Hat Sheqir K. das Messer entsorgt?
Im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt sagen Ermittler aus Heilbronn aus. Es geht darum, wo der Tatort gelegen haben soll. Überraschend äußert sich auch die Angeklagte selbst.
Etwas völlig Unerwartetes geschieht am 15. Verhandlungstag im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt: Die Angeklagte Schahraban K. äußert sich zum zweiten Mal seit Beginn des Verfahrens. Mit mädchenhafter, aber fester Stimme erzählt sie, wo ihr Mercedes auf dem Parkplatz des Supermarktes bei Heilbronn geparkt hatte und wie der Mitangeklagte Sheqir K. das Messer – die Tatwaffe – weggeworfen hatte. Der Parkplatz soll einer der Tatorte in dem spektakulären und grausamen Mordfall gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt wirft den beiden Beschuldigten vor, am 16. August 2022 die 23-jährige Khadidja O. mit 56 Messerstichen getötet zu haben, weil sie Schahraban K. sehr ähnlich sah. Laut Anklage wollte sie nach dem Mord untertauchen und ein neues Leben beginnen.
Der Parkplatz sei nach dem Waldstück Stöckach der zweite
Halt gewesen, den sie auf der Fahrt von Eppingen, dem Wohnort von Khadidja O., nach Ingolstadt machen musste, sagt Schahraban K. Gleich in der ersten Parkbucht habe sie angehalten. Sie selbst habe an der Fahrerseite gestanden, Sheqir K. zunächst am geöffneten Kofferraum. Dann sei er zur Beifahrerseite gegangen und habe das Messer über eine Straße geschleudert. Dort sei das Messer gegen einen Baum geprallt und heruntergefallen, erzählt die 24-Jährige. In welche Richtung ihr Mitangeklagter das Messer genau geworfen hat, kann sie nicht sagen. „Ich stand unter Schock“, erklärt sie, gibt dann aber auf der Karte, die der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl zeigt, einen ungefähren Ort an: Dieser befindet sich vom Standort des Autos aus gesehen in südwestlicher Richtung. Weitere Fragen beantwortet die Angeklagte nicht. Sheqir K. schweigt weiterhin. Er hat sich bislang noch gar nicht zur Tat geäußert.
Der 15. Verhandlungstag dreht sich vor allem um die Ermittlungen im Raum Heilbronn. Im nur 22 Kilometer
entfernten Eppingen sollen die beiden Angeklagten Khadidja O. abgeholt haben. Schahraban K. soll ihr eine kostenlose Laserbehandlung zur Haarentfernung versprochen haben. Dazu kam es aber nie.
Die beste Freundin der Getöteten hatte am 17. August 2022 bei der Polizei in Heilbronn eine Vermisstenmeldung zu Khadidja O. aufgegeben. Ungefähr zeitgleich hatte man in Ingolstadt eine tote Frau in einem schwarzen Mercedes gefunden. Die Ermittler beider Städte traten miteinander in Kontakt, und schon bald wurde klar, dass die Tote die Vermisste ist.
Insgesamt fünf Polizisten sagen an diesem Tag aus. Sie haben das Waldstück, in dem Khadidja O. erstochen worden sein soll, abgesucht und den Parkplatz, an dem das Messer entsorgt worden sein soll. Nach Aussage der Polizisten begannen die Suchaktionen Ende August, ungefähr neun Tage nach der Tat. Zunächst wurde der Wald an der angenommenen Fahrtstrecke großflächig durchkämmt, auch mit Spürhunden. Erst am 7. Oktober wurde konkret das Waldstück abgesucht, das die Angeklagte bereits in einer Spontaneinlassung am 18. August 2022 erwähnt haben soll. Die Ermittler suchten nach Blutspuren, nach einem Messer, einem Schlagring, dem Handy der Schahraban K. und nach persönlichen Gegenständen der Angeklagten. Wirkliche Ergebnisse gab es keine. Die Blutspürhunde schlugen zwar zweimal an, doch das gesicherte Blut stellte sich später als Tierblut heraus.
Der Parkplatz wurde ein erstes Mal am 30. September in Augenschein genommen, tatsächlich abgesucht ebenfalls erst am 7. Oktober. Dort sollte vor allem nach der Tatwaffe gesucht werden. Doch das Messer blieb verschwunden – bis heute. Ein sehr dichtes Dornengestrüpp am Parkplatz wurde allerdings nicht durchsucht, weil die Kriminalpolizei Ingolstadt dies laut ihrer Heilbronner Kollegen zunächst nicht für nötig befunden hatte. Eine Ermittlerin aus Heilbronn soll dazu nach eigenen Angaben allerdings geraten haben. Dieselbe
Polizistin spricht sich im Zeugenstand außerdem nach wie vor dafür aus, den Parkplatz mit der Angeklagten zu begehen und noch einmal nach dem Messer zu suchen. Wie Schahraban K. im Gerichtssaal sagt, ist sie dazu bereit.
Später soll ein Video als Beweismittel abgespielt werden. Darauf sollen die beiden Angeklagten in Schahraban K.s Mercedes zu sehen sein. Doch die Verteidiger von Sheqir K. legen dagegen Widerspruch ein. Das Video stammt von einer Privatperson, die mit einer Kamera in den öffentlichen Raum gefilmt hat. Dies sei nicht zulässig, so der Manchinger Rechtsanwalt Thilo Bals, es verletze die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Menschen. Zudem sei die Qualität des Videos derart schlecht, dass darauf nichts zu erkennen sei. Das Video sei weder verwertbar noch geeignet, fasst Bals’ Kollege Klaus Wittmann zusammen. Ob das Video noch abgespielt wird, diese Entscheidung hat die Kammer zurückgestellt. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.