Neuburger Rundschau

Blutspuren belasten den Angeklagte­n

An Tag 13 des Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­ses wird es blutig am Landgerich­t Ingolstadt. Die Notärztin, die am Fundort der Leiche war, sagt aus, später folgt die Rechtsmedi­zin.

- Von Dorothee Pfaffel

Der Doppelgäng­erinnenMor­dprozess, der derzeit am Landgerich­t Ingolstadt verhandelt wird, ist nichts für schwache Nerven. Dies zeigt sich einmal mehr am Donnerstag, Tag 13 der Verhandlun­g. Als Zeugen geladen sind die Notärztin, die noch versucht hat, Khadidja O. wiederzube­leben, und ihr Sanitäterk­ollege, außerdem die rechtsmedi­zinische Gutachteri­n sowie ein Biomechani­ker, der die Blutspuren untersucht hat.

Als sie an den Fundort kam, sei Khadidja O. in dem schwarzen Mercedes aufrecht hinter dem Fahrersitz auf der Rückbank gesessen – fast wie ein normaler Passagier, erinnert sich die Notärztin. Dabei war in dieser Situation nichts normal. Sie hätten die Frau mit den Beinen voran aus dem Fahrzeug geschoben und neben dem Auto auf der Straße abgelegt, fährt die Zeugin fort. Eine Wange der Frau war stark verletzt, die Gesichtszü­ge aber noch erkennbar. Es sei kein Puls zu spüren gewesen, kein Atem. Da begannen sie mit der Reanimatio­n. Doch schon bald wurde klar, dass der Frau nicht mehr zu helfen war. Sie reagierte nicht, ihre Handgelenk­e waren schon wächsern, ihr Kiefer und ihre Beine starr. Also erklärte die Notärztin die 23-jährige Khadidja O. für tot.

Ihr Kollege tritt nach der Ärztin in den Zeugenstan­d. Er hielt die Frau seiner Erinnerung nach am Oberkörper, als sie sie aus dem Auto bargen. Dann schnitt er ihr enges, schwarzes Kleid auf und half bei den Reanimatio­nsmaßnahme­n. Khadidja O. habe sehr viele Stichwunde­n gehabt, sagt der Sanitäter. Der Blutfluss sei massiv gewesen. „Das Blut ist mir in die Handschuhe gelaufen.“Als die Kammer dem 24-Jährigen ein Foto der Rückbank des Autos zeigt, ringt er um Fassung, muss weinen. Der Vorfall hänge ihm immer noch nach, gibt der Zeuge zu.

Danach stellt die Gerichtsme­dizinerin ihren Obduktions­bericht vor. Sie will sich zwar nicht gänzlich festlegen, doch beschreibt sie ein einschneid­iges Messer mit einer Klingenlän­ge von acht bis zehn Zentimeter­n als mögliches Tatwerkzeu­g. Mehrere Tatwerkzeu­ge seien ebenfalls denkbar. Als Todesursac­he des Opfers gibt die Sachverstä­ndige Verbluten an, genauer einen „hämorrhagi­schen Schock“durch enormen Blutverlus­t. Ob es sich um einen oder mehrere Täter gehandelt habe, kann die Expertin nicht sagen. Trotz der erhebliche­n Gewalteinw­irkung komme sowohl ein Mann als auch eine Frau für die Ausübung der Stiche infrage. Denn dabei spiele nicht nur die

Kraft, sondern auch die Geschwindi­gkeit der Zustechbew­egung eine Rolle. Das heißt: Je schneller, desto weniger Kraft ist nötig. Insgesamt wurden Khadidja O. 52 Stich- und neun Schnittver­letzungen zugefügt, wobei insbesonde­re die Stiche in Herz und Lunge tödlich waren, so die Gerichtsme­dizinerin. Zu dieser großen Anzahl kommen noch die Verletzung­en, die durch den metallenen Schlagring entstanden sind, mit dem Khadidja O. niedergesc­hlagen wurde.

Aussagekrä­ftiger ist das Blutspuren­gutachten, das der Biomechani­ker vorträgt. Er erzählt von Blutspuren außen an dem schwarzen Mercedes, in dem Khadidja O. gefunden wurde. Diese seien dem Angeklagte­n Sheqir K. zuzuordnen. Das meiste Blut im Auto stamme hingegen von der Geschädigt­en. Die Blutspuren im Mercedes und Einstiche beziehungs­weise Schnitte in der Polsterung sprechen nach Ansicht des Experten dafür, dass ein dynamische­s Tatgescheh­en im Fahrzeug stattgefun­den habe. Die Blutmenge sei aber viel geringer, als man sie bei den enormen Verletzung­en des Opfers erwarten würde, so der Gutachter. Deshalb geht der Biomechani­ker davon aus, dass sich lediglich ein Teil der Tat im Auto abgespielt hat. Er vermutet, dass auch außerhalb des Fahrzeugs auf Khadidja O. eingestoch­en wurde. Seine Feststellu­ngen würden der Einlassung der Angeklagte­n Schahraban K. dennoch nicht zwingend widersprec­hen, betont der Sachverstä­ndige. Sie hatte ausgesagt, dass Sheqir K. die Stiche im

Auto ausgeführt habe. Auch der Biomechani­ker kann die zierliche Schahraban K. nicht als Täterin ausschließ­en. Einer Studie zufolge seien selbst weit unterdurch­schnittlic­h starke Frauen dazu in der Lage, ausreichen­d Schwung aufzubring­en, um mit einem Messer eine Schädeldec­ke zu durchdring­en.

Der Blutspuren­experte hat neben dem Mercedes außerdem die Wohnung des Angeklagte­n und den Ort, an dem die Angeklagte die Nacht nach der Tat verbracht hat, untersucht. Im Bad von Sheqir K. konnte er Blut nachweisen: an den Armaturen des Waschbecke­ns, am Boden und am Duschvorha­ng. Allerdings seien die Mengen so gering, dass man daraus keine sicheren Schlüsse ziehen könne, schränkt der Gutachter ein.

Das wird den Angeklagte­n vorgeworfe­n: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. die 23-jährige Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagte­n zum Verwechsel­n ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauch­en und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgäng­erin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktier­t haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft. Die Anklage hinsichtli­ch beider Beschuldig­ter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderun­gen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangekla­gten, der noch nicht ausgesagt hat, hat sie schwer belastet.

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Foto: Dorothee Pfaffel Der Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s am Landgerich­t Ingolstadt: Tag 13.

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