Neuburger Rundschau

Eine toxische Beziehung

Nun sagt der Ex-Mann der Angeklagte­n im Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s am Landgerich­t Ingolstadt aus. Die Geschichte, die er erzählt, klingt unglaublic­h ungesund und unglaublic­h komplizier­t.

- Von Dorothee Pfaffel

Die Liebesgesc­hichte zwischen Schahraban K. und Rawan N. steht im Mittelpunk­t des 17. Verhandlun­gstags im sogenannte­n Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s in Ingolstadt. Es geht um FamilienCl­ans, religiöse Zwänge und häusliche Gewalt. Die Angeklagte war vier Jahre nach jesidische­m Recht mit Rawan N. verheirate­t, bevor der Mord geschah. Sie sei seine große Liebe gewesen, sagt er vor Gericht. Bis die Beziehung toxisch wurde.

Begonnen habe ihre gemeinsame Zeit „wunderschö­n“, erzählt der heute 25-Jährige. Am 29. Oktober 2015 hätten sie sich zum ersten Mal geküsst, erinnert sich der Zeuge. Die Beziehung war geheim. 2016 erwischte sie dann aber ein Verwandter von Schahraban K. zusammen in der Münchner U-Bahn. Der Mann zwang Rawan N., an einer bestimmten Haltestell­e auszusteig­en, und warf ihm vor, mit Schahraban K.’s Ehre zu spielen. Dann nahm er Rawan N. sein Handy ab. Darauf waren Fotos gespeicher­t, die das junge Paar zeigten. „Ab da ging es bergab“, sagt Rawan N. Sowohl er als auch „Sheri“, wie er sie immer noch nennt, seien mit den Bildern erpresst worden.

Schahraban K. und Rawan N. hielten an der Beziehung fest, obwohl es schwer war und die Familien offenbar skeptisch waren. Am 16. August 2018 fand die jesidische Hochzeit statt, danach zog das Paar nach Ingolstadt. Im Februar 2019 machte Rawan N. sich selbststän­dig mit einem Friseuralo­n in Pförring. Schahraban K. fing bald ebenfalls in „Rawans Salon“zu arbeiten

an, später richtete sie sich dort einen Raum für Laserbehan­dlungen ein. Im Herbst 2019 sei die Beziehung dann sehr „toxisch“geworden. Es habe immer mehr Streit gegeben. Rawan N. sagt die deutsche Hochzeit ab. Weil Schahraban K. aber so geweint habe, sei er weiter mit ihr zusammen geblieben.

Als die Angeklagte den schwarzen Mercedes kaufte, in dem im August 2022 die Leiche von Khadidja O. gefunden wird, habe sie sich sehr verändert. Mit dem sei Sheri „cool“durch München gefahren, sagt Rawan N. Sie war oft alleine unterwegs, blieb teilweise nachts weg. Anfang 2022 stellte Schahraban K. dann fest, dass sie

schwanger war. „Sie war nicht bereit, ich war nicht bereit“, erklärt der 25-Jährige. Also entschied das jesidische Paar abzutreibe­n. Zur Erinnerung: An einem früheren Prozesstag kam bereits auf, dass die Angeklagte einem Ingolstädt­er namens Yakup Ö. ein Ultraschal­lBild gezeigt und ihm gegenüber behauptet hatte, dass er der Vater sei. Beide Männer geben an, verhütet zu haben. Nach der Abtreibung sei die Beziehung noch schlimmer, Schahraban K. immer skrupellos­er geworden, fährt der Zeuge fort. Als er die Ehe beenden wollte, habe die Angeklagte ihn geschlagen - nicht zum ersten Mal, wie er sagt. Er wandte sich an ihre Eltern - doch

die glaubten ihm nicht. Schahraban K. sei perfekt darin gewesen, den Schein nach außen zu wahren, sagt Rawan N. Er zeigte ihre Taten bei der Polizei an. Er selbst sei nie gewalttäti­g geworden oder untreu gewesen, versichert der 25-Jährige vor Gericht. Der Zeuge Yakup Ö. berichtete allerdings von blauen Flecken an der Angeklagte­n, die von Rawan N. stammen sollten.

Am 24. Juni 2022 trennte sich das Paar. Doch Schahraban K. und ihre Familie habe das nicht akzeptiere­n wollen. Mitte Juli 2022 fand deshalb eine jesidische Schlichtun­g statt, die wie Rawan N. angibt, erfolglos verlaufen sein soll. Er wollte nicht mehr. Als zweiter Zeuge

an diesem Tag sagt Rawan N.’s Bruder Dilman K. aus. Von ihm hieß es bislang, er sei stark gegen die Beziehung von Schahraban K. und Rawan N. gewesen, möglicherw­eise sogar verantwort­lich für die Trennung der beiden. Deshalb soll die Angeklagte versucht haben, ihn von einem Auftragski­ller ermorden zulassen.

Dilman K. erzählt, wie er Schahraban K. zum ersten Mal gesehen hat. Sie habe bei ihm geklingelt und behauptet, sein Bruder, also ihr Freund, nehme Drogen und würde klauen. Sie habe viel geweint und ihn um Hilfe gebeten. Und dann streckte sie ihn plötzlich mit einem Elektrosch­ocker nieder. Warum Schahraban K. das getan haben könnte, ist unklar. Eine mögliche Begründung lautet, weil Dilman K. gegen ihre Beziehung zu Rawan N. gewesen sein soll, eine andere besagt, dass es dabei um Geld ging. Dilman K. beteuert, dass er sich nicht in die Beziehung eingemisch­t habe, auch sein Bruder bestätigt das. Er habe lediglich am Anfang vor dem Familien-Clan um Schahraban K. gewarnt. Über diesen habe er gehört, dass die Mitglieder vor Gewalt, Drohungen und Erpressung­en nicht zurückschr­eckten. Später sei er sich sicher gewesen, dass die Angeklagte seinen Tod wollte, dass es einen Mordplan für ihn gab. Das wird den Angeklagte­n vorgeworfe­n: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagte­n sehr ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauch­en und ein neues Leben beginnen. Die Angeklagte streitet dies ab. Ihr Mitangekla­gter hat sich bislang nicht zur Tat geäußert.

 ?? Foto: Dorothee Pfaffel ?? Der Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s am Landgerich­t Ingolstadt: Schahraban K. und ihre Anwälte.
Foto: Dorothee Pfaffel Der Doppelgäng­erinnen-Mordprozes­s am Landgerich­t Ingolstadt: Schahraban K. und ihre Anwälte.

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