Eine verhängnisvolle Affäre
Am Landgericht Ingolstadt sagt im Doppelgängerinnen-Mordprozess ein wichtiger Zeuge aus. Er berichtet von pikanten Details, die die Angeklagte betreffen.
Grundsätzlich ist die Verhandlung im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt öffentlich. Doch am Dienstag drohte die Öffentlichkeit vorübergehend ausgeschlossen zu werden. Die Öffentlichkeit kann immer dann ausgeschlossen werden, wenn die Privatoder Intimsphäre eines Tatverdächtigen oder des Opfers betroffen ist. In diesem Fall die der Angeklagten Schahraban K. Denn der Zeuge Yakup. Ö. sollte aussagen. Er hatte, wie sich bei seiner Vernehmung herausstellt, eine Affäre mit der Angeklagten Schahraban K.
Der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl lehnte den Antrag der Verteidiger von Schahraban K. auf vorübergehenden Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Die Verteidiger hatten den Antrag gestellt, weil ihre Mandantin befürchtete, dass Yakup Ö. diskreditierende Details über sie preisgeben könnte. Eine außereheliche Beziehung zu einem Moslem könnte für Schahraban K. und ihre Familie negative Auswirkungen innerhalb ihrer jesidischen Gemeinde zur Folge haben, lauteten die Argumente der Verteidiger. Die Kammer überzeugten diese Gründe aber nicht.
Und so berichtete der Zeuge Yakup Ö.: Im Februar 2022 habe er Schahraban K. kennengelernt. Zuerst seien sie nur Freunde gewesen, doch dann hätten sie eine sexuelle Beziehung gehabt. Ein Paar seien sie nicht gewesen, betonte der Ingolstädter. „Wir waren befreundet mit Vorzügen.“Ende Mai 2022 habe sie ihm mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Sie schickte ihm ein Ultraschall-Bild – allerdings mit verdeckten Daten. Wenig später habe sie ihm geschrieben, dass sie das Kind abgetrieben hätte. Ob Schahraban K. tatsächlich schwanger war oder die Schwangerschaft nur vorgetäuscht hat, konnte der Zeuge nicht mit Sicherheit sagen. Aber die Sache sei ihm komisch vorgekommen. Schahraban K. wollte zum Beispiel keinen Schwangerschaftstest vor ihm machen. Danach hätten sie kaum mehr Kontakt gehabt, sagt Yakup Ö. Er wollte das nicht mehr.
Trotzdem wandte sich Schahraban K. wieder an ihn. Auch in der Nacht nach der Tat. Sie habe gegen 3 Uhr an seiner Tür geklingelt und sei einfach hereingekommen. Panisch.
Weinend. Sie sagte, etwas Schlimmes sei passiert, jemand sei gestorben, sie selbst sei in Lebensgefahr. Man wolle ihr etwas in die Schuhe schieben… Damals habe sie behauptet, es sei eine familieninterne Angelegenheit, später, die albanische Mafia stecke dahinter. Weil er überfordert gewesen sei, habe er sie über Nacht im Haus seiner Oma untergebracht, die gerade in der Türkei war, und ihr ein Handy besorgt, wie sie es verlangte. Am nächsten Morgen verabschiedeten sie sich, er sagte ihr, er wolle mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.
Doch am Abend es 17. August 2022 rief Schahraban K. erneut völlig aufgelöst bei Yakup Ö. an. Schrie, sie werde verfolgt und brauche Hilfe. Wieder sei er überfordert gewesen, erzählte der Zeuge. Dennoch fuhr er zu ihr und ließ sie in sein Auto einsteigen. Als sie ihn dazu aufforderte, sei er ohne zu überlegen losgefahren. Schahraban K. habe geschnieft, im Auto eine unangenehme Stille geherrscht, erinnerte sich der Zeuge. Er wollte sie zur Polizei bringen, doch die Angeklagte warnte ihn, wenn er das tue, seien er und seine Familie ebenfalls in Gefahr. Unter dem Vorwand, er müsse sein E-Auto aufladen, fuhr er mit der Angeklagten in die Ingolstädter Innenstadt. Auf dem Weg kam ihnen eine Polizeistreife entgegen. Er habe Lichthupe gegeben und die Polizei fuhr ihnen nach. Schahraban K. habe ihm hysterisch ins Lenkrad gegriffen, aber er schaffte es, anzuhalten. Da konnte die Polizei die junge Frau im Bereich der Schillerbrücke festnehmen.
Dass Schahraban K. mit einem gewissen Rauan N. nach jesidischem Recht verheiratet gewesen sein soll, davon habe er nichts gewusst, sagte Yakup Ö. Ihm gegenüber habe die Angeklagte gesagt, Rauan N. sei ein Arbeitskollege und Freund. Der 27-Jährige habe auch nicht gewusst, dass die Angeklagte Jesidin ist. Ihm habe sie erzählt, sie sei muslimischen Glaubens – wie er. Stattdessen offenbarte sie ihm eine andere Seite von sich: „Die Dame hatte immer Stimmungsschwankungen. (...) Sie ist die emotionalste Person, die ich je kennengelernt habe.“Sie sei sehr schnell sauer geworden und dann sehr ausfällig.
Schahraban K. hatte Yakup. Ö. aber sehr wohl von einem ExFreund erzählt, von dem sie sich im
Herbst/Winter 2021 getrennt habe. Und von dessen Bruder, der sie tyrannisiert habe und der der Grund dafür gewesen sei, dass die Beziehung nicht funktioniert habe. Der Bruder soll außerdem Schahraban K.’s Familie bedroht und die Fenster von einem Kiosk und einer Bar der Familie in München kaputt geschlagen haben, so der Zeuge. Eines Tages habe die Angeklagte für diesen Bruder eine Tasche nach Nordrhein-Westfalen transportieren und anschließend weiter nach Berlin fahren müssen, wird aus einem Chat deutlich, der im Gerichtssaal vorgelesen wird. Dass es Probleme mit dem (Ex-)Schwager gab, ist auch schon bei früheren Verhandlungstagen zur Sprache gekommen.
Die Staatsanwaltschaft wirft Schahraban K. und Sheqir K. vor, am 16. August 2022 die 23-jährige Khadidja O. ermordet zu haben, weil sie der Angeklagten zum Verwechseln ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. Die Angeklagte streitet alles ab.