Neuburger Rundschau

Verteidige­r wollen Tatorte besichtige­n

Die Angeklagte im Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s äußert sich zum dritten Mal in diesem Verfahren. Auch ihr Mitangekla­gter wollte sein Schweigen brechen – doch dann kommt es anders.

- Von Dorothee Pfaffel

Mit Fußfesseln um die Knöchel tritt Schahraban K. vor dem Richtertis­ch in Sitzungssa­al 11 des Landgerich­ts Ingolstadt. In der Hand hält sie eine Skizze mit ein paar Strichen und Punkten. Die Zeichnung soll die Situation am 16. August 2022 aufzeigen, als die Deutsch-Irakerin in ihrem schwarzen Mercedes gemeinsam mit ihrem Mitangekla­gten Sheqir K. und dem späteren Opfer Khadidja O. auf dem Weg nach Ingolstadt an einer Kreuzung in einem Waldgebiet bei Heilbronn anhielt. An der einen Ecke parkte demnach das Auto, an der anderen standen ihre zwei Mitfahrer und sahen sich ein Schild an, als Sheqir K. plötzlich mit seinem Schlagring ausholte und Khadidja O. mit nur einem Hieb zu Boden brachte, um dann noch weiter nachzusetz­en. So jedenfalls will sich die Angeklagte erinnern. Auch Sheqir K. wollte an diesem Prozesstag eigentlich eine Stellungna­hme abgeben. Denn Schahraban K. hatte sich am Donnerstag zur anderen Tatörtlich­keit, einem Supermarkt­parkplatz, und zur Entsorgung der Tatwaffe geäußert und ihren Mitangekla­gten damit zum zweiten Mal schwer belastet.

Doch die vielen Journalist­en und Zuschauer werden enttäuscht. Sheqir K. bleibt nach wie vor stumm. Man habe sich das Recht zu einer Stellungna­hme lediglich vorbehalte­n wollen, sich nun aber anders entschiede­n, erklärt sein Verteidige­r Klaus Wittmann. Dafür geht Schahraban K. ins Detail.

Angehalten hätte sie in diesem Wald nur, weil der Angeklagte sie dazu aufgeforde­rt hatte, sagt Schahraban K. Während Sheqir K. auf Khadidja O. eingeschla­gen habe, habe sie versucht, sich über

die am Boden liegende Frau zu stellen und den Angeklagte­n von weiteren Schlägen abzuhalten – vergeblich. Sie sei mehrmals hingefalle­n, aus Schock und weil ihr die Kraft fehlte. Ein Messer habe

Sheqir K. zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehabt, doch der Angeklagte habe sie bedroht. „In dem Moment verliert man seinen Mut“, sagt Schahraban K. Sie habe eine Blockade in sich gespürt, habe sich nur noch die Ohren zugehalten. Doch der Angeklagte habe sie an der Schulter gepackt, gesagt, sie solle wieder aufstehen und ins Auto steigen. Nachfragen der Prozessbet­eiligten beantworte­t Schahraban K. an diesem Tag nicht.

Nach der Aussage der Angeklagte­n regt Wittmann an, die „Dinge zu objektivie­ren“, seien die Schilderun­gen der Angeklagte­n doch recht subjektiv. Er fordert weitere Aufnahmen der Tatorte, zum Beispiel aus der Luft mit einer Drohne, und Vermessung­en der Örtlichkei­ten. Nur dann könne man sich wirklich dazu äußern. Johannes Makepeace spricht sich hingegen für eine Ortsbegehu­ng mit seiner Mandantin in dem Waldstück aus, wie er es auch schon am Donnerstag im Hinblick auf den Parkplatz bei Bad Rappenau getan hatte. Anhand der Bilder, die dem Gericht vorliegen, tut Schahraban K. sich schwer. Die Fotografie­n verwirrten sie, wie sie sagt. Der Vorsitzend­e Richter Konrad Kliegl kündigt an, mit der Polizei abzusprech­en, welche Lösung möglich und sinnvoll sei.

Das wirft die Staatsanwa­ltschaft den Angeklagte­n vor: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagte­n sehr ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauch­en und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgäng­erin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktier­t haben. Die Leiche wurde in Ingolstadt gefunden.

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Foto: Pfaffel Der Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s am Landgerich­t Ingolstadt: Im Hintergrun­d die Angeklagte, vorn die Anwälte von Sheqir K.

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