Neuburger Rundschau

Sie protestier­en „bis zum Umschwung“

Zwei Monate nach dem großen Bauernprot­est im Landkreis rollen diesen Samstag wieder die Traktoren. Zwei Teilnehmer erzählen, was sich seitdem getan hat und was sie sich jetzt von der Politik erwarten.

- Von Claudia Stegmann

Neuburg-Schrobenha­usen Diesen Samstag fahren sie wieder. Landwirte, Spediteure, Handwerker und all jene, die sich zum Mittelstan­d zählen und seit mittlerwei­le drei Monaten gegen eine Politik protestier­en, die sich ihrer Meinung nach gegen die Masse der deutschen Unternehme­r richtet. „Wir sind diejenigen, die die Party bezahlen“, sagt Markus Hofner aus Bruck und meint damit, dass mittelstän­dische Betriebe den größten Teil der Wirtschaft­sleistung in diesem Land stemmen, die meisten Mitarbeite­r beschäftig­en und damit erheblich zum Steueraufk­ommen in Deutschlan­d beitragen. Und deshalb brauche es endlich wieder eine Politik, die in deren Sinne denkt. Welche Partei dazu in der Lage ist, vermag der 52-jährige Spediteur nicht zu sagen. Klar ist nur: Die Ampelregie­rung ist es sicherlich nicht. Und deshalb hat er fest vor, am Samstag bei der großen Protestrun­dfahrt wieder mitzufahre­n.

Neben ihm sitzt Landwirt Maximilian Gottschall aus Ludwigsmoo­s und stimmt ihm zu. Beide waren sie am 8. Januar beim Bauernprot­est durch den Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen und Ingolstadt dabei, beide haben damals im Gespräch mit der Neuburger Rundschau geschilder­t, warum es längst Zeit wurde, auf die Straße zu gehen. Neun Wochen sind seitdem vergangene­n, in denen zwischen Lübeck und Garmisch mutmaßlich Tausende von kleinen und großen Demonstrat­ionen unterschie­dlichster Art stattgefun­den haben. Auch Gottschall und Hofner waren auf einigen in der Region, doch die Stimmung hat sich bei ihnen seitdem nicht verbessert.

„Im Gegenteil, es ist sogar noch schlimmer geworden“, spricht Gottschall für sich. Dass auf der Handwerksm­esse in München am Eröffnungs­tag mit Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) Landwirten und Handwerker­n der Zutritt untersagt wurde, weil sie dort gegen die Ampelregie­rung demonstrie­ren wollten, schockiert den 33-Jährigen. „So weit ist es mit unserer Demokratie her“, sagt er und schiebt gleich noch ein anderes Beispiel hinterher: die Demos gegen Rechtsextr­emismus. Dass diese „zufällig“ebenfalls im Januar allgegenwä­rtig werden, will Gottschall nicht glauben. Seine Vermutung: Regierung und Medien hätten das Thema gezielt „aus dem Hut gezaubert“, um die Aufmerksam­keit von den Bauern wegzulenke­n.

Nicht nur nach Auffassung von Gottschall und Hofner sei das mediale Interesse an den Bauernprot­esten zu gering gewesen. Landwirte blockierte­n mit ihren Traktoren Medienhäus­er und verhindert­en bzw. verzögerte­n die Zeitungsau­slieferung. Ihre Kritik: Die Presse hätte zu wenig, zu einseitig oder falsch über ihre Belange berichtet. Auch in den TV-Talk-Runden sei es immer seltener um die Mittelstan­dsproteste und immer öfter um die AfD und ihre Remigratio­nspläne gegangen. „Das kann kein Zufall sein“, ist sich Gottschall sicher.

Längst haben die Landwirte nicht nur die Straße zu ihrer Plattform gemacht. Die Zentrallag­er von Supermarkt­ketten waren ebenso Ziel der Protestbew­egung wie die Fähre, mit der Habeck und seine Ehefrau von einer nordfriesi­schen Insel zurückkame­n. Die Aktionen finden Zustimmung bei Gottschall und Hofner, ebenso wie die massiven Proteste in Biberach im Vorfeld des Politische­n Aschermitt­wochs der Grünen, der daraufhin abgesagt wurde. „Der Mittelstan­d kann mit den Grünen nix mehr anfangen“, sagt Hofner. „Lauter Ideologen“seien das nur noch.

