Feinarbeit am Riesen-Dino
Im Dinopark in Denkendorf wird gerade das riesige Skelett eines Diplodocus wiederhergestellt. Die Besucher können den Experten dabei über die Schulter schauen.
Denkendorf Millionen von Jahren lagen die Knochen des Dinosauriers gut verborgen im Erdboden. Niemand wusste, dass dort, im heutigen US-Bundesstaat Wyoming, ein riesiges Skelett schlummerte. Bis ein privater Sammler es im Jahr 2010 entdeckt hat. Schweizer Forscher gruben es daraufhin in jahrelanger Arbeit aus.
Tausende Kilometer weiter sind Präparatorinnen gerade dabei, die einzelnen Knochen mit Fingerspitzengefühl, Hammer und chemischen Mitteln aus dem Stein zu lösen. In der neuen Urzeit-Werkstatt des Dino-Museums Altmühltal können die Besucherinnen und Besucher den Fachleuten dabei über die Schulter schauen. Doch es wird noch lange dauern, bis nebenan im Museum das Skelett von Europas wohl größtem Diplodocus – einem der bekanntesten Langhalssaurier – zu sehen sein wird. Am Donnerstag wurden die ersten Knochen freigelegt. 27 Meter lang, über fünf Meter hoch und 16 Tonnen schwer: So dürfte der Saurier wohl ausgesehen haben, als er vor rund 150 Millionen Jahren durch das heutige Nordamerika streifte. Er war eines der größten Lebewesen, die jemals auf der Erde gelebt haben. Allein sein Hals war bis zu sechs Meter lang.
Zurzeit sind diese gewaltigen Ausmaße kaum zu erahnen. Denn die unzähligen Knochen des Dinos sind gut verpackt in sogenannten Jackets. Das sind eine Art Gipspäckchen, die bei der Grabung vor Ort angefertigt worden sind. Die Knochen wurden am Fundort nicht einzeln aus der Erde gelöst, stattdessen wurden separate Knochengruppen mit Alufolie abgedeckt und mit Gips übergossen. Anschließend wurde alles ausgegraben, gekippt und ebenfalls mit Folie und Gips kompakt verpackt. Über 100 solcher gut zu transportierenden Jackets sind von Amerika nach Bayern geliefert worden.
In der Urzeit-Werkstatt in Denkendorf
(Kreis Eichstätt) stehen die Präparatorinnen Ronja Sonnenschein und Katrin Nickel am Donnerstag vor einem 750 Kilogramm schweren Jacket. Den Deckel haben sie bereits heruntergeklappt. Was sich genau in dem großen Block verbirgt, das bleibt bis zuletzt eine Überraschung. „Das ist immer wie Ostern und Weihnachten“, sagt Paläontologe und Langhals-Dino-Experte Heinrich Mallison bei der Vorstellung in Denkendorf. Eines zumindest wissen die beiden Präparatorinnen: In dem Jacket, das vor ihnen liegt, befinden sich Halswirbel des Dinos. Und nicht, wie zuerst vermutet, Teile der Hüfte. In Millimeterarbeit tasten sich die beiden Expertinnen voran. Mit Werkzeugen wie Hammer, Meißel, Spatel und Pinsel oder auch mit chemischen Mitteln, um das Gestein zu lösen.
Angesichts dessen, dass sie es mit Knochen zu tun haben, die zig Millionen Jahre alt sind, spricht Sonnenschein von „ganz viel Euphorie“, die die Arbeit auslöst. Solche
Momente wird sie wohl noch häufiger erleben. Eineinhalb Jahre wird es vermutlich dauern, bis sämtliche Knochen gelöst und in akribischer Puzzlearbeit wieder zusammengesetzt worden sind.
Fehlende Knochenstücke kommen aus dem 3-D-Drucker und werden von Nickel, die eine Lackiererausbildung hat, entsprechend farblich gestaltet, sodass sie vom Original kaum zu unterscheiden sein werden. Die Besucher sollen später einen Eindruck davon bekommen, wie mächtig der Dinosaurier einst gewesen ist. Selbst wenn ein Skelett gut erhalten ist, fehlen meist ein Drittel aller Knochen.
Auch wenn der Riesensaurier aktuell noch in seine Einzelteile zerlegt ist, hat der Diplodocus bereits einen Namen: Er heißt Shoshone. Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, wird er sich neben seinen Dino-Kollegen Little Al (Allosaurus) und Rocky (Tyrannosaurus rex) in Denkendorf präsentieren.