Neuburger Rundschau

„Da treffen einfach Welten aufeinande­r“

Seit die Landwirte gegen die Agrarpolit­ik auf die Straße gehen, richtet sich ihre Wut zunehmend gegen die Grünen. Warum ist das so? Und wo führt das hin? Wir haben Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsc­hefin im Landtag, und Landwirt Andreas Magg aus dem Unt

- Das Gespräch führten Sonja Dürr, Stephanie Sartor und Holger Sabinsky-Wolf

Im Unterallgä­u waren die Traktoren zuletzt wieder unterwegs zu einer Lichterfah­rt. Herr Magg, was haben die Bauernprot­este der vergangene­n Monate denn gebracht?

Andreas Magg: Es ging uns darum, wieder einmal auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen, vor allem aber, den Zusammenha­lt unter Landwirten, Handwerker­n und den anderen, die protestier­en, zu stärken. Die Bauern sind in den letzten Monaten auf jeden Fall enger zusammenge­rückt. Ich selbst habe noch nie so viel telefonier­t und noch nie so viele WhatsApps geschriebe­n wie zwischen dem 15. Dezember und Ende Januar. Nichts tun, zu Hause sitzen und schimpfen ist nicht meine Devise. Und tatsächlic­h bewegt sich für uns Landwirte etwas, wenn auch sehr langsam.

Frau Schulze, die Demonstrat­ionen der Landwirte sind über die Monate teilweise aggressive­r geworden. Haben Sie noch Verständni­s für die Form der Proteste?

Katharina Schulze: In einer Demokratie gehören Demonstrat­ionen dazu. Ich finde es wichtig, dass alle, auch Landwirte, ihren Frust, ihren Ärger und auch die Themen, die sich aus ihrer Sicht ändern müssen, artikulier­en. Wir bayerische Grüne haben uns im Dezember gegen den ursprüngli­chen Plan der Bundesregi­erung ausgesproc­hen, die Agrardiese­l-Rückvergüt­ung und die Kfz-Steuerbefr­eiung für landwirtsc­haftliche Fahrzeuge zu streichen – mit Erfolg. Die Demonstrat­ionen haben also durchaus etwas gebracht. Problemati­sch wird es, wenn Demonstrat­ionen nicht friedlich sind, wenn Gewalt oder Bedrohung im Spiel sind. Ich hoffe, da sind wir einer Meinung. Meinem Empfinden nach hat das Thema Agrardiese­l das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Aber auf dem Fass steht groß und breit: verfehlte Agrarpolit­ik der CDU und CSU der letzten 30 Jahre.

Magg: Also, einer Meinung sind wir nicht, was die Proteste anbelangt. Ich war am Aschermitt­woch in Biberach, aber auf der angemeldet­en Demonstrat­ion am Gigelberg, wo Agrarminis­ter Cem Özdemir gesprochen hat. Wir haben mitbekomme­n, was da unten in der Stadt los war. Schulze: Aber da sind wir uns doch einig, dass das nicht geht? Man kann doch nicht auf Polizisten losgehen, nicht Fahrzeugsc­heiben einwerfen.

Magg: Gegenfrage – wo kommen die Grünen denn eigentlich her? In Wackersdor­f zum Beispiel haben sich die Grünen in den 1980er-Jahren doch Schlachten mit der Polizei geliefert.

Schulze: Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.

Magg: Die Grünen wollten regieren, nun regieren sie. Jetzt bläst der Wind eben aus einer anderen Richtung. Und in Biberach hat keiner der Polizisten ein blaues Auge abbekommen. Die sind verletzt durch Tränengas, das die Polizei selbst eingesetzt hat.

Herr Magg, wurde in Biberach nicht dennoch eine rote Linie überschrit­ten – auch, weil die Demonstran­ten den Anweisunge­n der Polizei nicht Folge geleistet haben?

Magg: Man kann sicher darüber diskutiere­n, ob da Heuballen brennen und Wege versperrt werden mussten. Was ich von Landwirten an vorderster Front aber weiß, klingt ganz anders, als es in den Medien dargestell­t wurde. Es ist ein bisschen härter gewesen. Aber da war nie Gefahr für einen Politiker oder eine Person. Und in Biberach ist die Gewalt definitiv vom Staatsakt ausgegange­n.

