Ein harter Polizeieinsatz
Ein Neuburger sollte nur eine Mahnung bekommen und wird am Ende von sechs Beamten gefesselt abgeholt. Richter verhängt 3500 Euro Geldstrafe, für den Verteidiger war der Einsatz „von Anfang an rechtswidrig“.
Die beiden Polizeibeamten wollten einen Neuburger nur darauf hinweisen, dass er seine ExFrau in Ruhe lassen soll. Doch dann eskalierte der Besuch zu einem Polizeieinsatz mit sechs Beamten und der Fesselung des 46-Jährigen. Jetzt verurteilte das Amtsgericht Neuburg den Mann wegen Widerstands zu 3500 Euro Geldstrafe.
Die Anklage allerdings zerbröselte im Laufe der Verhandlung. Am Schluss stellte Richter Thorsten Schalk fest, dass es „ein übertriebener Polizeieinsatz“gewesen war. Beide Seiten hätten ihren Anteil daran gehabt. Am Ende benutzte der Richter das Zitat eines beteiligten jungen Polizeibeamten: „Es ist nicht ideal gelaufen.“
Der Münchener Rechtsanwalt David Mühlberger beschreibt den Vorgang viel drastischer: „Der Polizeieinsatz war eine einzige Katastrophe.“Er hielt zwei Polizisten, die als Zeugen geladen waren, Falschaussagen vor. Ihre ersten Aussagen nach dem Vorfall „haben sich zu 95 Prozent in Luft aufgelöst“. Der Verteidiger kündigte an, gegen das Urteil bis zur letzten Instanz zu gehen.
Eine Streife der Neuburger Polizei hatte den 46-Jährigen für eine „Gefährderansprache“in einem Hochhaus aufgesucht. Er soll seine frühere Ehefrau beleidigt oder bedroht haben. Er traf die Polizisten im Flur und gab sich zu erkennen („Sucht ihr mich?“). Die Beamten verlangten seinen Personalausweis, den hatte er in einem anderen Raum. Letztlich sollte er mit zur Polizeiwache, um dort seine Identität festzustellen. Den Wunsch, mit dem eigenen Auto zur Inspektion
zu fahren, lehnten die Beamten ab. Sie ließen ihn auch seinen Wagen, der draußen vor dem Aufzug stand, nicht umparken.
Im Treppenhaus habe sich die Sache „aufgeschaukelt“, so ein Polizeibeamter, „es ist unübersichtlich geworden.“Der 46-Jährige wollte nicht freiwillig mitgehen, er habe sich losgerissen. Dabei sei er von dem Angeklagten geschubst worden. Der Beschuldigte selbst sagte, die Polizisten hätten ihn mit „Fresse halten“angesprochen und gesagt: „Du kommst jetzt mit.“
Am Ausgang des Hochhauses drückten die Beamten den Mann zu Boden. Es sei nicht mehr anders gegangen, „wir mussten ihn fesseln“. Der 46-Jährige schilderte vor Gericht, dass er Todesangst gehabt hätte: „Einer hat sich auf mich und meinen Hals gekniet. Ich habe keine Luft mehr bekommen.“Der Vorgang dauerte mehrere Minuten. Das belegt ein Video aus der Kamera im Eingangsbereich des Hauses. Es zeigt, wie der 46-Jährige am Boden bleiben muss und immer wieder seinen rechten Arm heben will. Weil er in der Anlage als Hausmeister arbeitet und mehrere Mieter den Polizeieinsatz gesehen haben, habe er sich sehr geschämt: „Ich wollte nur noch weg.“Am Ende waren sechs Polizisten vor Ort. Verteidiger David Mühlberger versuchte mit aller Schärfe, die Aussagen der beiden ersten Streifenbeamten zu widerlegen. Die Festnahme und Fesselung sei nicht angekündigt worden, die Aktion sei „von Anfang bis Ende rechtswidrig gewesen“. Wieso habe man den Mann nicht mit dem Auto zur Dienststelle fahren lassen? Es sei nur eine Ansprache gewesen, „wieso diese Härte?“. Die Behandlung seines Mandanten sei lebensgefährlich gewesen, so Mühlberger.
Der 46-Jährige sei auf dem Rücken gelegen und nicht auf dem Bauch, wie ursprünglich behauptet. Der Rechtsanwalt bezeichnete die Aussage eines der Beamten, die Sache sei „für den Angeklagten ideal, aber für uns nicht ideal gelaufen“, als Frechheit.
Staatsanwalt Westermeier sah „keinen bewussten tätlichen Angriff“auf die Polizisten und hielt eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen für angemessen. Richter Thorsten Schalk reduzierte die Strafe auf 70 Tagessätze zu 50 Euro. Man könne „durchaus diskutieren, ob es verhältnismäßig gewesen war, den Mann zu Boden zu bringen“, so der Richter. Andererseits sei klar, dass Polizisten einen schwierigen Job hätten „und sich nicht alles gefallen lassen müssen“. Der Richter erkannte auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen und Geldstrafe. „Normalerweise halte ich bei Widerstand eine Freiheitsstrafe für notwendig.“
Rechtsanwalt Mühlberger kündigte Berufung an. Wenn sein Mandant keinen Freispruch bekomme, „dann kann niemand mehr in solch ein Gerichtsverfahren mit Polizeibeteiligung gehen“.