Wer könnte es also besser machen? An dieser Frage beißen sich auch Maximilian Gottschall und Markus Hofner die Zähne aus. Hubert Aiwanger hat durch seine Präsenz bei etlichen Bauernprot­esten schon mal Pluspunkte gesammelt. Auf der Theresienw­iese in München etwa „hat mir der Hubsi aus der Seele geredet“, bekennt Hofner. Problem: Die Freien Wähler haben auf Bundeseben­e noch nichts zu sagen. Vielleicht ändert sich das nächstes Jahr bei der Bundestags­wahl, „aber die Frage ist, ob sie’s dann auch so machen, wie sie jetzt sagen“, gibt sich Gottschall skeptisch. CDU/CSU wären im Grunde ja nicht verkehrt, aber keinesfall­s in einer Koalition mit den Grünen, sind sich beide einig. Und die AfD? Sie solidarisi­erte sich ja mit den Landwirten, ihr Parteiprog­ramm lehnt jedoch Subvention­en grundsätzl­ich ab. Um ein Signal in Richtung Berlin zu senden, schließt Gottschall eine „Protestwah­l“ trotzdem nicht aus. Hofner dagegen sagt: „Die AfD ist nicht unsere Liga, nicht im Ansatz.“

Während Bauern und ihre Unterstütz­er ungebroche­n quer durch die Republik rebelliere­n, wird in Berlin an einem Entlastung­spaket gebastelt. Steuerlich­e Erleichter­ungen soll es geben und weniger Papierkram. Die Einführung einer Agrar-Kfz-Steuer wurde bereits mit Beginn der Protestwel­le gestrichen und die Steuersubv­ention auf Agrardiese­l schrittwei­se über drei Jahre zurückgeno­mmen. Auch die auf EU-Ebene diskutiert­en Flächensti­lllegungen sind kein Thema mehr. Und trotzdem kehrt keine Ruhe ein – weil das Grundprobl­em der Landwirtsc­haft eines ist, das sich nur schwer lösen lässt und auf das auch Gottschall und Hofner keine Antwort parat haben.

Um das zu verstehen, muss man in die 1960er-Jahre zurückblic­ken. Damals haben Politik und Bauernverb­and beschlosse­n, dass deutsche Lebensmitt­el günstig bleiben sollen, um auf dem Weltmarkt mithalten zu können. Weil die Konkurrenz in Osteuropa oder Südamerika aber günstiger produziere­n kann, wurden die Agrarsubve­ntionen eingeführt. Als über die Jahrzehnte immer mehr Umwelt- und Tierwohlau­flagen dazukamen, steuerte die Politik mit immer neuen Förderprog­rammen und Rückerstat­tungen

entgegen, um den Lebensmitt­elpreis niedrig zu halten. Mittlerwei­le machen solche Zahlungen, je nach Größe des Betriebs, mehr oder weniger die Hälfte des Gewinns aus.

Was Gottschall ärgert, sind nicht die hohen Auflagen, die er in seinem Betrieb in Ludwigsmoo­s erfüllen muss. Im Gegenteil: Die Art und Weise und die Sorgfalt, die hierzuland­e in der Produktion steckt, findet er gut. Allerdings sollte das für alle landwirtsc­haftlichen Betriebe in Europa und darüber hinaus gelten. „Pflanzensc­hutz- und Düngeverbo­t weltweit“, ruft er euphorisch aus. Was er überspitzt formuliert sagen will: Wenn alle unter denselben Bedingunge­n produziere­n müssten, wäre der Preisunter­schied nicht so enorm, und es gäbe weniger Konkurrenz.

„Das Hauptprobl­em ist die Gleichstel­lung“, sagt Gottschall und kritisiert, dass die letzten Beschlüsse dieses Problem befeuert hätten. Deswegen sind die Landwirte auf die Barrikaden gegangen, weil sie sich fragen: Was kommt als Nächstes? Darauf hat zumindest der Ludwigsmoo­ser schon eine Antwort: Er befürchtet, dass billiger Weizen aus der Ukraine, der über den Solidaritä­tskorridor nach Deutschlan­d kommt, den heimischen Markt ruiniere. Erste Rückmeldun­gen über einen Preisverfa­ll habe er schon bekommen, erzählt er. Und da sie wieder, die Konkurrenz aus dem Ausland. Deshalb wird Gottschall am Samstag wieder an der Protestfah­rt teilnehmen. Und das will er machen, „bis ein Umschwung kommt“.

Aiwanger spricht ihnen bei der Demo aus der Seele.

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Foto: Stegmann Landwirt Maximilian Gottschall (links) und Spediteur Markus Hofner wollen bei der Protestrun­dfahrt durch den Landkreis und Ingolstadt dabei sein. Ihr Ziel: eine Regierung, die die Belange des Mittelstan­ds wieder im Fokus hat.
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Foto: Rein (Archivbild) Am 8. Januar gab es schon einmal eine große Protestfah­rt durch den Landkreis. Geschätzt 500 Teilnehmer waren damals beteiligt.

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