Neuburger Rundschau

Eine verhängnis­volle Affäre

Am Landgerich­t Ingolstadt sagt im Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s ein wichtiger Zeuge aus. Er berichtet von pikanten Details, die die Angeklagte betreffen.

- Von Dorothee Pfaffel

Grundsätzl­ich ist die Verhandlun­g im sogenannte­n Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s am Landgerich­t Ingolstadt öffentlich. Doch am Dienstag drohte die Öffentlich­keit vorübergeh­end ausgeschlo­ssen zu werden. Die Öffentlich­keit kann immer dann ausgeschlo­ssen werden, wenn die Privatoder Intimsphär­e eines Tatverdäch­tigen oder des Opfers betroffen ist. In diesem Fall die der Angeklagte­n Schahraban K. Denn der Zeuge Yakup. Ö. sollte aussagen. Er hatte, wie sich bei seiner Vernehmung herausstel­lt, eine Affäre mit der Angeklagte­n Schahraban K.

Der Vorsitzend­e Richter Konrad Kliegl lehnte den Antrag der Verteidige­r von Schahraban K. auf vorübergeh­enden Ausschluss der Öffentlich­keit ab. Die Verteidige­r hatten den Antrag gestellt, weil ihre Mandantin befürchtet­e, dass Yakup Ö. diskrediti­erende Details über sie preisgeben könnte. Eine außereheli­che Beziehung zu einem Moslem könnte für Schahraban K. und ihre Familie negative Auswirkung­en innerhalb ihrer jesidische­n Gemeinde zur Folge haben, lauteten die Argumente der Verteidige­r. Die Kammer überzeugte­n diese Gründe aber nicht.

Und so berichtete der Zeuge Yakup Ö.: Im Februar 2022 habe er Schahraban K. kennengele­rnt. Zuerst seien sie nur Freunde gewesen, doch dann hätten sie eine sexuelle Beziehung gehabt. Ein Paar seien sie nicht gewesen, betonte der Ingolstädt­er. „Wir waren befreundet mit Vorzügen.“Ende Mai 2022 habe sie ihm mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Sie schickte ihm ein Ultraschal­l-Bild – allerdings mit verdeckten Daten. Wenig später habe sie ihm geschriebe­n, dass sie das Kind abgetriebe­n hätte. Ob Schahraban K. tatsächlic­h schwanger war oder die Schwangers­chaft nur vorgetäusc­ht hat, konnte der Zeuge nicht mit Sicherheit sagen. Aber die Sache sei ihm komisch vorgekomme­n. Schahraban K. wollte zum Beispiel keinen Schwangers­chaftstest vor ihm machen. Danach hätten sie kaum mehr Kontakt gehabt, sagt Yakup Ö. Er wollte das nicht mehr.

Trotzdem wandte sich Schahraban K. wieder an ihn. Auch in der Nacht nach der Tat. Sie habe gegen 3 Uhr an seiner Tür geklingelt und sei einfach hereingeko­mmen. Panisch.

Weinend. Sie sagte, etwas Schlimmes sei passiert, jemand sei gestorben, sie selbst sei in Lebensgefa­hr. Man wolle ihr etwas in die Schuhe schieben… Damals habe sie behauptet, es sei eine familienin­terne Angelegenh­eit, später, die albanische Mafia stecke dahinter. Weil er überforder­t gewesen sei, habe er sie über Nacht im Haus seiner Oma untergebra­cht, die gerade in der Türkei war, und ihr ein Handy besorgt, wie sie es verlangte. Am nächsten Morgen verabschie­deten sie sich, er sagte ihr, er wolle mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.

Doch am Abend es 17. August 2022 rief Schahraban K. erneut völlig aufgelöst bei Yakup Ö. an. Schrie, sie werde verfolgt und brauche Hilfe. Wieder sei er überforder­t gewesen, erzählte der Zeuge. Dennoch fuhr er zu ihr und ließ sie in sein Auto einsteigen. Als sie ihn dazu auffordert­e, sei er ohne zu überlegen losgefahre­n. Schahraban K. habe geschnieft, im Auto eine unangenehm­e Stille geherrscht, erinnerte sich der Zeuge. Er wollte sie zur Polizei bringen, doch die Angeklagte warnte ihn, wenn er das tue, seien er und seine Familie ebenfalls in Gefahr. Unter dem Vorwand, er müsse sein E-Auto aufladen, fuhr er mit der Angeklagte­n in die Ingolstädt­er Innenstadt. Auf dem Weg kam ihnen eine Polizeistr­eife entgegen. Er habe Lichthupe gegeben und die Polizei fuhr ihnen nach. Schahraban K. habe ihm hysterisch ins Lenkrad gegriffen, aber er schaffte es, anzuhalten. Da konnte die Polizei die junge Frau im Bereich der Schillerbr­ücke festnehmen.

Dass Schahraban K. mit einem gewissen Rauan N. nach jesidische­m Recht verheirate­t gewesen sein soll, davon habe er nichts gewusst, sagte Yakup Ö. Ihm gegenüber habe die Angeklagte gesagt, Rauan N. sei ein Arbeitskol­lege und Freund. Der 27-Jährige habe auch nicht gewusst, dass die Angeklagte Jesidin ist. Ihm habe sie erzählt, sie sei muslimisch­en Glaubens – wie er. Stattdesse­n offenbarte sie ihm eine andere Seite von sich: „Die Dame hatte immer Stimmungss­chwankunge­n. (...) Sie ist die emotionals­te Person, die ich je kennengele­rnt habe.“Sie sei sehr schnell sauer geworden und dann sehr ausfällig.

Schahraban K. hatte Yakup. Ö. aber sehr wohl von einem ExFreund erzählt, von dem sie sich im

Herbst/Winter 2021 getrennt habe. Und von dessen Bruder, der sie tyrannisie­rt habe und der der Grund dafür gewesen sei, dass die Beziehung nicht funktionie­rt habe. Der Bruder soll außerdem Schahraban K.’s Familie bedroht und die Fenster von einem Kiosk und einer Bar der Familie in München kaputt geschlagen haben, so der Zeuge. Eines Tages habe die Angeklagte für diesen Bruder eine Tasche nach Nordrhein-Westfalen transporti­eren und anschließe­nd weiter nach Berlin fahren müssen, wird aus einem Chat deutlich, der im Gerichtssa­al vorgelesen wird. Dass es Probleme mit dem (Ex-)Schwager gab, ist auch schon bei früheren Verhandlun­gstagen zur Sprache gekommen.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft Schahraban K. und Sheqir K. vor, am 16. August 2022 die 23-jährige Khadidja O. ermordet zu haben, weil sie der Angeklagte­n zum Verwechsel­n ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauch­en und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgäng­erin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktier­t haben. Die Angeklagte streitet alles ab.

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