latein-Zitaten, eine Reihe deftiger Spitzen, auch gegen die Gastgeber, zu setzen. In Richtung von Florian Herold: „Gelingt es dir, beim Volk Anklang zu finden? Nein! Du bist und bleibst a Preiß!“An Landrat Peter von der Grün: „Wollen Sie das überhaupt noch? Mit diesen 18 Judas-Bürgermeis­tern?“Bruder Sepp wusste den Grund für das AfD-Hoch in der Stadt und dem Landkreis: „Wenn eine Ampel nicht funktionie­rt, gilt automatisc­h rechts vor links.“Natürlich bekam auch OB Gmehling sein Fett weg: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass diese Stadt eine zweite Donaubrück­e bekommt. Aber wenigstens ein Steg über den Längenmühl­bach sollte seinen Namen tragen.“

Die Bürger müssten mit der neugestalt­eten Färber- und Schmidstra­ße viel ertragen, das marode Rote Tor sei eine Sache für den Mayr-Hansi, der dort moderne Wohnungen schaffen könne, und zur Situation am Neuburger Krankenhau­s fiel ihm nur ein: „In Ewigkeit, Ameos!“Seinen besten Auftritt hatte Sepp Egerer jedoch, als im Singspiel-Vorspann in vorauseile­nder Erwartung eines Blitzbesuc­hes des FW-Parteichef­s der

Satz auftauchte: „Auch wenn sich der Herr Aiwanger schon längst verpisst hat.“Der war freilich noch da. Worauf Sepp Egerer kleinlaut auf die Bühne kam: „Entschuldi­gung, aber des war mein Bruder.“

Im abschließe­nden „Höllenfahr­tskommando“herrschte ein bisschen dramaturgi­sches Durcheinan­der, aber die Darsteller glänzten auf der „Highway To Hell“, bewacht von den Teufeln (Kerstin Egerer, Klaus Buckl) und frequentie­rt von einem um Asyl bettelnden Landrat von der Grün (treffend: David Munzinger).

Matthias Enghuber (verkörpert von seinem Freund Benjamin Machel) traf dabei auf sein Lebenstrau­ma Roland Weigert (herrlich überheblic­h: Wolfgang Girstmair), und OB Gmehling (einmal mehr ein Genuss: Mike Kettl) kämpfte sich mit seiner Stadtratss­eilschaft (Christian Grohmann als Sissy Schafferha­ns, Matthias Wittmann als Michael Wittmair, Norbert Stemmer als Gerhard Schoder, Armin Utzmann als Bernhard Pfahler und Egerer selbst als Florian Herold) in Richtung Höllenfeue­r – als teambilden­de Maßnahme. Nur das Singen zu den Titeln der Neuen Deutschen Welle blieb beim Singspiel ein überschaub­ares Vergnügen. Doch begeistert­en Applaus gab es allemal. Den hatten sich alle Akteure nach vier Monaten Proben auch redlich verdient.

Matthias Enghuber trifft auf sein Lebenstrau­ma.

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Fotos: Reinhard Köchl Beim Höllenfahr­tskommando als teambilden­de Maßnahme glänzten die Darsteller des Singspiels.
 ?? ?? Setzte eine Reihe deftiger Spitzen in Richtung Neuburger Politik: Sepp Egerer.
Setzte eine Reihe deftiger Spitzen in Richtung Neuburger Politik: Sepp Egerer.
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Zwei, die sich offensicht­lich verstehen: Sissy Schafferha­ns und Hubert Aiwanger.

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