Gefährden Rehe die Zukunft des Waldes?
Weil Rehe viele Bäume anbeißen, die für einen beständigen Wald im Wittelsbacher Land wichtig sind, soll nun ein Gutachten klären, ob mehr Tiere geschossen werden müssten.
Wie sieht es mit dem Wildverbiss in den Wäldern im Landkreis Aichach-Friedberg aus? Alle drei Jahre lässt das Forstamt ein Vegetationsgutachten erstellen, das auch Auskunft über den Zustand des Waldes gibt. Kürzlich fiel der Startschuss für die aktuellen Erhebungen. Noch ist das Ergebnis offen, aber einige Experten haben eine starke Vermutung, wie es ausfallen wird. Bernhard Breitsameter, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Aichach, formuliert es so: „Entweder wir müssen alle neuen Bäume einzäunen, oder es gelingt uns, das Rehwild zu reduzieren.“
Für Breitsameter steht fest: In den Wäldern im Wittelsbacher Land sind aktuell zu viele Rehe unterwegs. Diese haben es vor allem auf die Knospen von jungen Tannen und Laubbäumen wie Eiche, Ahorn oder Buche abgesehen. Dadurch wachsen diese Bäume, die für einen zukunftsfähigen Wald gebraucht werden, entweder viel langsamer oder gar nicht mehr. Manchmal werden die Pflanzen auch ganz herausgerissen. Die Fichten dagegen stehen kaum auf dem Speiseplan der Rehe und werden daher kaum verbissen. Das führt dazu, dass gerade jene Bäume überleben, die sehr anfällig sind, was den Borkenkäfer, die Trockenheit und Stürme betrifft.
Rudi Brandl ist Beamter der Bayerischen Forstverwaltung, Leiter des Forstreviers Eurasburg und für die Wälder im Süden des Landkreises Aichach-Friedberg zuständig. Auch er sieht dringenden Handlungsbedarf, um die Wälder im Landkreis zukunftsfähig zu machen. Ideal wäre die Naturverjüngung. Das bedeutet, die Natur regelt ihren Fortbestand selbst. Dazu müssen die Baumbestände aufgelichtet werden, das heißt, alte Bäume müssen entnommen werden, sodass mehr Licht auf den Waldboden kommt. So können sich neue Mischwälder ausbreiten. Die Samen für die Naturverjüngung werden meist mit dem Wind verteilt oder von Tieren wie dem Eichelhäher und den
Eichhörnchen. Dieser Mischwald kann aber nur wachsen, wenn „die Rehbestände in einem angepassten Verhältnis zu ihrem Lebensraum stehen“, so Brandl.
Das Verbissgutachten soll am Ende zeigen, in welchen Waldgebieten zu viele Rehe – oder im Pöttmeser Raum – auch Dammwild leben. Daraus ergibt sich dann eine Abschussempfehlung für die Jäger. Brandl weist allerdings darauf hin, dass beim Vegetationsgutachten große Hegegemeinschaften, in denen viele Jagdreviere zusammengefasst sind, betrachtet werden. Das sei am Ende „eine statistische Aussage über einen großen Raum und eine lange Zeit“, so der Eurasburger Revierförster. Wer konkrete Angaben zum einzelnen Jagdrevier will, muss beim zuständigen Förster eine „revierweise Aussage“beantragen. Das bringe die Förster neben ihren weiteren, umfangreichen Aufgaben aber manchmal in Zeitnot.
Eine allgemeingültige Aussage über den Landkreis Aichach-Friedberg hat das vorherige Gutachten aus dem Jahr 2021 nicht gebracht. Die Verhältnisse sind von Revier zu Revier unterschiedlich und führen daher auch zu teils gegensätzlichen Empfehlungen: von „Abschuss deutlich erhöhen“bis hin zu „Abschuss senken“. Bernhard Breitsameter berichtet dennoch, dass es im Landkreisnorden mehr Verbesserungsbedarf gebe als im -süden. Der
Bestand der Rehe müsse gesenkt werden. Allerdings nur, solange es nötig ist. „Sobald wir einen klimabeständigen Wald haben, wird es dort ein riesiges Nahrungsangebot geben. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.“
Alle Beteiligten sind sich einig, dass Förster, Waldbesitzer und Jäger dafür an einem Strang ziehen müssten. Laut Brandl klappe die Zusammenarbeit unterschiedlich gut. „Es menschelt“, sagt er. Paul Berchtenbreiter
ist Vorsitzender des Jagdschutzund Jägervereins Aichach. Er bezeichnet das Verbissgutachten als hilfreichen Anhaltspunkt für die Jäger und Revierpächter. Auf die Frage, ob die Jäger im Raum Aichach zu wenig Rehe schössen, antwortet er: „Die Jäger achten schwer darauf, dass sich der Verbiss im Rahmen hält.“Schließlich seien sie auch an einem widerstandsfähigen Wald interessiert. Breitsameter würde sich als Anreiz für die Waldbesitzer und Jäger wünschen, dass für vorbildliche Reviere staatliche Regelungen wegfielen.
Wie das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Augsburg in seiner Pressemitteilung schreibt, erstellt die Bayerische
Wälder müssen zukunftsfähig werden.
Forstverwaltung derzeit für die rund 750 Hegegemeinschaften in Bayern die forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung. Auch in den sieben Hegegemeinschaften im Landkreis Aichach-Friedberg werden die örtlichen Jagdgenossenschaften und Jäger in diesen Prozess mit eingebunden. „Wir richten auch dieses Jahr die Aufforderung an Waldbesitzer und Jäger, sich an den Aufnahmen zu beteiligen“, betont Ralf Gang, Bereichsleiter Forsten am AELF Augsburg.
Die Auswahl der Aufnahmeflächen folgt einem systematisch angelegten Gitternetz. Pro Hegegemeinschaft werden für 30 bis 40 Gitternetzpunkte der jeweils nächstgelegene Nachwuchs erfasst. Auf jeder dieser Verjüngungsflächen begutachten die Aufnehmenden eine festgelegte Anzahl Bäumchen bis zur maximalen Verbisshöhe. Daraus ergibt sich für jede Hegegemeinschaft ein Gutachten, das die Situation der Waldverjüngung und den Einfluss des Wildes beleuchtet sowie Abschussempfehlungen abgibt.