„Das ist das Schäbigste“
Mindestens fünf Seniorinnen hat „Herr Adam“hohe Bargeld-Beträge abgenommen. Er fungierte als Abholer von Enkeltrick-Betrügern. Dafür wurde er jetzt verurteilt.
Den Letzten beißen die Hunde: Diese Erfahrung musste auch ein 27-Jähriger machen, der bei Enkeltrick-Betrügereien Bargeld, Schmuck und andere Gegenstände im Wert von mindestens 37.000 Euro abgeholt hat. Das Ingolstädter Landgericht hat ihn wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Damit ist er noch gut davongekommen.
Bereits zum Prozessauftakt vor einem Monat hat der Angeklagte neben einem versuchten Einbruch in eine Privatwohnung fünf Abholungen eingeräumt (wir berichteten). Eine Abholung fand in Ingolstadt und eine in Augsburg statt. Die übrigen Taten haben sich in
München ereignet. In allen Fällen waren die Opfer ältere Frauen, denen am Telefon von angeblichen Polizisten erzählt worden war, ihre Enkelin habe einen schweren Verkehrsunfall verursacht. Um Untersuchungshaft zu verhindern, müsse eine Kaution hinterlegt werden.
Senioren so um ihre Ersparnisse zu bringen, sei “so ziemlich das Schäbigste”, stellte der Vorsitzende Richter Gerhard Reicherl zu Beginn der Urteilsbegründung am Dienstag klar. Der Angeklagte sei zwar nur „das schwächste Glied in der Kette“und an die eigentlichen Nutznießer, die vom Ausland aus agieren, komme man in der Regel nicht heran. Dennoch müsse mit hohen Strafen „ein klares Zeichen“gesetzt werden: „Ohne Abholer funktioniert’s nicht“, betonte Reicherl.
Dass sich das Gericht dennoch dem moderaten Strafantrag von Verteidiger Jörg Gragert anschloss, habe mit der hier vorliegenden „Sondersituation“zu tun, so der Richter weiter. Hätte der Angeklagte nicht bereits im Ermittlungsverfahren ein „überschießendes Geständnis“abgelegt, hätte man ihm wohl nur eine Tat nachweisen können. Außerdem habe er Angaben zur Rolle eines Hintermanns gemacht, gegen den ein eigenes Verfahren läuft.
Dass dieser den Angeklagten zu den Taten gedrängt hat, erkannte auch Staatsanwältin Sophie Sutor an: Den Hintermann wolle „niemand zum Feind haben“. Gedrängt sei sein Mandant auch von seiner
Drogensucht geworden, ergänzte Verteidiger Gragert. Es liege ein „klarer Fall der Abhängigkeit“und der Beschaffungskriminalität vor, stimmte Reicherl zu.
Deshalb hat das Gericht den 27-Jährigen, der bereits 20 Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, in eine Entzugsklinik eingewiesen. Er müsse seine Drogenprobleme in den Griff bekommen, ermahnte ihn der Richter: “Sonst schaut’s echt bitter aus”. Ist die Therapie, die in fünf Monaten beginnen soll, erfolgreich, dürfte das letzte Drittel der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Obwohl Staatsanwältin Sutor eine um über eineinhalb Jahre höhere Freiheitsstrafe gefordert hatte, erklärte auch sie, auf Rechtsmittel zu verzichten, sodass das Urteil rechtskräftig ist.