Sie protestieren „bis zum Umschwung“
Zwei Monate nach dem großen Bauernprotest im Landkreis rollen diesen Samstag wieder die Traktoren. Zwei Teilnehmer erzählen, was sich seitdem getan hat und was sie sich jetzt von der Politik erwarten.
Neuburg-Schrobenhausen Diesen Samstag fahren sie wieder. Landwirte, Spediteure, Handwerker und all jene, die sich zum Mittelstand zählen und seit mittlerweile drei Monaten gegen eine Politik protestieren, die sich ihrer Meinung nach gegen die Masse der deutschen Unternehmer richtet. „Wir sind diejenigen, die die Party bezahlen“, sagt Markus Hofner aus Bruck und meint damit, dass mittelständische Betriebe den größten Teil der Wirtschaftsleistung in diesem Land stemmen, die meisten Mitarbeiter beschäftigen und damit erheblich zum Steueraufkommen in Deutschland beitragen. Und deshalb brauche es endlich wieder eine Politik, die in deren Sinne denkt. Welche Partei dazu in der Lage ist, vermag der 52-jährige Spediteur nicht zu sagen. Klar ist nur: Die Ampelregierung ist es sicherlich nicht. Und deshalb hat er fest vor, am Samstag bei der großen Protestrundfahrt wieder mitzufahren.
Neben ihm sitzt Landwirt Maximilian Gottschall aus Ludwigsmoos und stimmt ihm zu. Beide waren sie am 8. Januar beim Bauernprotest durch den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen und Ingolstadt dabei, beide haben damals im Gespräch mit der Neuburger Rundschau geschildert, warum es längst Zeit wurde, auf die Straße zu gehen. Neun Wochen sind seitdem vergangenen, in denen zwischen Lübeck und Garmisch mutmaßlich Tausende von kleinen und großen Demonstrationen unterschiedlichster Art stattgefunden haben. Auch Gottschall und Hofner waren auf einigen in der Region, doch die Stimmung hat sich bei ihnen seitdem nicht verbessert.
„Im Gegenteil, es ist sogar noch schlimmer geworden“, spricht Gottschall für sich. Dass auf der Handwerksmesse in München am Eröffnungstag mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Landwirten und Handwerkern der Zutritt untersagt wurde, weil sie dort gegen die Ampelregierung demonstrieren wollten, schockiert den 33-Jährigen. „So weit ist es mit unserer Demokratie her“, sagt er und schiebt gleich noch ein anderes Beispiel hinterher: die Demos gegen Rechtsextremismus. Dass diese „zufällig“ebenfalls im Januar allgegenwärtig werden, will Gottschall nicht glauben. Seine Vermutung: Regierung und Medien hätten das Thema gezielt „aus dem Hut gezaubert“, um die Aufmerksamkeit von den Bauern wegzulenken.
Nicht nur nach Auffassung von Gottschall und Hofner sei das mediale Interesse an den Bauernprotesten zu gering gewesen. Landwirte blockierten mit ihren Traktoren Medienhäuser und verhinderten bzw. verzögerten die Zeitungsauslieferung. Ihre Kritik: Die Presse hätte zu wenig, zu einseitig oder falsch über ihre Belange berichtet. Auch in den TV-Talk-Runden sei es immer seltener um die Mittelstandsproteste und immer öfter um die AfD und ihre Remigrationspläne gegangen. „Das kann kein Zufall sein“, ist sich Gottschall sicher.
Längst haben die Landwirte nicht nur die Straße zu ihrer Plattform gemacht. Die Zentrallager von Supermarktketten waren ebenso Ziel der Protestbewegung wie die Fähre, mit der Habeck und seine Ehefrau von einer nordfriesischen Insel zurückkamen. Die Aktionen finden Zustimmung bei Gottschall und Hofner, ebenso wie die massiven Proteste in Biberach im Vorfeld des Politischen Aschermittwochs der Grünen, der daraufhin abgesagt wurde. „Der Mittelstand kann mit den Grünen nix mehr anfangen“, sagt Hofner. „Lauter Ideologen“seien das nur noch.
