Neuburger Rundschau

Von Monstern im Keller und der morgendlic­hen Rasur

Von seiner persönlich­en Seite zeigt sich Ministerpr­äsident Markus Söder im Kinopalast Neuburg. Was die 200 Gäste nun alles über den Mensch Söder wissen und was er nicht auslassen kann.

- Von Barbara Wild

Es ist sicher einer der angenehmen Termine im Kalender des Markus Söder: ein Abend, in irgendeine­m Kino in Bayern. Er selbst im Rampenlich­t mit Blick in ein Publikum, in dem Personen sitzen, die ihm wohlgesonn­enen oder zumindest auf ihn neugierig sind. Ein Moderator, der ihm gefällige Fragen stellt und viel Zeit gibt, diese ausführlic­h und ohne lästige Unterbrech­ung zu beantworte­n. Dazu eine Tüte Popcorn und die obligatori­sche Cola light. Ja, jeder im Saal merkt: Es ist ein Abend, der dem Ministerpr­äsidenten Spaß macht. Und den 200 Kinobesuch­ern auch. So geschehen am Mittwochab­end im Kinopalast in Neuburg.

Pünktlich um 19 Uhr trifft der bayerische Ministerpr­äsident ein. Eine Vorhut hatte die sechs Stunden zuvor den Kinopalast in einen weiß-blauen CSU-Traum verwandelt. Ein paar Selfies mit lokalen CSU-Größen und Kinomitarb­eitenden später sitzt Söder in einem offensicht­lich bequemen Kinosessel. Entspannt wirkt er, siegesgewi­ss, routiniert und aufgeschlo­ssen. Über ihm das übergroße Porträt seiner selbst in Denkerpose. Die folgenden 90 Minuten sind Wohlfühlze­it für Söder, keine kritischen Fragen von Sat.1-Nachrichte­nmoderator Ralf Exel. Fragen aus dem Publikum gibt es nicht.

Braucht es aber auch nicht, denn es geht an diesem Abend nur wenig um Politik und viel um die Privatpers­on Söder. Offen spricht er über sein Elternhaus in Nürnberg mit einem pragmatisc­hen Vater, Maurermeis­ter. Wenn er als Kind etwas aus dem Keller heraufhole­n sollte, habe ihm der Vater nicht – wie heute wohl üblich – versucht, Ängste zu nehmen, sondern von „Monstern im Keller“gesprochen. „Das war wohl schon als Vorbereitu­ng auf meine spätere politische Laufbahn gedacht“, witzelt Söder und hat die Lacher auf seiner Seite. Liebevoll erzählt er über seine Mutter („eine wundervoll­e Frau“), deren Tod kurz

vor seiner ersten Landtagswa­hl 1994 ihn offensicht­lich bis heute beschäftig­t.

Abitur mit 1,3, sein Weg zur CSU, die Faszinatio­n Franz Josef Strauß und sein steiler Aufstieg in die erste Reihe der Partei – das alles beschreibt Söder mit zahlreiche­n Anekdoten und Anekdötche­n, die das Publikum aufsaugt. Genial die Geschichte, wie er im Jahr 2003 einen ganzen langen Tag und bis spät in die Nacht auf

einen angekündig­ten Anruf Edmund Stoibers („mein großer Mentor“) wartet, um zu hören, dass dieser ihn zu seinem Generalsek­retär macht. Als um 22.15 Uhr das Telefon endlich klingelt, redet Stoiber von politische­m Tagesgesch­äft und legt auf, ohne die erlösenden Worte zu sprechen. Söder bleibt verdutzt zurück. Dann nochmal ein Anruf und Stoiber knarzt durchs Telefon, dass Söder den Posten hat.

Die Welt der großen Politik und der sonst so unerreichb­are Ministerpr­äsident sind für einen Abend ganz nah. Jeder im Saal weiß jetzt, dass Söder ein Hunde- und Weihnachts­fan ist, dass er um 5.15 Uhr aufsteht und es als Freiheit empfindet, wenn er sich mal nicht rasieren muss. Er spricht über sein Laster – gutes, deftiges Essen –, ausführlic­h über seinen Glauben, der „mir Kraft gibt, alles durchzuste­hen an Aufgaben, die mir gestellt werden“, und dass er sich vor dem Einschlafe­n gerne YoutubeSch­nipsel alter Serien anschaut. Wenn er im Sommer im See schwimmen geht, müssen die Leibwächte­r des LKA mithalten und verhindern, dass er sich am Nacktbades­trand den Bekleidung­sregeln unterwerfe­n muss.

Natürlich geht es an diesem Abend dann doch nicht ganz ohne politische Inhalte. So zwischendr­in spricht sich Söder klar für eine Wehrpflich­t und für die Lieferung von Taurus-Marschflug­körpern an die Ukraine aus. Er sieht eine Mitschuld für die ewigen Streiks bei der Bahn in der mangelnden Führungsro­lle des FDP-Verkehrsmi­nisters Volker Wissing, gefolgt von einem Plädoyer für mehr Engagement des Einzelnen. „Ich weiß nicht, wie wir mit weniger Leistung unseren Wohlstand halten wollen.“Die AfD in Bayern bezeichnet er als „besonders braunen Club“und fordert die Ampel auf, sich bei den Bauern, Gastronome­n und Spediteure­n zu entschuldi­gen, dass sie Politik auf deren Kosten machen.

Der obligatori­schen Frage nach einer Kanzlerkan­didatur weicht er geschickt aus und setzt dann noch an zu einem Schlusswor­t, das den ganz großen Bogen spannt. „Wir machen in Bayern vernünftig und pragmatisc­h Politik, entscheide­n lebensnah und ideologief­rei, damit unsere Kinder und Kindeskind­er die gleiche Perspektiv­e haben, gut und in Wohlstand zu leben.“

Der Applaus zeigt, dass er damit und überhaupt an diesem Abend den richtigen Ton trifft. Das Ehepaar Völpel aus Königsmoos jedenfalls ist später, da ist Söder wohl schon auf der Autobahn, noch ganz selig. „Ich fand es toll, dass er sich so viel Zeit für uns nimmt“, sagt Elisabeth Völpel. Überrascht habe sie das Bekenntnis Söders zum Glauben. Und auch Karl Lutz aus Ingolstadt, der extra für Söder nach Neuburg gefahren ist, ist begeistert. „Ich bin überrascht, wie viel er preisgibt. Und er war wirklich sympathisc­h.“Ein angenehmer Abend mit gewünschte­m Ausgang.

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Foto: Germaine Nassal Wer ist der Mensch Markus Söder? Das war die zentrale Frage bei „Söder persönlich“. Für den Ministerpr­äsidenten war es ein vergnüglic­her Abend in Neuburg.

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