„Ich muss dauernd betonen, dass ich Deutsche bin“
Fremder in der Heimat? Für immer als Ausländerin gesehen? Vier Menschen aus der Region Neuburg berichten, wie sie selbst immer wieder Rassismus im Alltag erleben.
War der große Demonstrationszug mit rund 2000 Teilnehmern in Neuburg am 3. Februar womöglich eine Eintagsfliege? Wenn es nach Werner Widuckel (Karlskron), dem Sprecher des Bündnisses „Für Demokratie und Vielfalt – gegen Rassismus und Hass“geht, auf keinen Fall. Deshalb schien der „Tag gegen Rassismus“, der seit 1995 bundesweit am 21. März stattfindet, der perfekte Anlass für eine Fortsetzung der Aktionen – wenn auch diesmal in wesentlich kleinerem Rahmen. Im gut gefüllten Nebenzimmer des Gasthauses Pfafflinger fehlten jedoch einige Vertreter der 33 Organisationen, Parteien und Gruppen, so unter anderem die CSU oder die Freien Wähler.
Rassismus, das sei kein politisches Programm, sondern ein gesellschaftliches Problem, dessen Ursprung meist schon in der Erziehung liege und das leider nach wie vor weit verbreitet sei, betonte Widuckel. Deshalb hielt es der Kreisrat und SPD-Kreisvorsitzende für wichtig, Courage zu zeigen, betroffenen Menschen eine Stimme zu geben und sich selbst dagegen zu immunisieren. Helfen sollten den Anwesenden dabei vier Menschen, die im Landkreis leben und arbeiten und Alltagsrassismus am eigenen Leib erfahren haben.
• Dr. Zerrin Yildirim-Ögüt, 42, geboren in der Türkei,
arbeitet als Oberärztin für Innere Medizin und Kardiologie am Kreiskrankenhaus Schrobenhausen und lebt seit ihrem Uni-Abschluss in Deutschland.
„Eigentlich muss ich bei jeder Gelegenheit betonen, dass ich Deutsche bin. Und als Frau sprechen mich viele Patienten mit ,Schwester‘ an und bitten mich, den ,Herrn Doktor‘ zu holen. Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem, das mir weniger ausmacht, weil ich gut damit umgehen kann und mich allmählich daran gewöhnt habe. Aber andere Frauen und auch Kinder können das nicht. Manchmal muss man das, was man hört oder erlebt, auch doppelt ignorieren, um weiterleben zu können.“
• Soran Jamal Faraj, 47, geboren in Kurdistan im Nordirak,
arbeitet als Braumeister in der Schlossbrauerei Sandersdorf, lebt seit 2002 in Deutschland und hat in Weichering eine neue Heimat und eine Familie gefunden.
„Rassismus begegnet einem eigentlich jeden Tag, überall. Für viele Leute bin immer noch der Ausländer, obwohl ich längst die deutsche Staatsbürgerschaft besitze. Manche fragen mich tatsächlich, ob ich meiner Frau, die in Deutschland geboren wurde, zu Hause befehle, ein Kopftuch zu tragen. Als ich in Weihenstephan Brauwesen studiert habe, musste ich mir regelmäßig Beleidigungen von meinen Kommilitonen anhören, wobei die Bemerkung, dass ich kein Bier brauen könne, nur weil ich nicht Bayer bin, noch die harmloseste war. Es gibt aber auch viele tolle Menschen hier, dieses Land, in dem ich inzwischen über die Hälfte meines Lebens verbringe,
hat mir unheimlich viel gegeben. Bei Rassismus dürfen wir nicht einfach wegschauen, sonst wiederholen sich die Vorgänge von 1933 wieder.“
• Wafa Rohullah, 42, geboren in Afghanistan,
ausgebildeter Sozialarbeiter, kam 2015 nach Deutschland und lebt in Oberhausen.
„Ich warte seit fünf Jahren darauf,
dass mir das Landratsamt meine in Afghanistan abgeschlossene Ausbildung anerkennt. Derzeit bin ich als Lagerist bei der Firma Bauer in Schrobenhausen beschäftigt. Vor allem in Behörden erlebt man Rassismus hautnah, etwa wenn die Leute dort beim Geburtsdatum von Flüchtlingen irgendwann einfach 1. Januar eintragen, nur weil sie einen nicht richtig verstehen. Deshalb gibt es regelmäßig Probleme bei der Ausstellung von Reisepässen und anderen Dokumenten. Dennoch bin ich froh, dass ich inzwischen meinen Führerschein machen konnte und meine Familie hierher nachgekommen ist. Wir haben fast alles verloren, unsere Heimat, unsere Häuser. Wir wollen nur leben!
• Waheed Niaz, 34, geboren in Neuburg, Sohn pakistanischer Eltern,
Software-Projektleiter, ehemaliger Fußballspieler beim VfR Neuburg und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Neuburg:
„Ich erlebe regelmäßig diese Mikro-Aggressionen. Menschen fragen mich: Wo kommst du her? Aus Neuburg! Nein, ich meine, wo bist du geboren? In Neuburg! Das glauben sie mir oft nicht: Du siehst nicht aus wie ein typischer Deutscher. Aber wie sieht denn ein typischer Deutscher aus? Früher ist es gelegentlich vorgekommen, dass ich von Türstehern nicht in einen Club gelassen wurde. Einer sagte mal, dass er heute keine Schwarzköpfe reinlassen will. Das muss man dann mit Humor nehmen. Ich habe gelernt, mich mit solchen Situationen zu arrangieren. Das führte aber auch dazu, dass ich nicht nur Opfer, sondern auch Täter war. Denn wenn uns jemand ,Kanaken‘ nannte, dann haben wir halt ,Allmanns‘ zu denen gesagt. Das ist auf keinen Fall korrekt! Wir müssen alle aufeinander zu gehen, Integration ist keine Einbahnstraße. Ich möchte jeden Tag an mir arbeiten, ein noch besserer Mensch zu werden, als ich es gestern war.“