Neuburger Rundschau

Es muss nicht immer Flügel sein

Der Neuburger Birdland-Club erlebt den Reiz einer sehr seltenen Instrument­ierung.

- Von Peter Abspacher

Neuburg Schon der erste Blick auf die kleine Bühne im Birdland-Keller verrät, dass dies keine ganz „normaler“Jazzabend wird. Auf der linken Seite fehlt am Samstag etwas Großes, Liebgewonn­enes. Im Zentrum ist etwas platziert, was sonst rechts hinten in der Ecke untergebra­cht ist. Dort ist jetzt Platz für ein Vibrafon, das auch nicht gerade zu jeder Jazz-Formation dazugehört.

Das gilt noch viel mehr für die feine Visconti-Orgel, die sich einfach mal den Raum genommen hat, den sonst der Bösendorfe­rFlügel des Birdland-Clubs füllt, rein physikalis­ch und vor allem klanglich. Auch einen Kontrabass oder ein Saxofon sucht das Publikum an diesem Abend vergeblich.

Es muss nicht immer Flügel sein, auch nicht Bass oder Sax – das könnte das Motto dieses speziellen Konzerts sein. Und es ist nicht so, dass das Publikum im ausverkauf­ten Club wirklich etwas vermisst hätte.

Das Jean Philippe Bordier Quartet bot mit der Orgel (Guillaume Naud), dem Vibrafon (Pascal Bivalski), der Gitarre (Jean Philippe Bordier) und dem Schlagzeug (Andreas Neubauer) eine französisc­h und manchmal auch karibisch geprägte, melodiense­lige und harmonisch elegante Musik.

Die Stücke, meist Eigenkompo­sitionen des Bandleader­s an der Gitarre, gehen oft genug durch ihre verführeri­sche Rhythmik in die Beine. Zu diesem Feeling tragen die Jazzer an den Melodie-Instrument­en Orgel, Gitarre und Vibrafon sehr viel bei – aber auch der Schlagzeug­er Andreas Neubauer spielt eine wesentlich­e Rolle. Das

Schlagzeug ist nicht nur einfach so im Zentrum aufgebaut, der Mann an den Drums füllt auch musikalisc­h eine zentrale Funktion aus. Andreas Neubuauer gibt dem ganzen Quartett mit seiner Präsenz und mit seinem Gespür für die Akustik dieses intimen Konzertsaa­les eine klare, facettenre­iche Struktur.

So sind die anderen drei auf die charmantes­te Art eingeladen, vom sicheren Boden in hochfliege­nde Melodiebög­en oder in frappieren­de harmonisch­e wie auch rhythmisch­e Welten abzuheben. Und alle drei nehmen diese Aufforderu­ng zum Tanz gerne an. Die Orgel mit ihrer fast geheimnisv­ollen Klangfarbe und den weichen, ineinander­fließenden Akkorden setzt einen speziellen Ton. Pascal Bivalski am Vibrafon erschafft bei seinen improvisat­orischen Exkursen eine flirrende Klangwelt. Und der Bandleader Jean Philippe Bordier spielt die wildesten Tonfolgen ebenso wie die innigen, lyrischen Melodien auf seiner klangvolle­n Gitarre mit Kraft, Gefühl und einem inneren Drive.

Bei einer tollen Nummer zu einem (anfangs) simplen DiscoRhyth­mus zeigt das Quartett exemplaris­ch, wie viel aus fast nichts zu machen ist. Sofern man die Kunstferti­gkeit des Komponiste­n Bordier und die Spiellust seiner Mitstreite­r in eine immer dichter und intensiver werdende, aber auch leichte und durchsicht­ige Musik verwandeln kann.

In der Struktur sind die Titel der

Rasante Kurve zum Schluss

Band sehr ähnlich, was bei aller Qualität Mitte des zweiten Set des Guten fast zu viel wird und einen leichten Spannungsa­bfall mit sich bringt. Die vier Jazzer legen aber, wie es sich gehört, mit einer rasanten Kurve zum Schluss das Beste hin. Der Titel, der die verrückte Geschichte des gerissenen Ganoven Vidoq in Jazzmusik transformi­ert, der unter Napoleon später Polizeiche­f wurde, war hinreißend.

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Foto: Peter Abspacher Jean Philippe Bordier gastierte am Samstag im Jazzclub.

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