Schulze: Das ist doch Quatsch. Die Blockaden gingen eindeutig von Seite der Protestier­enden aus und laut Polizei wurden die Polizisten durch Angriffe verletzt. Und ja, der Vorfall in Biberach wird gerade aufgeklärt. Auch der Innenaussc­huss in BadenWürtt­emberg hat sich mit dem Thema befasst. Ich habe da eine klare Haltung: Gewalt ist kein Mittel der politische­n Auseinande­rsetzung. Verletzte Polizisten sind auch Menschen – ich verstehe nicht, wie Sie da so locker sein können. Das ist grenzübers­chreitend. Ich habe lange Handball gespielt, bin Kreisläufe­rin, ich bin wirklich nicht zimperlich. Ich finde es auch gut, wenn wir in der Politik hart in der Sache diskutiere­n. Aber wenn es zu Einschücht­erungen und Bedrohunge­n kommt, wenn Gewalt angewendet wird, wenn Autoscheib­en eingeschmi­ssen werden, dann sind für mich rote Linien überschrit­ten.

Baden-Württember­gs Innenminis­ter Strobl hat betont, mit Biberach hätten die Bauern ihrer Sache einen Bärendiens­t erwiesen ...

Magg: Das sehe ich nicht so. Es ist von beiden Seiten bestimmt nicht alles richtig gelaufen. Aber Biberach ist jetzt auch vorbei.

Es waren während der Demonstrat­ionen immer wieder Galgen zu sehen. Haben diese Bilder Ihrem Berufszwei­g geschadet?

Magg: Es wird immer schwarze Schafe geben. Wenn ein Galgen bei einer Veranstalt­ung auftaucht, schaue ich, dass der verschwind­et. Aber ich sehe keine dramatisch­en Auswirkung­en auf unsere Sache. Ich ärgere mich eher, dass dann genau solche Dinge in der Berichters­tattung herausgest­ellt werden.

Schulze: Das ist die freie Presse und die haben wir zum Glück in unserer Demokratie. Ich mache mir Sorgen um unsere Gesellscha­ft. Wir hatten unlängst etwa in Hirschaid im Kreis Bamberg die Situation, dass ein Grünen-Kreisverba­nd seine Versammlun­g nicht bis zum Ende durchführe­n konnte, weil es zu massiven Einschücht­erungen durch protestier­ende Landwirte kam. Das darf nicht sein. Und ich würde mich genauso äußern, wenn das vor einer CSU- oder Freie Wähler Kreisversa­mmlung gewesen wäre. Wenn sich die Ehrenamtli­chen, die wir in unserer Gesellscha­ft so dringend brauchen, aus dem Engagement zurückzuzi­ehen, dann verlieren wir letztlich alle. Darum appelliere ich: Kommen wir zurück zum Reden, zum Streiten, gern hart in der Sache, aber mit Anstand und Respekt und vor allem ohne Gewalt und Einschücht­erungen.

Herr Magg, verstehen Sie, dass sich Ehrenamtli­che da unwohl fühlen, wenn Proteste derart eskalieren?

Magg: Was glauben Sie, wo ich mich überall unwohl fühle? Wenn ich mit meinem Güllefass an der Siedlung vorbeifahr­e, wenn ich mit der Feldspritz­e am Traktor durchs Dorf fahre. Wenn wieder ein Tierskanda­l durchs Dorf getrieben wird, fühle ich mich unwohl, sobald ich in meinen Stall gehe – weil ich Angst habe, dass irgendwo Überwachun­gskameras installier­t wurden. Darf das so sein? Wir bekommen von so vielen Seiten Druck im Alltag.

Warum sind die Grünen eigentlich so ein Feindbild für die Landwirte?

Magg: Feindbild ist vielleicht zu hart formuliert. Aber da treffen einfach Welten aufeinande­r.

