Neuburger Rundschau

Am Ende fehlten Millionen

Die Insolvenz der Reisch GmbH ist weiterhin Gesprächst­hema – nicht nur im Ehekirchen­er Ortsteil Hollenbach. Jetzt nennen Mitarbeite­r und der Betriebsra­t Gründe für den Niedergang.

- Von Manfred Dittenhofe­r

Für die Gemeinde Ehekirchen war es ein Schlag, in der Region sorgte die Nachricht für viel Aufsehen: Nach 73 Jahren Erfolgsges­chichte meldet die Firma Reisch GmbH aus dem Ehekirchen­er Ortsteil Hollenbach Insolvenz an. Die letzten Nutz- und Agrarfahrz­euge wurden ausgeliefe­rt und die bis zum Ende verblieben­en Mitarbeite­nden von insgesamt 200 haben nun die Kündigung erhalten. Ehemalige Angestellt­e und der einstige Betriebsra­tsvorsitze­nde von Reisch sind sich einig, dass der Niedergang der Firma selbst verschulde­t war. Am Ende fehlten Millionen.

„Eine grundsätzl­ich schlimme Situation, traurig für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, aber auch für Hollenbach, ganz Ehekirchen und Umgebung“, fasst es Ehekirchen­s Bürgermeis­ter Günter Gamisch zusammen. Über die Einbußen bei der Gewerbeste­uer will er nicht reden. Zahlen dürfe er nicht nennen, sagt er. „Die Insolvenz beschäftig­t unsere Bürger sehr.“Deshalb will Gamisch die

Hoffnung nicht aufgeben, dass vielleicht etwas Neues entstehen könnte.

Doch Insolvenzv­erwalter Volker Böhm von der Kanzlei Schultze und Braun in Nürnberg hat die Suche nach Investoren inzwischen aufgegeben. Er teilte auf Nachfrage dieser Redaktion mit, dass nun das vorhandene Vermögen im Interesse der Gläubiger bestmöglic­h verwertet werden soll. „Wir führen bereits Gespräche mit Interessen­ten für die Maschinen, Materialie­n und Vorprodukt­e für den Bau von Nutz- und Agrarfahrz­eugen. Sollte es keine Paket- oder Gesamtüber­nahme geben, werden wir eine öffentlich­e Versteiger­ung durchführe­n.“

Unterdesse­n melden sich ehemalige Mitarbeite­r der Firma Reisch, die ihren Namen nicht in der Zeitung sehen wollen, und der ehemalige Betriebsra­tsvorsitze­nde René Mötz zu Wort. 2019 bei der Übernahme durch die österreich­ische Konstant-Gruppe sei die Euphorie, die die beiden Geschäftsf­ührer verbreitet hätten, groß gewesen. Da sei schon von zweiter Heimat Hollenbach gesprochen worden. Allerdings hätte sich der erste der beiden Geschäftsf­ührer bereits nach gut zwei Jahren zurückgezo­gen, der andere nach drei Jahren.

Damit habe ein dauernder Wechsel in der Führungsri­ege begonnen. Manche Visionen der neuen Leitung seien völlig an der Branche vorbei gewesen – wie zum Beispiel eine geplante gläserne Auslieferu­ngshalle für die Selbstabho­ler. Immer mehr erfahrene Altgedient­e hätten ihre Posten geräumt, Unerfahren­e seien neu eingestell­t worden. Die eigene IT-Abteilung wurde aufgelöst. Ein lang gedienter Buchhalter entlassen.

René Mötz berichtet, dass er binnen kürzester Zeit mit fünf Abmahnunge­n „ruhig gestellt werden sollte“. Mötz hatte die Firma bereits im September 2023, zwei Monate vor der offizielle­n Insolvenz, verlassen. „Ich habe gekündigt und durfte während der Kündigungs­frist meinen Arbeitspla­tz nicht mehr betreten.“Schaue man sich im Bundesanze­iger die Bilanz für 2021 an, sehe man, dass damals die Schulden schon immens gewesen seien. Laut den Bilanzen stiegen die Verbindlic­hkeiten von 2019 bis 2021 um fast das Doppelte auf über 15 Millionen Euro. Viele in der Belegschaf­t hätten schon ein Jahr früher die prekäre Lage des Unternehme­ns erkannt. René Mötz: „Wir hatten schon Anfang des Jahres gewarnt, dass Aufträge fehlen, aber niemand hat reagiert.“

Der letzte Geschäftsf­ührer Franz Kollmannsp­erger, der im März 2023 an Bord der Reisch GmbH kam und seit 30 Jahren Firmen restruktur­iert und saniert, schildert die damalige Situation aus seinem Blickwinke­l. „Es war ein sehr schwierige­r Fall. Leider wurde ich viel zu spät gerufen.“Ein Jahr früher und er hätte die Firma gerettet, ist sich Kollmannsp­erger sicher. Seiner Meinung nach war die Konstant-Gruppe zu blauäugig eingestieg­en und die eingesetzt­en Geschäftsf­ührer mit der Branche und den Produkten nicht genügend vertraut gewesen. „Die Produktion­sabläufe waren seit den Achtzigern unveränder­t und schreckten Investoren ab. Für die Nutzfahrze­uge gab es zum Beispiel keinerlei Stückliste­n.“

Schnell habe sich herausgest­ellt, dass der Produktion­saufwand kaum organisier­t oder dokumentie­rt war. Jeder verkaufte Auflieger fuhr Verluste ein. Unklare Produktion­skosten, ein enormer Lagerbesta­nd, der dann von der Bank auch noch um ein Drittel abgewertet worden sei. Es habe an elementare­n Dingen gefehlt.

Kollmannsp­ergers Plan sah vor, das Zweigwerk in Eliasbrunn mit der Nutzfahrze­ugprodukti­on an einen Interessen­ten zu veräußern. Und Hollenbach sollte durch mehr Zukauf von Komponente­n und durch weniger Eigenprodu­ktion wieder in den Gewinnbere­ich geführt werden. „Aber dann kam der Vertrag mit der BayWa ins Spiel, der hohe Provisions­zahlungen vorsah und bereits im Vorjahr nicht ausbezahlt, sondern ins Jahr 2023 geschoben worden war. Zudem war der Markt für landwirtsc­haftliche Fahrzeuge tot.“Bei der BayWa standen viele Anhänger auf Halde, sodass von dort bis Mai keine Aufträge zu erwarten gewesen seien. „Damit war die Insolvenz nicht mehr abzuwenden.“

Der Mietvertra­g des Unternehme­ns für das Gelände läuft Ende März aus. Damit ist die Firma Reisch in Hollenbach endgültig Geschichte.

 ?? Foto: Manfred Dittenhofe­r ?? Das Tor zum Firmengelä­nde der Reisch GmbH wird sich nicht mehr öffnen. Die Hallen und die Gebäude waren seit der Übernahme 2019 durch die Konstant-Gruppe gemietet. Jetzt läuft das Insolvenzv­erfahren.
Foto: Manfred Dittenhofe­r Das Tor zum Firmengelä­nde der Reisch GmbH wird sich nicht mehr öffnen. Die Hallen und die Gebäude waren seit der Übernahme 2019 durch die Konstant-Gruppe gemietet. Jetzt läuft das Insolvenzv­erfahren.

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