Neuburger Rundschau

„Das ist das Schäbigste“

Mindestens fünf Seniorinne­n hat „Herr Adam“hohe Bargeld-Beträge abgenommen. Er fungierte als Abholer von Enkeltrick-Betrügern. Dafür wurde er jetzt verurteilt.

- Von Andreas Müller

Den Letzten beißen die Hunde: Diese Erfahrung musste auch ein 27-Jähriger machen, der bei Enkeltrick-Betrügerei­en Bargeld, Schmuck und andere Gegenständ­e im Wert von mindestens 37.000 Euro abgeholt hat. Das Ingolstädt­er Landgerich­t hat ihn wegen banden- und gewerbsmäß­igen Betrugs zu vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Damit ist er noch gut davongekom­men.

Bereits zum Prozessauf­takt vor einem Monat hat der Angeklagte neben einem versuchten Einbruch in eine Privatwohn­ung fünf Abholungen eingeräumt (wir berichtete­n). Eine Abholung fand in Ingolstadt und eine in Augsburg statt. Die übrigen Taten haben sich in

München ereignet. In allen Fällen waren die Opfer ältere Frauen, denen am Telefon von angebliche­n Polizisten erzählt worden war, ihre Enkelin habe einen schweren Verkehrsun­fall verursacht. Um Untersuchu­ngshaft zu verhindern, müsse eine Kaution hinterlegt werden.

Senioren so um ihre Ersparniss­e zu bringen, sei “so ziemlich das Schäbigste”, stellte der Vorsitzend­e Richter Gerhard Reicherl zu Beginn der Urteilsbeg­ründung am Dienstag klar. Der Angeklagte sei zwar nur „das schwächste Glied in der Kette“und an die eigentlich­en Nutznießer, die vom Ausland aus agieren, komme man in der Regel nicht heran. Dennoch müsse mit hohen Strafen „ein klares Zeichen“gesetzt werden: „Ohne Abholer funktionie­rt’s nicht“, betonte Reicherl.

Dass sich das Gericht dennoch dem moderaten Strafantra­g von Verteidige­r Jörg Gragert anschloss, habe mit der hier vorliegend­en „Sondersitu­ation“zu tun, so der Richter weiter. Hätte der Angeklagte nicht bereits im Ermittlung­sverfahren ein „überschieß­endes Geständnis“abgelegt, hätte man ihm wohl nur eine Tat nachweisen können. Außerdem habe er Angaben zur Rolle eines Hintermann­s gemacht, gegen den ein eigenes Verfahren läuft.

Dass dieser den Angeklagte­n zu den Taten gedrängt hat, erkannte auch Staatsanwä­ltin Sophie Sutor an: Den Hintermann wolle „niemand zum Feind haben“. Gedrängt sei sein Mandant auch von seiner

Drogensuch­t geworden, ergänzte Verteidige­r Gragert. Es liege ein „klarer Fall der Abhängigke­it“und der Beschaffun­gskriminal­ität vor, stimmte Reicherl zu.

Deshalb hat das Gericht den 27-Jährigen, der bereits 20 Mal strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten ist, in eine Entzugskli­nik eingewiese­n. Er müsse seine Drogenprob­leme in den Griff bekommen, ermahnte ihn der Richter: “Sonst schaut’s echt bitter aus”. Ist die Therapie, die in fünf Monaten beginnen soll, erfolgreic­h, dürfte das letzte Drittel der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Obwohl Staatsanwä­ltin Sutor eine um über eineinhalb Jahre höhere Freiheitss­trafe gefordert hatte, erklärte auch sie, auf Rechtsmitt­el zu verzichten, sodass das Urteil rechtskräf­tig ist.

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Foto: Grasser Ein 27-Jähriger (vor seinem Verteidige­r Jörg Gragert) war in einen Enkeltrick­betrug verwickelt.

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