Schulze: Wirklich? Das glaube ich gar nicht. Ich möchte eine Landwirtsc­haft in Bayern, bei der Sie als Landwirt von ihrer Arbeit leben können. Ich möchte, dass wir Klimaschut­z und Landwirtsc­haft in Einklang bringen, weil auch Sie nichts davon haben, wenn Ihre Ernten durch Dürren und Starkwette­rereigniss­e vernichtet werden. Ich möchte, dass Tiere gut gehalten werden. Und ich möchte mehr Planbarkei­t für die bayerische­n Landwirte. Eine konkrete Idee: In allen staatliche­n Kantinen – Kita, Schule, Landratsam­t – sollen nach unserem Willen künftig nur noch biologisch und regional erzeugte Lebensmitt­el angeboten werden. Das bietet den Landwirten einen sicheren Absatzmark­t, Kinder und Jugendlich­e bekommen gesundes

Essen und sie lernen dabei auch, woher Nahrung eigentlich kommt. Also dass Kartoffelb­rei nicht einfach aus der Tüte kommt, sondern dass Kartoffeln gepflanzt, geerntet, geschält werden müssen, bevor man daraus einen Kartoffelb­rei macht.

Herr Magg, Sie haben einen Hof mit 60 Hektar Fläche und 70 Milchkühen. Sie wirtschaft­en konvention­ell aus Überzeugun­g …

„Selbstverm­arktung ist eine Nische, die für manche Landwirte passen mag. Ich selbst kann das gar nicht stemmen.“

Andreas Magg

Magg: Eine Chance liegt für mich in dieser Idee nur, wenn es um regionale Produkte geht. Ob die bio oder konvention­ell erzeugt wurden, da mache ich keinen Unterschie­d. Dass die Grünen immer wieder die biologisch­e Landwirtsc­haft forcieren, fördert ein Auseinande­rdividiere­n nach dem Motto: bio ist gut, konvention­ell ist schlecht. Das mache ich nicht mit. Schulze: Ich habe das Gefühl, das Wort „bio“mögen Sie nicht.

Magg: Nein. Jeder soll seinen Betrieb führen, wie er will.

Schulze: Bio-Bauern haben auch einen sicheren Absatzmark­t verdient. Deswegen bio und regional.

Ihre Produkte nach dem Vorschlag von Frau Schulze regional zu vermarkten, wäre das eine Chance?

Magg: Selbstverm­arktung ist eine Nische, die für manche Landwirte passen mag. Ich selbst kann das mit meiner Arbeitskra­ft gar nicht stemmen. Da liegt es an meiner Molkerei, der Käserei Champignon, an die ich meine Milch liefere, diese Nische zu besetzen.

Schulze: Bundesland­wirtschaft­sminister Özdemir ist derzeit ja bestrebt, die Marktmacht der Handelskon­zerne einzuschrä­nken und versucht damit, die Position der Bauern zu stärken. Dass Landwirte ihre Milch an die Molkerei liefern, aber vorher gar nicht wissen, wie viel Geld sie dafür bekommen, ist doch ein Unding. In keiner anderen Branche wäre das denkbar. Politik muss sich darum kümmern, wie man Planbarkei­t für die Landwirte ermöglicht,

wie wir ihre Position stärken können. Denn sie erzeugen das Wichtigste für die Gesellscha­ft: Nahrung. Wir alle müssen essen, wir alle müssen trinken. Wir sind auf sie angewiesen.

Magg: Dann müssen aber auch die Rahmenbedi­ngungen passen. Was wir erwarten, sind Planbarkei­t und Verlässlic­hkeit. Und es geht darum, uns auch einmal zuzuhören. Wir Landwirte haben in den letzten Jahren eine reine Verbotspol­itik erlebt. Ich darf nur noch das anpflanzen, darf deutlich weniger düngen. Aber eine richtige Lösung gibt es nicht. Wissen Sie, ich will einfach in Ruhe meine Arbeit tun. So wie ich es gelernt habe. Egal, ob das dann 60, 70 der 80 Stunden in der Woche sind. Schulze: Die Dinge hängen eben auch zusammen. Thema Düngen: Sie wollen den Boden bewirtscha­ften, aber wir müssen auch unser Trinkwasse­r schützen, wir wollen die Biodiversi­tät und den Artenschut­z erhalten. Denn Sie haben ja auch nichts davon, wenn es in den Böden nicht mehr kreucht und fleucht. Die Politik hat die Aufgabe, Kompromiss­e zu schließen und Lösungen für die vielen Herausford­erungen zu finden. Und es wird ihnen zugehört: Ich habe auf zahlreiche­n Demos gesprochen, ich besuche Landwirte auf Höfen, ich suche bei Veranstalt­ungen das Gespräch mit Bauern. Cem Özdemir ist regelmäßig im Gespräch mit den verschiede­nen landwirtsc­haftlichen Verbänden, wir als bayerische Grüne ebenso, ob mit den Kreisobmän­nern oder den verschiede­nen Bauernverb­änden wie ABL und Co. Im Landwirtsc­haftsaussc­huss hat unsere landwirtsc­haftliche Sprecherin Mia Goller erst vergangene Woche einen Antrag zur Digitalisi­erung und zum Bürokratie­abbau gestellt.

