Der ewige Landesvater liest die Leviten
Benjamin Machel schlüpft zum Neuburger Bockbierfest von CSU und JU wieder in die Rolle von Partei-Urgestein Franz-Josef Strauß und verteilt deftige Spitzen in alle Richtungen.
Er ist wieder da! Der leibhaftige, ewige Landesvater, noch im selben Anzug, den er wahrscheinlich schon mehrmals beim Politischen Aschermittwoch in Passau aufgetragen hat, abermals herabgestiegen von seiner himmlischen Wolke, um seinen Neuburger Parteischäfchen und anderen lokalen Haupt- und Nebendarstellern gehörig die Leviten zu lesen. Das tut er jedes Jahr, nicht erst in Zeiten handfester Krisen, sondern schon seit 2011. Aber interessiert hätte es einen ja schon, wie FranzJosef Strauß all die gegenwärtigen Probleme kommentiert hätte. Klar: Die Ampel schon vor dem Frühstück ohne Semmel verspeist, die AfD gleich rechts überholt und zu Putin eigenhändig mit der Cessna geflogen.
Aber beim traditionellen Bockbierfest von CSU und JU im voll besetzten Gasthaus Neuwirt überraschte der personifizierte bayerische Löwe einmal mehr durch seine erstaunlich profunde Kenntnis der Stadt- und Kreispolitik sowie Details, die eigentlich nur ein gewisser Benjamin Machel kennen kann, der Mann, der ihn seit vielen Jahren gar trefflich parodieren soll – angeblich. Aber ganz egal, ob nun der falsche Strauß oder der echte Machel: Die Menschen – überwiegend Freunde und Parteimitglieder der CSU – waren gekommen, um sich zum süffigen Julius-Bockbier, musikalisch untermalt von den Bavaria Spitzbuam, mit Zoten, Hinterkünftigem, Bosheiten, gezielten Spitzen auf kommunale Honoratioren, bis dato nur getuschelten Interna und kühnen Satz-Konstrukten à la Strauß rund eine Stunde lang unterhalten zu lassen. Mit der unvermeidlichen, aber in Bayern irgendwie logischen Schlusserkenntnis: Der Franz-Josef hat immer recht, auch wenn er mal daneben liegt!
So ließ sich der Wahrheitsgehalt der abenteuerlichen Anreise des Ehrengastes, der mit seinem Fahrer Gerold Tandler nach Neuburg gekommen sein soll und sich „an dieser bayernweit einmaligen Einfädelspur für Radfahrer bei der Bahnunterführung die Reifen kaputt gefahren hat“, nicht mehr genau überprüfen. Den Rest der Strecke bis zum Neuwirt habe er mit
dem Fahrrad zurückgelegt, denn „die gibts am Bahnhof gratis“. Nicht begreifen konnte es FJS, dass Diebe bei einem Einbruch bei einem Neuburger Juwelier nur einen dreistelligen Betrag erbeuten konnten. „Des is ja, wie wennst über Nacht beim Deiml Karl eingesperrt bist und nur Leitungswasser säufst!“
Natürlich streifte die 2024erVariante von Franz-Josef Strauß wenigstens ein bisschen die Bundespolitik, „das Narrenschiff Utopia, die sogenannte Bundesregierung“, die sich nicht durchringen könne, die Ukraine zu unterstützen, aber das Kiffen erlaube. „Aber wo wäre ein Appell gegen den ausufernden Konsum berauschender Substanzen besser angebracht, als bei einem Bockbierfest …“Dass es ihn nach wie vor jucken würde, wieder mitzumischen, gab der Wiederauferstandene unumwunden zu, vor allem bei einem mitleidigen Blick auf seinen Nach-NachNachfolger Markus Söder, der in
Schweden zu ABBA tanze oder in Veitshöchheim einen preußischen Faschingskanzler gebe. „Nach mir ist wenigstens ein Flughafen benannt worden, ein Komponist und ein Vogel. Zu meinem Todestag am 3. Oktober bekommen die Kinder jedes Mal schulfrei.“Und in Neuburg gebe es zu Ehren des CSUAbgeordneten Brandl immerhin ein Freibad mit dessen Namen. Für OB Gmehling, der seit 22 Jahren die Chance habe, sich ein eigenes Denkmal zu bauen, bliebe ja noch die Fahrradnase an der Augsburger Straße. Strauß (oder doch Machel?) haderte mit den drei „Gegenveranstaltungen“des Abends, unter anderem ausgerechnet von den CSU-Freunden in Rennertshofen („Diese Schlaftablette Florian Herrmann kannst dir ja eh nicht anhören“). Eine deftige Spitze ging Richtung Brückenkollektiv: „Kunst kommt ja von Können. Drum heißt es auch: Kunnst du der Halle mal an Zuschuss geben?“Deshalb hatte der hohe Gast gleich
einen Musterantrag für Zuschüsse im Kulturbereich dabei, der elf Punkte umfasste und in dem tunlichst die Worte „Kollektiv“, „Wichtel“, „Drogerie“und „Gashi“vermieden werden sollten. Außerdem: „Geht der Antrag wohl als Reim, bei der Stadtverwaltung ein, kommt er net in Ofa, nein er kommt zum Goschenhofer!“
Die ehemaligen und vielleicht auch künftigen OB-Kandidaten Gerhard Schoder („Mit ihm kommt die komplett autobefreite Untere Stadt“) und Florian Herold („Er hat ein leistungsunabhängiges Selbstbewusstsein“) bekamen ebenfalls kräftig ihr Fett ab. Strauß selbst hätte sie früher wohl „buttermilchgesäugte Polit-Pygmäen“genannt. Landrat Peter von der Grün besitze bei den Freien Wählern ein ähnliches Standing wie Thomas Tuchel bei den Bayern: „Die Saison noch fertig machen, und dann schleichst di!“Roland Weigert sei ein hervorragender Landtagsabgeordneter – für Karlshuld und
Schrobenhausen. Nach seinem Aus als Staatssekretär sitze er nicht mehr bei Apple oder dem Emir von Katar auf dem Sofa, sondern nur noch beim Plöckl Sepp im Wirtshaus. Und Frank Gräfe, den ehemaligen Neuburger Jagdgeschwader-Kommodore, „den Stolz des Saarlandes, den Stier der Altstadt“, nahm er gegen alle Vorwürfe in der Abhöraktion der Bundeswehr in Schutz: „Wer glaubt denn bitte in Echt, dass ausgerechnet Frank Gräfe mal die Regeln zu locker nimmt?“
Weil es auch einem Franz-Josef Strauß zusteht, einen eigenen Preis zu vergeben, verlieh der himmlische Prophet seine „Schnapspfeife des Bayerischen Ministerpräsidenten“diesmal an Kfz-Gutachter Fred Biber, Julius-Bräuin Gabriele Bauer, die stellvertretende NR-Redaktionsleiterin Claudia Stegmann und Maria Machel, die Ehefrau von Benjamin Machel. Irgendwie war er an diesem Abend doch allgegenwärtig.