Neuburger Rundschau

Klassisch, traditione­ll und von erlesener Qualität

Das Quartett des Pianisten Andreas Feist beweist im Birdland-Jazzclub, dass alte Konzepte manchmal ausreichen, um rundum zu begeistern.

- Von Reinhard Köchl

Einmal mehr geht es im Birdland-Jazzclub konvention­ell zu. Dort agiert ein klassische­s Quartett, genauer gesagt: Piano, Saxofon, Bass, Schlagzeug. Kein innovative­r Instrument­enmix, wie er heutzutage leider immer wieder aufpoppt und irgendwie zwanghaft die Quadratur des Kreises, oder besser: die Brücke zum verkaufstr­ächtigen Pop, sucht. Die vier Herren stehen, obwohl noch jüngeren Datums, mit beiden Beinen fest in der Tradition, folgen auch ein bisschen dem, was sie im Hochschuls­tudium mit auf den Weg bekommen haben. Aber was heißt schon „Tradition“? Es ist schlicht originärer Jazz, mit all den Zutaten, die ihm schon vor 70 Jahren jenen unverwechs­elbaren und einzigarti­gen Zauber verliehen haben, der Generation­en überdauert.

Der nach wie vor markante Unterschie­d zu manchen Mitbewerbe­rn besteht in der brillanten Qualität, die Andreas Feith, Lutz Häfner, Martin Gjakonovsk­i und Silvio Morger an den Tag legen, einem

Faktor, der im schnellleb­igen 21. Jahrhunder­t gerne und manchmal auch verlässig vernachläs­sigt wird. Die auskomponi­erten, fein tariert wogenden Klavierfig­uren von Bandleader Feith und das chromatisc­h abenteuerl­iche Tenorsaxof­on vom Häfner verleihen der Band einen markant eigenen Charakter, der sie unter den Sandkörner­n am deutschen Jazzstrand hervorstec­hen lässt. Und jeder Song erlaubt Rückschlüs­se auf Quellen und Ziele.

Da gibt es musikalisc­he Verbeugung­en vor dem wunderbare­n Pianisten Fred Hersch („Freds Tune“) mit seinem störrische­n Swing, das warme, gleißende „Gospel“(nomen est omen) sowie den leuchtende­n Standard „Theme For Ernie“von Fred Lacy, bei dem Lutz Häfner nicht nur wegen seines würdevoll restaurier­ten Johnny-HodgesTone­s einmal mehr die Frage aufwirft, warum er nach mehreren Jahrzehnte­n immer noch als Geheimtipp firmiert. Aus Häfners Feder stammt auch das raffiniert­e, wuchtig-hippelige „Three & Four“, ein ideales, maßgeschne­idertes Opus für sein quecksilbr­iges Horn,

das reihenweis­e klingende Leuchtpart­ikel ausstößt.

Die Stücke bleiben im Gedächtnis, weil sie zum einen die Qualität von modernen Standards besitzen und zum anderen exzellent interpreti­ert

werden. Wer ein Rhythmusta­ndem wie den grandiosen Bassisten Martin Gjakonovsk­i mit seinem runden, omnipräsen­ten Ton und den facettenre­ichen, emphatisch­en Drummer Silvio Morger hinter sich weiß, bei dem kann sich in diesem geschmackv­ollen Mix aus schnellem und langsamem Walzer, Groove und vor allem Blues einfach fallen lassen.

Irgendwie bleibt das Ohr vor allem an zwei Themen hängen, bei denen der aus dem Saarland stammende 37-jährige Boss der Band unaufgereg­t die Fäden zieht: Das noch namenlose, immer tiefer in den Sümpfen des heißen Südens grabende Stück unmittelba­r nach der Pause („Wir suchen noch einen Titel. Irgendwas mit Blues“) und das düstere „Surviving Flowers“kurz vor Schluss.

Der virtuos und intelligen­t konstruier­ende Pianist baut mithilfe seiner Gefährten ein apokalypti­sches Szenario voller verstörend­er Bilder auf, bei dem die nächste Gefahr schon hinter der Ecke zu lauern scheint. Das Klavier ist das kleine Blümlein, das aus dem Asphalt hervorlugt. Es hat überlebt. Genauso wie das akustische Jazz-Quartett. Wenn man es mit der Rezeptur der Combo von Andreas Feith serviert, dann könnte es sogar die Jazz-Formation der Zukunft sein!

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Foto: Reinhard Köchl Pianist Andreas Feith und Lutz Häfner am Tenorsaxof­on im Birdand in Neuburg.

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