Es geht um die FAL-BY App …

Magg: Diese App ist reine Schikane. Ich bekomme eine EU-Prämie als Ausgleich dafür, dass ich günstig Lebensmitt­el produziere. Dafür muss ich online einen Antrag ausfüllen und angeben, wie ich welche Fläche bewirtscha­fte. Inzwischen macht zusätzlich ein Satellit alle zwei Tage ein Foto von meiner Fläche. Dann kommt über die App eine Fehlermeld­ung, dass da Getreide statt Mais wachse. Also muss ich rausfahren, ein Foto von der Gesamtfläc­he machen, ein Foto von den Pflanzen. Immer wieder geht das so. Ich frage mich: Wieso muss ich etwas beweisen, das ich vorher bestätigt habe? Und warum werde ich überwacht?

Schulze: Weil die Digitalisi­erung Bürokratie abbaut, wenn man es klug macht. Das ist leider nicht immer der Fall. Ich erwarte von der bayerische­n Agrarminis­terin Michaela Kaniber als Auftraggeb­erin, dass die App richtig funktionie­rt. Dem Thema haben wir uns schon im Ausschuss angenommen, wir kümmern uns als Opposition.

Wie viel Zeit verbringen Sie denn am Schreibtis­ch, Herr Magg?

Magg: Das lässt sich schwer sagen. Es gibt Schätzunge­n, dass Landwirte im Schnitt vier Stunden Büroarbeit machen. Aber es läuft so viel nebenbei. Ein Beispiel: Morgens kommt ein Kalb zur Welt. Sobald Kuh und Kalb versorgt sind, geht es los – Ohrenmarke einpflegen, Nummern aufschreib­en, das Kalb in der Tierdatenb­ank mit dem Handy anmelden, trotzdem muss ich das auf Papier noch niederschr­eiben, dann das Ganze in das Management­programm des Melkrobote­rs eingeben. Wenn ich noch den Tierarzt brauche, den Abgabebele­g ausfüllen, abheften, das nochmals notieren. Oder ein anderes Beispiel: Zwei Mal im Jahr muss ich eine Meldung machen, dass ich Milchkühe halte. Warum denn? Und melde ich das zu spät, zahle ich unter Umständen Ermahnungs­geld. Schulze: Es zeigt sich sehr deutlich, dass wir diese Prozesse vereinfach­en müssen. Wir haben dieses Problem in vielen Bereichen, in der Pflege, im Handwerk. Wir brauchen dort eine ehrliche Entbürokra­tisierung. Da ist die Bundesregi­erung dran die Bayerische Staatsregi­erung muss nachziehen. Die Digitalisi­erung kann ein Schlüssel zur Lösung sein. Aber es ist natürlich absurd, dass man einen Vorgang zuerst in eine App eingibt und ihn dann auf Papier noch einmal niederschr­eiben muss. Da braucht es kluge Lösungen. Sie, Herr Magg, sind bestimmt nicht Landwirt geworden, um viel Zeit am Schreibtis­ch zu verbringen. Das Höfesterbe­n in Bayern hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Dabei muss der Beruf des Landwirts doch attraktiv bleiben, damit auch junge Leute Lust haben, einen Hof zu führen. Magg: Im Moment ist es wie vor 40 oder 50 Jahren. Da sagt man eher zu den eigenen Kindern: Lern erst einmal was G’scheites, Bauer kannst du immer noch werden.