Wer könnte es also besser machen? An dieser Frage beißen sich auch Maximilian Gottschall und Markus Hofner die Zähne aus. Hubert Aiwanger hat durch seine Präsenz bei etlichen Bauernprotesten schon mal Pluspunkte gesammelt. Auf der Theresienwiese in München etwa „hat mir der Hubsi aus der Seele geredet“, bekennt Hofner. Problem: Die Freien Wähler haben auf Bundesebene noch nichts zu sagen. Vielleicht ändert sich das nächstes Jahr bei der Bundestagswahl, „aber die Frage ist, ob sie’s dann auch so machen, wie sie jetzt sagen“, gibt sich Gottschall skeptisch. CDU/CSU wären im Grunde ja nicht verkehrt, aber keinesfalls in einer Koalition mit den Grünen, sind sich beide einig. Und die AfD? Sie solidarisierte sich ja mit den Landwirten, ihr Parteiprogramm lehnt jedoch Subventionen grundsätzlich ab. Um ein Signal in Richtung Berlin zu senden, schließt Gottschall eine „Protestwahl“ trotzdem nicht aus. Hofner dagegen sagt: „Die AfD ist nicht unsere Liga, nicht im Ansatz.“
Während Bauern und ihre Unterstützer ungebrochen quer durch die Republik rebellieren, wird in Berlin an einem Entlastungspaket gebastelt. Steuerliche Erleichterungen soll es geben und weniger Papierkram. Die Einführung einer Agrar-Kfz-Steuer wurde bereits mit Beginn der Protestwelle gestrichen und die Steuersubvention auf Agrardiesel schrittweise über drei Jahre zurückgenommen. Auch die auf EU-Ebene diskutierten Flächenstilllegungen sind kein Thema mehr. Und trotzdem kehrt keine Ruhe ein – weil das Grundproblem der Landwirtschaft eines ist, das sich nur schwer lösen lässt und auf das auch Gottschall und Hofner keine Antwort parat haben.
Um das zu verstehen, muss man in die 1960er-Jahre zurückblicken. Damals haben Politik und Bauernverband beschlossen, dass deutsche Lebensmittel günstig bleiben sollen, um auf dem Weltmarkt mithalten zu können. Weil die Konkurrenz in Osteuropa oder Südamerika aber günstiger produzieren kann, wurden die Agrarsubventionen eingeführt. Als über die Jahrzehnte immer mehr Umwelt- und Tierwohlauflagen dazukamen, steuerte die Politik mit immer neuen Förderprogrammen und Rückerstattungen
entgegen, um den Lebensmittelpreis niedrig zu halten. Mittlerweile machen solche Zahlungen, je nach Größe des Betriebs, mehr oder weniger die Hälfte des Gewinns aus.
Was Gottschall ärgert, sind nicht die hohen Auflagen, die er in seinem Betrieb in Ludwigsmoos erfüllen muss. Im Gegenteil: Die Art und Weise und die Sorgfalt, die hierzulande in der Produktion steckt, findet er gut. Allerdings sollte das für alle landwirtschaftlichen Betriebe in Europa und darüber hinaus gelten. „Pflanzenschutz- und Düngeverbot weltweit“, ruft er euphorisch aus. Was er überspitzt formuliert sagen will: Wenn alle unter denselben Bedingungen produzieren müssten, wäre der Preisunterschied nicht so enorm, und es gäbe weniger Konkurrenz.
„Das Hauptproblem ist die Gleichstellung“, sagt Gottschall und kritisiert, dass die letzten Beschlüsse dieses Problem befeuert hätten. Deswegen sind die Landwirte auf die Barrikaden gegangen, weil sie sich fragen: Was kommt als Nächstes? Darauf hat zumindest der Ludwigsmooser schon eine Antwort: Er befürchtet, dass billiger Weizen aus der Ukraine, der über den Solidaritätskorridor nach Deutschland kommt, den heimischen Markt ruiniere. Erste Rückmeldungen über einen Preisverfall habe er schon bekommen, erzählt er. Und da sie wieder, die Konkurrenz aus dem Ausland. Deshalb wird Gottschall am Samstag wieder an der Protestfahrt teilnehmen. Und das will er machen, „bis ein Umschwung kommt“.
Aiwanger spricht ihnen bei der Demo aus der Seele.