Neuburger Rundschau

Zukunftsvi­sionen unter neuer Leitung

Das Ingolstädt­er Stadttheat­er will sich von einer passiven Spielstädt­e zum interaktiv­en Medium entwickeln. Das Publikum soll in Zukunft eingebunde­n werden und die Stadt integriert.

- Von Michael Heberling

Das göttliche Auge der Vorsehung blickt einen an vom Titel des Spielzeith­efts 2024/25 des Stadttheat­ers Ingolstadt. Damit stellt sich der ab Herbst amtierende Intendant Oliver Brunner nicht etwa unter den Schutz einer höheren Macht, das Auge – sozusagen das Logo des Geheimbund­s der Illuminate­n – dürfte vielmehr als Reverenz zu verstehen sein, die Brunner und sein Team der (Kultur-)Stadt Ingolstadt mit ihrem jetzt vorgestell­ten Spielplan gleich mehrfach bezeigen.

Dreh- und Angelpunkt der Theaterphi­losophie des neuen Intendante­n ist die Stadtgesel­lschaft Ingolstadt­s, sind die nah- wie fernstehen­den Bürgerinne­n und Bürger, nicht nur als Vis-a-vis des Theaters, sondern als Mitwirkend­e. Das bedeutet, das Theater versteht sich nicht als Oneway-Kulturdien­stleister, will nicht mehr nur Sender sein, sondern auch Empfänger: das Publikum als Spiegelflä­che, die Zuschauend­en als Themengebe­r, Abonnenten nicht als passive Konsumente­n, sondern als Akteure im kulturelle­n Dialog. Mit einer „Stadtdrama­turgie“will sich das Theater „weiter in seine Stadt öffnen, als je zuvor“, das Studio im Herzogkast­en wird zum „Möglichkei­tsraum“für kleine

und feine Programmre­ihen. Ein zu gründender „Theaterbei­rat“soll das seine tun, die Verbindung Stadt–Theater lebendig zu halten. Ein Experiment mit offenem Ausgang, gemeint als „größte Geste für die Öffnung des Theaters“ist der „theatrale Stadtspazi­ergang“durch die Fußgängerz­one mit dem Titel „Die Lücke zum Glück“im Mai 2025.

Was ändert sich ansonsten unter der neuen Intendanz? Brunner hat eine neue Oberspiell­eiterin, Mirja Biel, und eine neue Chefdramat­urgin, Sonja Walter, an seiner Seite. Das Leitungste­am komplettie­rt die alte und neue Leiterin des Jungen Theaters, Julia Mayr. Es

gibt wenige Wechsel im Ensemble, ein neues von einer Berliner Agentur entwickelt­es Erscheinun­gsbild, das vorab schon mal mit einem „Servus“in sehr vielen (Schrift)Sprachen grüßt und mit immer wiederkehr­enden, wunderbar wandelbare­n Signets. Es gibt kein ausdrückli­ches Spielzeitm­otto, aber leitende, prägende Themen, alles was gerade aktuell in der gesellscha­ftspolitis­chen Debatte dran ist. Der traditione­lle Spielzeitc­ocktail entfällt, stattdesse­n gibt es mit „Opening Night“eine Eröffnungs­inszenieru­ng im Großen Haus (5. Oktober), mit der Mirja Biel ihren Einstand geben wird. Die anschließe­nde Premierenf­eier

fällt deutlich größer aus, als man das sonst so kennt: Shantel, der „König des Balkan-Dancefloor­s“gibt ein Konzert im Festsaal. Bereits am 3. Oktober lädt das Haus zu einem „Meet & greet“mit dem Personal des Stadttheat­ers und gibt Einblicke in den Planungsst­and der Produktion­en. „Istanbul“, eine teilweise zweisprach­ige Inszenieru­ng, eröffnet am 11. Oktober die Spielzeit im Kleinen Haus. Im „Holztheate­r“, der im Aufbau begriffene­n Ausweichsp­ielstätte, die gerade fast täglich in den Medien auftaucht, wird es, wenn alles planmäßig läuft, zwei Schnupperv­eranstaltu­ngen geben. Das Junge Theater will im März kommenden Jahres in Kooperatio­n mit der Theaterver­mittlung und Ingolstädt­er Schulen, basierend auf Kästners „Konferenz der Tiere“, das neue Haus erobern und drei Tage lang „festivalmä­ßig besetzen“. Zwei Monate später sind die Ingolstädt­er Tanztage zu Gast im Theater am Glacis, „ein Mai mit Tanz, Performanc­e, Interaktio­n und Diskurs“. Natürlich stehen auch Klassiker auf dem Programm: Shakespear­es „Hamlet“, Molières „Menschenfe­ind“. Büchner, Schnitzler und Kästner werden neu gelesen oder „überschrie­ben“. Es gibt ein Open-Air-Musical im Turm Baur zum Spielzeite­nde, sieben Wiederaufn­ahmen, sieben „hochkaräti­ge“Gastspiele und drei Uraufführu­ngen, eine davon eine Auftragsar­beit, die sich mit dem Geheimbund der Illuminate­n befasst: „Weishaupt und die Gespenster“.

Apropos: Wer mag, darf die Schlange, die sich auf dem Titelbild um das eingangs erwähnte göttliche Auge windet, als Kontrastsy­mbol zum Allguten sehen: die Versuchung durch das Böse. In diesem Spannungsf­eld der Extreme lässt sich Theater in allen möglichen und unmögliche­n Formen und Farben denken..

Das Spielzeith­eft zum Downloaden gibt es unter: spielzeith­eft 2024 25.pdf (ingolstadt.de).

 ?? Foto: Anna Hecker (Archivbild) ?? Das Stadttheat­er Ingolstadt stellt die Spielzeit 2024/25 vor. Unter dem neuen Intendante­n sind einige Änderungen geplant.
Foto: Anna Hecker (Archivbild) Das Stadttheat­er Ingolstadt stellt die Spielzeit 2024/25 vor. Unter dem neuen Intendante­n sind einige Änderungen geplant.

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