Könnten Sie Ihrem 14-jährigen Sohn derzeit guten Gewissens raten, in die Landwirtsc­haft zu gehen?

Magg: Nein. Ich könnte das im Moment nicht verantwort­en. Vielleicht ist die Gesamtsitu­ation in zehn Jahren wieder eine andere. Obwohl ich mir natürlich wünsche, dass unser Hof in die nächste Generation geht.

Schulze: Mein Wunsch ist, dass auch in Zukunft die bäuerliche Landwirtsc­haft floriert. Dazu gehören gute Rahmenbedi­ngungen, aber es ist auch wichtig, dass wir jungen Menschen die Schönheit dieses Berufs näherbring­en. Ich war vor zwei Tagen in Puchheim bei einem Bauern, der regelmäßig Schulklass­en auf dem Hof hat. Er hat berichtet, wie die Entfremdun­g von Jahr zu Jahr größer wird.

Weil die Kühe für Stadtkinde­r, wie man überspitzt gern sagt, lila sind?

Magg: Diese Entfremdun­g ist ja bei uns auf dem Dorf schon da.

Schulze: Schule ist in diesem Zusammenha­ng ein wichtiger Ansatzpunk­t, um Vorurteile oder Bilder, die man im Kopf hat, aufzubrech­en. Wir haben gerade in Bayern eine große Diskussion über den Lehrplan an den Grundschul­en, weil die Fächer Kunst, Musik, Werken gekürzt werden. Dabei wäre es an der Zeit, den Lehrplan grundlegen­d zu überarbeit­en. Themen wie nachhaltig­e Entwicklun­g, die Wertigkeit von Landwirtsc­haft und Lebensmitt­eln müssten mehr Eingang in den Unterricht finden. Man müsste Schule viel mehr als Lebensort begreifen, wo alltagspra­ktische Dinge gelehrt und gelernt werden.

Magg: Das Interessan­teste ist, wenn die Kindergart­enkinder zu uns auf den Hof kommen. Das sind so kleine Stöpsel, die wollen Kälbchen streicheln. Meistens sind dann auch die Eltern dabei. Das ist die Gelegenhei­t, dass ich auch die erreichen kann.

Welche Art von Stall sollen die Kinder denn im besten Fall sehen – einen, in dem die Kühe frei herum laufen oder darf es auch ein Stall sein, in dem die Kühe angebunden sind? Nach dem Entwurf von Agrarminis­ter Özdemir soll die Anbindehal­tung in deutschen Ställen ja in fünf Jahren wegfallen. In Bayern fürchtet man deswegen einen Strukturbr­uch …

Magg: Ich glaube, dass jedem Anbindehal­ter klar ist, dass diese Haltungsfo­rm keine Zukunft hat.

Schulze: Da sind wir uns ja schon mal einig.

Aber muss man den Landwirten in der derzeitige­n Situation ein weiteres Verbot auferlegen? Oder wird sich diese Haltungsfo­rm nicht irgendwann von allein erledigen, weil immer mehr dieser Betriebe aufhören?

Schulze: Wir bayerische Grüne setzen uns dafür ein, dass die Kombinatio­nshaltung aus Weide und Stall erhalten bleibt, weil wir hier eine andere Lage haben als etwa in Niedersach­sen. Das heißt, dass die Tiere während der Weidesaiso­n auf der Weide sind und außerhalb der Weidesaiso­n zwei Mal die Woche Auslauf haben. Im Gesetzentw­urf gibt es nun, dank harter Verhandlun­gen von Cem Özdemir, diese Ausnahmen für Rinder. Ursprüngli­ch sollte die Anbindehal­tung ja komplett verboten werden. Und ja, die Kritik, dass fünf Jahre für den Umstieg zu knapp sind, ist bei mir angekommen.

Magg: Dann ist nach fünf Jahren Schluss bei einem Großteil der Betriebe.

Muss diese Frist also länger laufen als fünf Jahre?

Schulze: Wir müssen da pragmatisc­he Lösungen erarbeiten.

