Von Monstern im Keller und der morgendlichen Rasur
Von seiner persönlichen Seite zeigt sich Ministerpräsident Markus Söder im Kinopalast Neuburg. Was die 200 Gäste nun alles über den Mensch Söder wissen und was er nicht auslassen kann.
Es ist sicher einer der angenehmen Termine im Kalender des Markus Söder: ein Abend, in irgendeinem Kino in Bayern. Er selbst im Rampenlicht mit Blick in ein Publikum, in dem Personen sitzen, die ihm wohlgesonnenen oder zumindest auf ihn neugierig sind. Ein Moderator, der ihm gefällige Fragen stellt und viel Zeit gibt, diese ausführlich und ohne lästige Unterbrechung zu beantworten. Dazu eine Tüte Popcorn und die obligatorische Cola light. Ja, jeder im Saal merkt: Es ist ein Abend, der dem Ministerpräsidenten Spaß macht. Und den 200 Kinobesuchern auch. So geschehen am Mittwochabend im Kinopalast in Neuburg.
Pünktlich um 19 Uhr trifft der bayerische Ministerpräsident ein. Eine Vorhut hatte die sechs Stunden zuvor den Kinopalast in einen weiß-blauen CSU-Traum verwandelt. Ein paar Selfies mit lokalen CSU-Größen und Kinomitarbeitenden später sitzt Söder in einem offensichtlich bequemen Kinosessel. Entspannt wirkt er, siegesgewiss, routiniert und aufgeschlossen. Über ihm das übergroße Porträt seiner selbst in Denkerpose. Die folgenden 90 Minuten sind Wohlfühlzeit für Söder, keine kritischen Fragen von Sat.1-Nachrichtenmoderator Ralf Exel. Fragen aus dem Publikum gibt es nicht.
Braucht es aber auch nicht, denn es geht an diesem Abend nur wenig um Politik und viel um die Privatperson Söder. Offen spricht er über sein Elternhaus in Nürnberg mit einem pragmatischen Vater, Maurermeister. Wenn er als Kind etwas aus dem Keller heraufholen sollte, habe ihm der Vater nicht – wie heute wohl üblich – versucht, Ängste zu nehmen, sondern von „Monstern im Keller“gesprochen. „Das war wohl schon als Vorbereitung auf meine spätere politische Laufbahn gedacht“, witzelt Söder und hat die Lacher auf seiner Seite. Liebevoll erzählt er über seine Mutter („eine wundervolle Frau“), deren Tod kurz
vor seiner ersten Landtagswahl 1994 ihn offensichtlich bis heute beschäftigt.
Abitur mit 1,3, sein Weg zur CSU, die Faszination Franz Josef Strauß und sein steiler Aufstieg in die erste Reihe der Partei – das alles beschreibt Söder mit zahlreichen Anekdoten und Anekdötchen, die das Publikum aufsaugt. Genial die Geschichte, wie er im Jahr 2003 einen ganzen langen Tag und bis spät in die Nacht auf
einen angekündigten Anruf Edmund Stoibers („mein großer Mentor“) wartet, um zu hören, dass dieser ihn zu seinem Generalsekretär macht. Als um 22.15 Uhr das Telefon endlich klingelt, redet Stoiber von politischem Tagesgeschäft und legt auf, ohne die erlösenden Worte zu sprechen. Söder bleibt verdutzt zurück. Dann nochmal ein Anruf und Stoiber knarzt durchs Telefon, dass Söder den Posten hat.
Die Welt der großen Politik und der sonst so unerreichbare Ministerpräsident sind für einen Abend ganz nah. Jeder im Saal weiß jetzt, dass Söder ein Hunde- und Weihnachtsfan ist, dass er um 5.15 Uhr aufsteht und es als Freiheit empfindet, wenn er sich mal nicht rasieren muss. Er spricht über sein Laster – gutes, deftiges Essen –, ausführlich über seinen Glauben, der „mir Kraft gibt, alles durchzustehen an Aufgaben, die mir gestellt werden“, und dass er sich vor dem Einschlafen gerne YoutubeSchnipsel alter Serien anschaut. Wenn er im Sommer im See schwimmen geht, müssen die Leibwächter des LKA mithalten und verhindern, dass er sich am Nacktbadestrand den Bekleidungsregeln unterwerfen muss.
Natürlich geht es an diesem Abend dann doch nicht ganz ohne politische Inhalte. So zwischendrin spricht sich Söder klar für eine Wehrpflicht und für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus. Er sieht eine Mitschuld für die ewigen Streiks bei der Bahn in der mangelnden Führungsrolle des FDP-Verkehrsministers Volker Wissing, gefolgt von einem Plädoyer für mehr Engagement des Einzelnen. „Ich weiß nicht, wie wir mit weniger Leistung unseren Wohlstand halten wollen.“Die AfD in Bayern bezeichnet er als „besonders braunen Club“und fordert die Ampel auf, sich bei den Bauern, Gastronomen und Spediteuren zu entschuldigen, dass sie Politik auf deren Kosten machen.
Der obligatorischen Frage nach einer Kanzlerkandidatur weicht er geschickt aus und setzt dann noch an zu einem Schlusswort, das den ganz großen Bogen spannt. „Wir machen in Bayern vernünftig und pragmatisch Politik, entscheiden lebensnah und ideologiefrei, damit unsere Kinder und Kindeskinder die gleiche Perspektive haben, gut und in Wohlstand zu leben.“
Der Applaus zeigt, dass er damit und überhaupt an diesem Abend den richtigen Ton trifft. Das Ehepaar Völpel aus Königsmoos jedenfalls ist später, da ist Söder wohl schon auf der Autobahn, noch ganz selig. „Ich fand es toll, dass er sich so viel Zeit für uns nimmt“, sagt Elisabeth Völpel. Überrascht habe sie das Bekenntnis Söders zum Glauben. Und auch Karl Lutz aus Ingolstadt, der extra für Söder nach Neuburg gefahren ist, ist begeistert. „Ich bin überrascht, wie viel er preisgibt. Und er war wirklich sympathisch.“Ein angenehmer Abend mit gewünschtem Ausgang.