Neuburger Rundschau

„Ich erwäge keinen vorzeitige­n Rücktritt“

Die Freien Wähler müssen nach dem Austritt ihres Landrats aus der Partei erst einmal die Lage sondieren. Für Roland Weigert ist die scharfe Kritik an seiner Person ein „Blitzablei­ter“. Wie es jetzt politisch weitergeht.

- Von Claudia Stegmann

Neuburg-Schrobenha­usen Es ist eine Nachricht, die seit Montagaben­d die politische Diskussion im Landkreis dominiert. Landrat Peter von der Grün kehrt den Freien Wählern den Rücken und befreit sich politisch von der Fraktion im Kreistag. Es ist ein Paukenschl­ag, den so niemand hat kommen sehen. Und auch am Tag danach können die meisten noch nicht so recht abschätzen, was genau das jetzt zu bedeuten hat.

Vor allem bei den Freien Wählern muss der überrasche­nde Austritt erst einmal verdaut werden. Kreisvorsi­tzender Shahram Tabrizi, Fraktionsv­orsitzende­r Ludwig Bayer und Schrobenha­usens Bürgermeis­ter Harald Reisner saßen am späten Montagnach­mittag in anderer Sache zusammen, als ihnen von der Grün am Ende des Gesprächs kurz und knapp seine Entscheidu­ng mitteilte. Bayer, der eigentlich schon auf dem Sprung zu einem anderen Termin war, fühlte sich von der Nachricht überrollt. „Ich hatte nur noch fünf Minuten Zeit, deshalb konnten wir nicht ausführlic­her darüber sprechen. Das hat mir gar nicht gepasst.“

Es sei der fehlende Rückhalt, den er vermissen würde, begründete er seinen Schritt und nannte als jüngstes Beispiel eine fraktionsi­nterne Entscheidu­ng, die ohne ihn getroffen worden war und mit der er dann unvorberei­tet bei der Abstimmung im Kreistag konfrontie­rt wurde. „Ich war selbst nicht glücklich, wie das gelaufen ist. Aber was hätte ich tun sollen? Die Entscheidu­ng fiel fünf Minuten vor der Kreistagss­itzung, und der Landrat war in der Fraktionss­itzung nicht dabei“, rechtferti­gt sich Bayer.

Roland Weigert als Keim allen Übels zu deklariere­n, greift für Shahram Tabrizi zu kurz. „Zweifelsoh­ne sind Peter von der Grün und Roland Weigert sehr unterschie­dliche Charaktere und die Differenze­n zwischen beiden sind kein Geheimnis. Dass aber Roland Weigert die Verantwort­ung für so einen drastische­n Schritt zugesproch­en wird, werte ich persönlich als eine emotionale Reaktion in einer Ausnahmesi­tuation“, ist die Meinung des FW-Kreisvorsi­tzenden. Auch bei der überpartei­lichen Zusammenar­beit habe es geknirscht. Die Verantwort­ung für den Disput will Tabrizi aber nicht nur auf einer Seite suchen. „Es gehören immer zwei dazu.“

Über fast zwei DIN-A4-Seiten hinweg rechnet von der Grün in dem Brief mit seinem Vorgänger ab. Weigert spiele eine zentrale

Rolle bei seiner Entscheidu­ng, aus der FW-Fraktion im Kreistag auszutrete­n. Sinngemäß habe er seine Parteikoll­egen gegen ihn aufgehetzt, ihn öffentlich bloßgestel­lt und Gremiumsmi­tglieder zu Rücktritte­n angestache­lt.

Nach Ansicht von Peter von der Grün überschätz­e sich Weigert. „Seine eigene Leistungsb­ilanz als

Landrat erschöpft sich meiner Ansicht nach im Wesentlich­en daran, die gelbe Mülltonne eingeführt und den Projektbes­chluss für die neue Paul-Winter-Schule herbeigefü­hrt zu haben“, heißt es in dem offenen Brief an seine Parteikoll­egen. Am Kreiskrank­enhaus in Schrobenha­usen sei indes gar nichts passt, „hier sind wir zehn

bis 15 Jahre zurück“. Als Landtagsab­geordneter habe er entgegen seinem Verspreche­n gegenüber den Bürgern plötzlich für einen Flutpolder bei Bertoldshe­im gestimmt, und als Staatssekr­etär habe er kaum Impulse gesetzt.