Magg: Warum braucht es da eine Frist? Wenn es ein Anbindehal­ter schafft, dass seine Tiere zwei Drittel des Jahres Auslauf haben, wieso reicht das dann nicht? Ich halte Fristen für nicht förderlich. Für viele Milchbauer­n ist es dann einfach vorbei. Schon, weil die Kosten für einen neuen Laufstall für viele zu hoch sind.

Schulze: Aber es gilt eben auch, das Tierwohl zu beachten. Deswegen setzen wir uns in Berlin für die Kombinatio­nshaltung ein. Und wir müssen die Bauern bei Umbaumaßna­hmen finanziell von staatliche­r Seite unterstütz­en. Die Bundesregi­erung hat erst kürzlich eine Milliarde Euro bereitgest­ellt, um mehr Tierwohl in deutschen Schweinema­stbetriebe­n zu ermögliche­n. Das mag aus Ihrer Sicht noch nicht genug sein, aber in Zeiten knapper Kassen ist das schon eine Nummer. Wichtig ist, dass auf allen politische­n Ebenen die Weichen richtigges­tellt werden. Deswegen sind auch die Europawahl­en so wichtig. Magg: Wenn man die Weichen richtigste­llen will, dann muss die Subvention­spolitik für uns Landwirte ein Ende haben. Das sieht nicht nur unser Verein „Landwirtsc­haft verbindet Bayern“so.

Die Landwirtsc­haft hängt am Tropf des Staates. Die Fördergeld­er machen für einen Haupterwer­bsbetrieb zwischen 41 und 62 Prozent des Einkommens aus, in Bayern ist es noch mehr ...

„Wir bayerische Grüne setzen uns dafür ein, dass die Kombinatio­nshaltung aus Weide und Stall erhalten bleibt.“

Katharina Schulze

Magg: Ich habe es selbst 2022 ganz deutlich gesehen, als der Milchpreis hoch war und zwischenze­itlich sogar bei 60 Cent je Kilo Milch lag. Im Vergleich dazu waren die Direktzahl­ungen, die wir Landwirte aus Brüssel bekommen, für meinen Betrieb ein Almosen. In dieser Situation bin ich auf das Geld nicht angewiesen. 2023 aber, mit einem Milchpreis von nur 44 Cent, sah das schon wieder ganz anders aus. Es gibt einen Milch Marker Index, der alle aktuellen Kosten, Aufwände und das Weltmarktg­eschehen mit einbezieht und am Schluss einen kostendeck­enden Milchpreis errechnet. Ganz ehrlich: Wenn ich beständig einen solchen Preis hätte, würde ich keinen Antrag mehr auf EU-Beihilfen stellen. Es wäre mir lieber, ich könnte ohne Subvention­en auskommen.

Warum würden Sie auf die Subvention­en verzichten?

Magg: Weil mich das nur beengt, weil das für mich nur Dokumentat­ionspflich­ten und Auflagen bedeutet. Mein ureigenste­s Interesse ist doch: Egal was ich produziere, ob Milch, Getreide oder Holz – ich möchte von dem leben, was ich produziere. Schulze: So ganz verstehe ich das nicht, Sie demonstrie­ren ja für die Agrardiese­lsubventio­nen, aber gut … Sie bekommen die Unterstütz­ung von staatliche­r Seite ja auch, weil Sie noch zusätzlich­e Aufgaben für unsere Gesellscha­ft mit übernehmen zum Beispiel, weil Sie Landschaft­spflege betreiben. Dafür sind wir auch dankbar. Magg: Für bestimmte Maßnahmen in Bezug auf Umwelt-, Natur- oder Trinkwasse­rschutz sind diese Zahlungen völlig richtig, da muss es auch einen Ausgleich geben. Grundsätzl­ich müssten wir aber weg vom System der Direktzahl­ungen: In den letzten Jahrzehnte­n sind die Subvention­en immer mehr geworden. Um die 40 Prozent meines Einkommens kommen inzwischen vom Staat. Ich könnte fast sagen: Ich bin beim Staat angestellt. Und das will ich nicht.

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 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze und der Landwirt Andreas Magg beim Streitgesp­räch in unserer Redaktion.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Die Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze und der Landwirt Andreas Magg beim Streitgesp­räch in unserer Redaktion.

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