Ein Nigerianer wird Raumausstatter-Azubi
Das Unternehmen Skirde aus Ingolstadt hat einen Azubi gesucht – und ihn in einem Geflüchteten aus Nigeria gefunden. Bald macht Nosa Eguagie seine Gesellenprüfung.
Bis zu drei Lehrlinge bildete sein Vater, der die Firma Skirde Raumausstattung 1969 gegründet hatte, jedes Jahr aus. Bei Dirk Skirde war es dann oft nur noch einer. Und seit 2020 hatte der Inhaber des Raumausstattung-Unternehmens in Ingolstadt gar keinen Azubi mehr. Keine einzige Bewerbung ging seither ein.
Dann probierte der Ingolstädter etwas anderes. Über Umwege hatte er von einem Geflüchteten aus Nigeria gehört. „Der kann in Textil“hatte ein Bekannter ihm erzählt.
Dirk Skirde konnte den Nigerianer für eine Lehre zum Raumausstatter gewinnen. Im Sommer absolviert Nosa Eguagie nun die Gesellenprüfung. Und die Übernahme nach der Lehre bei der Firma Skirde ist bereits gesichert.
Zurückblickend resümiert Dirk Skirde heute: „Es lief viel besser, als wir befürchtet hatten.“Dabei waren die Voraussetzungen alles andere als optimal. Nosa Eguagie hatte in Nigeria zwar drei Jahre als Polsterer gearbeitet, sprach aber kein Wort Deutsch. 2015 war er mit seiner Frau und seinem Sohn nach Deutschland gekommen.
2017 starb seine Ehefrau. Trotzdem: Nosa Eguagie war für Dirk Skirde ein Glücksfall. „Über unserem Laden hatten wir eine freie Wohnung, in die Nosa mit seinem Sohn zog.“Doppelt gut für den alleinerziehenden Vater, denn er konnte sich auch mal um seinen Sohn kümmern. Der ist zwar in der Ganztagsbetreuung gut aufgehoben. Aber sollte er krank sein, schaut die ganze Belegschaft nach dem Jungen.
Mit der Lehre begann Nosa Eguagie, der perfekt Englisch spricht, Deutsch zu lernen. Kein einfaches Unterfangen. Die Assistierte Ausbildung (AsA) half und hilft ihm immer noch dabei, Hürden zu überwinden.
Das Angebot beinhaltet Förderunterricht für Sprache und Bildung. Dazu ist eine sozialpädagogische Begleitung möglich genauso wie die Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung oder in Krisensituationen. Und die Unternehmen werden bei der Verwaltung, Organisation und Durchführung der Ausbildung unterstützt. Der Erstkontakt läuft über die Berufsberatung.
Aber Nosa Eguagie ist auch sozial integriert – nicht nur über seinen Chef und die Arbeitskolleginnen in der Firma. Er spielt unter anderem in Haunwöhr Fußball. Und auch die befürchteten kulturellen Probleme blieben aus. „Wir fragten uns, wie ein Nigerianer darauf reagiert, wenn ihm Frauen Arbeitsaufträge geben.“Kein Problem. Heute kann Dirk Skirde über seine Befürchtungen lachen.
Die Kundenkontakte verliefen ebenfalls problemlos. „Bis auf ein einziges Mal in diesen drei Jahren. Der Kunde wollte keinen dunkelhäutigen Mitarbeiter in seinem Haus. Nun ja, er ist nicht mehr unser Kunde.“
Auch für die Agentur für Arbeit Ingolstadt ist Nosa Eguagie eine Erfolgsgeschichte, denn, so Leiter Johannes Kolb: „Azubis fehlen an allen Ecken und Enden. Daher suchen wir immer passende Einstiegsmöglichkeiten. Der heute nicht besetzte Ausbildungsplatz sorgt morgen für einen noch größeren Fachkräftemangel.“
Natürlich sei es ein größerer Aufwand und die eine oder andere Reiberei bleibe nicht aus, so Dirk Skirde: „Aber die gibt es mit deutschen Lehrlingen auch.“Der Handwerker jedenfalls ist froh, dass er im September einen Gesellen hat, den er kennt und von dem er weiß, was er kann.
Nosa Eguagie fühlt sich wohl in dem Beruf, der so vielseitig ist. Gardinen, Bodenbeläge und Polstermöbel, neu oder Sanierungen: Der nigerianische Ingolstädter hat viel gelernt. Nun bereitet er sich auf seine Gesellenprüfung vor. Sein Schwerpunkt wird die Polsterei sein. Der Stoff für das Polstermöbel, das er als Gesellenstück anfertigen will, ist bereits ausgesucht.
Und Dirk Skirde, ganz Unternehmern und Handwerker, denkt bereits weiter. Er braucht im Herbst wieder einen Auszubildenden. Der dürfte gerne auch Geflüchteter sein – oder vielleicht einmal eine Frau?