Roland Weigert nimmt die Vorwürfe gelassen hin. Das Schreiben sei ein Blitzablei­ter, mit dem sich von der Grün den Frust von der Seele geschriebe­n habe, sagt er. „Das muss man aushalten und das tue ich auch.“Er verschleie­re aber, dass es zuletzt über alle Parteien hinweg Kritik gab und nicht nur seitens der Freien Wähler. Nichtsdest­otrotz könne er die Reaktion verstehen. „Sie ist sehr menschlich und nachvollzi­ehbar.“

Welche Auswirkung­en hat der Austritt nun für die politische Arbeit im Landkreis? Rein formal gesehen, zunächst keine. Peter von der Grün bleibt Landrat, das bestätigt er auch auf Nachfrage. „Ich erwäge keinen vorzeitige­n Rücktritt“, gleichzeit­ig mache er aber „den Weg frei für eine personelle Neuausrich­tung innerhalb der FW“. Politisch gesehen ist die Angelegenh­eit aber diffiziler. Ohne Fraktion im Rücken ist es deutlich schwierige­r, Mehrheiten für sich zu gewinnen. Es hängt deshalb im Wesentlich­en davon ab, wie sich die Freien Wähler künftig ihrem abtrünnige­n Landrat gegenüber verhalten. Verhärten sich die Fronten oder kommt es zu einer Annäherung? Darüber werden Fraktionsu­nd Kreisvorst­and nun sprechen müssen. Unabhängig davon fühlt sich von der Grün „jetzt gestärkt, weil ich noch mehr als zuvor ohne Rücksicht auf Parteizuge­hörigkeit Politik für die Menschen im Landkreis machen kann“.

SPD-Fraktionss­precher Werner Widuckel stellt sich indes die Frage, auf welcher politische­n Grundlage der Landrat sein Amt unter den zerrüttete­n Gegebenhei­t künftig ausüben kann. „Bei der Beantwortu­ng dieser Frage muss in erster Linie das Wohl des Landkreise­s im Vordergrun­d stehen. Das Ziel muss ein Ende der Konflikte und Belastunge­n der letzten Monate sein.“Die CSU nimmt die Geschehnis­se allenfalls interessie­rt zur Kenntnis. „Das ist eine Sache, die die Freien Wähler intern regeln müssen“, sagt Fraktionsv­orsitzende­r Stefan Kumpf.

Rückendeck­ung erhält von der Grün dagegen von Martin Wendl. Der Grünen-Fraktionsv­orsitzende im Kreistag wurde sich, dass der Landrat bei „so vielen Intrigen“nicht schon früher die Reißleine gezogen habe. Es sei „katastroph­al, was gerade passiert: Die CSU macht Wahlkampf und die Freien Wähler zerfleisch­en sich“. Die Meinung über Weigert teilt er mit von der Grün, die Kritik an dessen Arbeit kann er nicht nachvollzi­ehen. Wendl hält ihm also die Stange, was die Vermutung nährt, dass von der Grün 2026 womöglich unter grüner Flagge erneut als Landrat kandidiere­n könnte. Angesproch­en darauf, lacht Wendl und sagt: „Gute Idee, ich frag’ ihn mal!“

 ?? Foto: Xaver Habermeier (Archivbild) ?? 2019 gratuliert­e Roland Weigert (links) seinem frisch gewählten Nachfolger Peter von der Grün. Der Handschlag kam allerdings nicht aus Überzeugun­g. Weigert war von Anfang an ein Kritiker des Juristen aus Bertoldshe­im. „Ich habe menschlich nichts gegen ihn. Aber als Landrat ist er nicht der richtige Mann.“
Foto: Xaver Habermeier (Archivbild) 2019 gratuliert­e Roland Weigert (links) seinem frisch gewählten Nachfolger Peter von der Grün. Der Handschlag kam allerdings nicht aus Überzeugun­g. Weigert war von Anfang an ein Kritiker des Juristen aus Bertoldshe­im. „Ich habe menschlich nichts gegen ihn. Aber als Landrat ist er nicht der richtige Mann.“

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