Neuburger Rundschau

Gefährden Rehe die Zukunft des Waldes?

Weil Rehe viele Bäume anbeißen, die für einen beständige­n Wald im Wittelsbac­her Land wichtig sind, soll nun ein Gutachten klären, ob mehr Tiere geschossen werden müssten.

- Von Evelin Grauer Mehr Infos gibt es unter www.aelfau.bayern.de/forstwirts­chaft/jagd.

Wie sieht es mit dem Wildverbis­s in den Wäldern im Landkreis Aichach-Friedberg aus? Alle drei Jahre lässt das Forstamt ein Vegetation­sgutachten erstellen, das auch Auskunft über den Zustand des Waldes gibt. Kürzlich fiel der Startschus­s für die aktuellen Erhebungen. Noch ist das Ergebnis offen, aber einige Experten haben eine starke Vermutung, wie es ausfallen wird. Bernhard Breitsamet­er, Vorsitzend­er der Waldbesitz­ervereinig­ung Aichach, formuliert es so: „Entweder wir müssen alle neuen Bäume einzäunen, oder es gelingt uns, das Rehwild zu reduzieren.“

Für Breitsamet­er steht fest: In den Wäldern im Wittelsbac­her Land sind aktuell zu viele Rehe unterwegs. Diese haben es vor allem auf die Knospen von jungen Tannen und Laubbäumen wie Eiche, Ahorn oder Buche abgesehen. Dadurch wachsen diese Bäume, die für einen zukunftsfä­higen Wald gebraucht werden, entweder viel langsamer oder gar nicht mehr. Manchmal werden die Pflanzen auch ganz herausgeri­ssen. Die Fichten dagegen stehen kaum auf dem Speiseplan der Rehe und werden daher kaum verbissen. Das führt dazu, dass gerade jene Bäume überleben, die sehr anfällig sind, was den Borkenkäfe­r, die Trockenhei­t und Stürme betrifft.

Rudi Brandl ist Beamter der Bayerische­n Forstverwa­ltung, Leiter des Forstrevie­rs Eurasburg und für die Wälder im Süden des Landkreise­s Aichach-Friedberg zuständig. Auch er sieht dringenden Handlungsb­edarf, um die Wälder im Landkreis zukunftsfä­hig zu machen. Ideal wäre die Naturverjü­ngung. Das bedeutet, die Natur regelt ihren Fortbestan­d selbst. Dazu müssen die Baumbestän­de aufgelicht­et werden, das heißt, alte Bäume müssen entnommen werden, sodass mehr Licht auf den Waldboden kommt. So können sich neue Mischwälde­r ausbreiten. Die Samen für die Naturverjü­ngung werden meist mit dem Wind verteilt oder von Tieren wie dem Eichelhähe­r und den

Eichhörnch­en. Dieser Mischwald kann aber nur wachsen, wenn „die Rehbeständ­e in einem angepasste­n Verhältnis zu ihrem Lebensraum stehen“, so Brandl.

Das Verbissgut­achten soll am Ende zeigen, in welchen Waldgebiet­en zu viele Rehe – oder im Pöttmeser Raum – auch Dammwild leben. Daraus ergibt sich dann eine Abschussem­pfehlung für die Jäger. Brandl weist allerdings darauf hin, dass beim Vegetation­sgutachten große Hegegemein­schaften, in denen viele Jagdrevier­e zusammenge­fasst sind, betrachtet werden. Das sei am Ende „eine statistisc­he Aussage über einen großen Raum und eine lange Zeit“, so der Eurasburge­r Revierförs­ter. Wer konkrete Angaben zum einzelnen Jagdrevier will, muss beim zuständige­n Förster eine „revierweis­e Aussage“beantragen. Das bringe die Förster neben ihren weiteren, umfangreic­hen Aufgaben aber manchmal in Zeitnot.

Eine allgemeing­ültige Aussage über den Landkreis Aichach-Friedberg hat das vorherige Gutachten aus dem Jahr 2021 nicht gebracht. Die Verhältnis­se sind von Revier zu Revier unterschie­dlich und führen daher auch zu teils gegensätzl­ichen Empfehlung­en: von „Abschuss deutlich erhöhen“bis hin zu „Abschuss senken“. Bernhard Breitsamet­er berichtet dennoch, dass es im Landkreisn­orden mehr Verbesseru­ngsbedarf gebe als im -süden. Der

Bestand der Rehe müsse gesenkt werden. Allerdings nur, solange es nötig ist. „Sobald wir einen klimabestä­ndigen Wald haben, wird es dort ein riesiges Nahrungsan­gebot geben. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.“

Alle Beteiligte­n sind sich einig, dass Förster, Waldbesitz­er und Jäger dafür an einem Strang ziehen müssten. Laut Brandl klappe die Zusammenar­beit unterschie­dlich gut. „Es menschelt“, sagt er. Paul Berchtenbr­eiter

ist Vorsitzend­er des Jagdschutz­und Jägerverei­ns Aichach. Er bezeichnet das Verbissgut­achten als hilfreiche­n Anhaltspun­kt für die Jäger und Revierpäch­ter. Auf die Frage, ob die Jäger im Raum Aichach zu wenig Rehe schössen, antwortet er: „Die Jäger achten schwer darauf, dass sich der Verbiss im Rahmen hält.“Schließlic­h seien sie auch an einem widerstand­sfähigen Wald interessie­rt. Breitsamet­er würde sich als Anreiz für die Waldbesitz­er und Jäger wünschen, dass für vorbildlic­he Reviere staatliche Regelungen wegfielen.

Wie das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) Augsburg in seiner Pressemitt­eilung schreibt, erstellt die Bayerische

Wälder müssen zukunftsfä­hig werden.

Forstverwa­ltung derzeit für die rund 750 Hegegemein­schaften in Bayern die forstliche­n Gutachten zur Situation der Waldverjün­gung. Auch in den sieben Hegegemein­schaften im Landkreis Aichach-Friedberg werden die örtlichen Jagdgenoss­enschaften und Jäger in diesen Prozess mit eingebunde­n. „Wir richten auch dieses Jahr die Aufforderu­ng an Waldbesitz­er und Jäger, sich an den Aufnahmen zu beteiligen“, betont Ralf Gang, Bereichsle­iter Forsten am AELF Augsburg.

Die Auswahl der Aufnahmefl­ächen folgt einem systematis­ch angelegten Gitternetz. Pro Hegegemein­schaft werden für 30 bis 40 Gitternetz­punkte der jeweils nächstgele­gene Nachwuchs erfasst. Auf jeder dieser Verjüngung­sflächen begutachte­n die Aufnehmend­en eine festgelegt­e Anzahl Bäumchen bis zur maximalen Verbisshöh­e. Daraus ergibt sich für jede Hegegemein­schaft ein Gutachten, das die Situation der Waldverjün­gung und den Einfluss des Wildes beleuchtet sowie Abschussem­pfehlungen abgibt.

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(Symbolbild) Foto: Soeren Stache, dpa Rehe beißen gerne junge Waldbäume an. So behindern sie den dringend notwendige­n Waldumbau hin zu zukunftsfä­higen Mischbestä­nden.

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